Veröffentlicht: 22.01.08
IODP-Forschungsbohrung

"Stabiles" Land in Sicht?

Der Schweizer Geowissenschaftler Michael Strasser hat vor kurzem beim Departement für Erdwissenschaften der ETH Zürich seine Promotion abgeschlossen. Nun ist er mit einem Stipendium des Schweizer Nationalfonds als Postdoc am Forschungszentrum für Ozeanränder der Universität Bremen. Zusammen mit France Girault, Doktorandin am Geologischen Institut der ETH Zürich und 25 weiteren Wissenschaftler aus aller Welt erforscht er seit dem 19. Dezember 2007 die Nankai Trog Subduktionszone vor der Ostküste Japans.

Michael Strasser
Olivier Fabbri, Struktugeologe aus Frankreich und der ETH-Absolvent Michael Strasser beim Morgenspaziergang auf dem Helideck. Bild: JAMSTEC/IODP
Olivier Fabbri, Struktugeologe aus Frankreich und der ETH-Absolvent Michael Strasser beim Morgenspaziergang auf dem Helideck. Bild: JAMSTEC/IODP (Grossbild)

Heute ist ein sehr schöner, aber kalter Tag auf dem Pazifik und die Fernsicht ist so gut, dass ich bei meinem täglichen Morgenspaziergang auf dem Helikopterdeck, weit weg am Horizont, die blassen Umrisse des Japanischen Festland erkennen kann. Das erinnerte mich daran, dass die tektonischen Kräfte, welche hier tief unter dem Meeresboden seit Millionen von Jahren wirken und deren Studium wir uns hier auf dem Forschungsschiff widmen, in der Tat direkte Auswirkungen auf das nahe gelegene Festland haben können. Ich vergesse das manchmal im Forschungsalltag auf dem Schiff, denn wir beschäftigen uns in den einzelnen Forschungsgruppen meist rund um die Uhr mit detaillierten und spezialisierten Analysen. Wir sind damit beschäftigt unsere Daten auszuwerten, aufzuarbeiten und in Berichten zusammenzufassen. Doch heute steht etwas Zeit zu Verfügung, unsere Daten mit den anderen Wisschenschaftler zu vergleichen und in einen grösseren Zusammenhang zu stellen, denn heute muss der Bohrkopf ausgetauscht werden. Er befindet sich am unteren Ende der Bohhröhre, Drill Pipe genannt. Das bedeutet, dass die mehr als 4 Kilometer lange Drill Pipe Stück für Stück an Deck zurückgebracht werden muss. Dann wird die Röhre wieder aus ca. 4.5 Meter langen Stücken zusammengesetzt und zum Ozeanboden hinuntergelassen. Das dauert gut und gerne 24 bis 36 Stunden.

Multiple Bohrkernanalysen

Danach, wenn wieder neue Kerne an Bord kommen, geht es weiter mit unseren Analysen. Ausser France Girault (siehe ETH Life vom 14.1.2008) warten auch die Geochemiker und der Geomikrobiologe gespannt darauf, dass uns die Bohrleute den 9.5 Meter langen Kern übergeben. Sie entnehmen dem frischen Kern Gas- und Porenwasserproben und analysieren deren Elementzusammensetzung im Chemielabor, oder untersuchen die Sedimente auf lebende Mikroorganismen. Ihre Analysen erlauben es, Aussagen darüber zu machen, ob entlang der Störungszone Gase und Flüssigkeiten aus der Tiefe der Subduktionszone aufsteigen und ob diese Mikroorganismen ernähren können. Solche chemischen Fingerabdrücke geben wichtige Aufschlüsse über Mineralreaktionen in der Tiefe und über die Dynamik aufsteigender Gase und Flüssigkeiten entlang der Störungszone. Nachdem diese Proben entnommen sind, wird der Bohrkern in einzelne, 1.5 Meter lange Sektionen geschnitten und mit einem Computer-Tomographen, wie man ihn aus dem Spital kennt, gescannt. Dies ist eine neue Methode bei der Erforschung mariner Bohrkerne und liefert fantastische Datensätze, die uns erlauben, die Strukturen der Sedimente und Gesteine in drei Dimensionen am Bildschirm zu studieren. Insbesondere für die Rekonstruktion der Mechanismen die innerhalb der Störungszone zu Deformationen führen, sind die Tomographie-Aufnahmen sehr wertvoll. Bevor der Bohrkern schlussendlich für weitere Analysen und Beprobungen in zwei Hälften aufgespaltet wird, werden noch weitere wichtige Parameter, wie die Dichte, die Ausbreitungsgeschwindigkeit seismischer Wellen und die Magnetisierung  der Sedimente und Gesteine, gemessen.

Die Rekonstruktion der geologischen Geschichte

Erst jetzt beginnt meine eigentliche Arbeit als Sedimentologe. Ich untersuche zusammen mit Kitty Milliken, einer Sedimentologin der University of Texas in Austin, USA, die geöffneten Bohrkerne. Erst beschreiben wir die mit dem blossen Auge sichtbaren Texturen und Strukturen der Sedimente. Anschliessend studieren wir ausgewählte Proben unter dem Mikroskop. Wir quantifizieren die unterschiedlichen feinkörnigen Gesteinspartikel, Mineralien, und Fossilien, aus welchen das zutage geförderte Material mehrheitlich besteht. Aus unseren Beobachtungen rekonstruieren wir die Entstehungs- und Ablagerungsgeschichte der Sedimente. Dabei hilft uns auch die Analyse einzelner Proben mit der so genannten Röntgenstreuung-Methode (X-ray Diffraction, XRD), welche die Beugung von Röntgenstrahlung an Kristallen misst. Dies liefert Aufschlüsse über die Mineralzusammensetzung von sehr feinkörnigen, unter dem Mikroskop kaum unterscheidbaren, Sedimenten. Spezielle Bereiche der Sedimentabfolge, wie zum Beispiel eine wichtige Schichtgrenze, untersuchen wir auch mittels Röntgenfluoreszenzspektroskopie. Ein sogenannter XRF-Scanner, ähnlich dem, der vergangene Woche am Geologischen Institut der ETH Zürich eingeweiht wurde, steht uns auch in diesem top-modernen schwimmenden Labor zur Verfügung. Diese Ausstattung ermöglicht uns, dass wir schon wenige Stunden nachdem der Bohrkern an Deck gekommen ist, dessen chemische Zusammensetzung kennen. Sämtliche Analysen zusammen mit den Altersangaben der Biostratigraphie (siehe Bericht von France Girault vom 14.1.08) erlauben uns, die erbohrten Sedimente einer zeitlichen und räumlichen Ablagerungsabfolge zuzuordnen.

Unsere ersten Resultate weisen darauf hin, dass die bis jetzt erbohrten Sedimente hauptsächlich im oder östlich des Nankai Trogs auf der Philippinischen Ozeanplatte abgelagert wurden. Mit zunehmender Subduktion werden sie von der abtauchenden Platte abgeschert und bilden den Akkretionskeil. Dank dieser Informationen können wir die Deformationsgeschichte und die Deformationsraten entlang der oberflächennahen Bruchzone der Nankai Trog Subduktionszone im Detail studieren und rekonstruieren.

Ist Festland festes Land?

Die über 1000 Meter Bohrkerne, welche wir bis jetzt insgesamt zutage gefördert haben, enthalten also eine Vielzahl geologischer Information über die tektonischen Prozesse, die an diesem aktiven Kontinentalrand ablaufen und grosse Erdbeben und Tsunamis verursachen können. Kaum vorstellbar, welche Kräfte wirken müssen, um diese Gesteinspakte übereinander zu stapeln oder in der Tiefe der Subduktionszone zu versenken. Das Japanische Festland am Horizont sieht von der Ferne trotzdem so ruhig und stabil aus. So erinnert es mich dann auch bei Sonnenuntergang am Abend auf Deck nicht nur an die geologischen Prozesse irgendwo tief unter mir, sondern auch daran, dass ich schon mehr als einen Monat hier auf dem Schiff bin. Ich freue mich, schon bald wieder an Land und zu Hause zu sein. Aber erstmal erwarten uns hier noch zwei weitere, arbeitsintensive Wochen - hoffentlich mit vielen spannenden und neuen Entdeckungen sowie tollen Erfahrungen.

 
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