Veröffentlicht: 08.01.08
IODP-Forschungsbohrung

Feiertage auf dem schwimmenden Forschungslabor

Seit rund zwei Wochen befindet sich der Arbeitsplatz der zwei Schweizer Geowissenschaftler France Girault und Michael Strasser auf dem Forschungsschiff Chikyu. Sie berichten in den kommenden Wochen in ETH life von Bord des Schiffes.

France Girault und Michael Strasser
Michael Strasser und France Girault an Bord der Chikyu. Im Hintergrund der Bohrturm
Michael Strasser und France Girault an Bord der Chikyu. Im Hintergrund der Bohrturm "Derrick" (Grossbild)

Die Anspannung der Helikopterinsassen auf dem dreissig Minuten dauernden Flug von der Küste Japans hinaus aufs Meer zum IODP-Forschungsschiff Chikyu, am 19. Dezember, war deutlich zu spüren. „Was wird uns wohl auf Chikyu erwarten?“ Wir hatten von den Wissenschaftlern, die vor uns an Bord waren, erfahren, dass mit dem Bohrvortrieb nicht immer alles reibungslos lief und dass es oft grössere Wartezeiten gab. „Werden wir wohl mehr Erfolg haben?“ Schon von weitem war der 121 Meter hohe blaue Bohrturm, der sogenannte Derrick, zu sehen und es war beeindruckend, wie das Schiff am Horizont immer grösser und grösser wurde. Hier verbringen wir also die nächsten zwei Monate, inklusive Weihnachten und Silvester. Wow!

Direkt an die Arbeit

Wir waren noch nicht einmal 12 Stunden auf dem Schiff und verliefen uns noch öfters in den Korridoren und verschiedenen Etagen des Giganten, als schon über die Bordlautsprecher das unüberhörbare „core on deck“ erklang. Das Schiff hatte sich über einer Stelle positioniert, an der ein Ausläufer der sogenannten Mega-Splay-Störung (siehe ETH Life-Bericht von 7.1.08) in nur 350 Meter Tiefe unter dem Meersboden erwartet wurde. Der mit der neusten Technik ausgerüstete Driller brachte bereits die ersten neun Meter Bohrkerne - und somit reichlich Probenmaterial - zu Tage. In einem Rhythmus von etwa zwei Stunden wiederholte sich von nun an dieses Prozedere.

Weihnachten und Silvester an Bord

Während den ersten paar Tagen ging es mit dem Bohrvortieb sehr gut voran und in 12 Stunden Schichten analysierten wir rund um die Uhr die gekernte Abfolge der Meeresbodensedimente. Schon am 24. Dezember erreichten wir die Störungszone. Dieser Erfolg war wie ein erstes Weihnachtsgeschenk und mit viel Einsatz und Enthusiasmus generieren wir nun wichtige Daten über die Gegebenheiten des Ozeanbodens und speziell über Strukturen und physikalische Gesteinsparameter im Bereich der Störungszone.

Natürlich stand der Betrieb auf dem Bohrschiff trotz der Feiertage nicht still. Während des Schichtwechsels blieb jedoch genug Zeit für weitere Überraschungsgeschenke und um Weihnachten zu feiern. Jeder Wissenschaftler hatte ein Geschenk aus seinem Heimatland mitgebracht. In der Science Lounge durfte sich bei der „X-mas Gift Exchange Party“ jeder eines aussuchen. Diese Zeremonie brachte uns auch auf einer sozialen Ebene näher zusammen. Ins Schwärmen kamen wir bei dem exotischen Christmas-Buffet und überhaupt sind alle begeistert vom reichhaltigen Angebot, welches die Kombüsen-Crew auf den Tisch zaubert.

Noch vor Silvester waren insgesamt 400 Meter Bohrkerne an Bord geholt und somit das wissenschaftliche Ziel erreicht. Das Schiff fuhr dann zur zweiten Bohrlokalität am äussersten Rand des Nankai-Trog-Akkretionskeils. Hier wird nun in den folgenden Wochen die frontale Störungszone untersucht werden, und zwar unmittelbar die Stelle, an der die Pazifische Ozeanplatte unter die kontinentale Platte abtaucht. Dabei werden die Sedimente der ozeanischen Platte abgeschuppt und es entsteht ein sogenannter Akkretionskeil, der ständig wächst.

Leider gab es am 31. Dezember zu Beginn der neuen Bohraktivitäten einige technische Schwierigkeiten. Diese erlaubten uns aber, das neue Jahr etwas ruhiger zu beginnen. Alle Wissenschaftler versammelten sich kurz vor Mitternacht im Labor und zelebrierten den Silvester-Countdown. Im Anschluss spielten wir im Tischtennisraum einen spassigen Ping-Pong-Rundlauf und sassen später gemütlich in der Science Lounge zusammen. Neujahr auf der Chikyu - ein sicherlich einmaliges Erlebnis!

Die ersten wissenschaftlichen Berichte

Während die neuen Bohrkerne nun aber wieder regelmässig zu Tage gefördert werden und unsere volle Aufmerksamkeit verlangen, sind wir in den unterschiedlichen Expertenteams zudem damit beschäftigt, die ersten Resultate der vorangegangenen Bohrung zusammenzutragen. Es ist beeindruckend, wie viele Daten in nur dreieinhalb Wochen erfasst wurden. Jetzt geht es darum, interdisziplinär zusammenzuarbeiten und die verschiedensten Beobachtungen zu integrieren. Wir sind gespannt auf die ersten wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf welche wir in einem der nächsten Berichte eingehen werden.

Logbuch

Auf dem Foto sind France Girault, Doktorandin des Departements für Erdwissenschaften der ETH Zürich, und Michael Strasser, der vor kurzem beim Departement für Erdwissenschaften der ETH Zürich seine Promotion abgeschlossen hat und nun mit einem Stipendium des Schweizer Nationalfonds als Postdoc am Forschungszentrum für Ozeanränder der Universität Bremen, in Bremen forscht. Das Foto zeigt die beiden vor dem Bohrturm des Forschungsschiffs Chikyu, auf dem sie sich seit dem 19. Dezember befinden. Die Chikyu bohrt während des Projekts „The Nankai Trough Seismogenic Zone Experiment“ (NanTroSEIZE) in die Subduktionszone des Nankai-Trogs vor der Ostküste Japans. Girault arbeitet als Paläontologin und Strasser als Sedimentologe an den bei der Bohrung gewonnenen Bohrkernen. Sie berichten für "ETH Life" in den kommenden Wochen über ihre Arbeit und Erlebnisse an Bord. Die Forscher sind auf dem Schiff zu erreichen unter der E-Mail michi@lab.chikyu.jamstec.go.jp und girault@lab.chikyu.jamstec.go.jp

 
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