Veröffentlicht: 05.03.09
Studierendenprojekt

Energieforschung von Urnäsch bis Südafrika

Masterstudierende der ETH Zürich beschäftigen sich in einer Fallstudie mit der Energieversorgung der Gemeinde Urnäsch in Appenzell Ausserrhoden. Doch das ist erst der Anfang: Ähnliche Studien in Litauen und Südafrika sollen kleinen und mittelgrossen Gemeinden helfen, ihren Energiehaushalt nachhaltig und bis zu einem hohen Grad unabhängig zu organisieren.

Samuel Schläfli
In ihrer Fallstudie wollen die ETH-Wissenschafter herausfinden, wie die Energieversorgung von Urnäsch in hohem Grad unabhängig gestaltet werden könnte. (Bild: Urnäsch Tourismus)
In ihrer Fallstudie wollen die ETH-Wissenschafter herausfinden, wie die Energieversorgung von Urnäsch in hohem Grad unabhängig gestaltet werden könnte. (Bild: Urnäsch Tourismus) (Grossbild)

Es ist nicht die erste Zusammenarbeit der 2300-Seelen-Gemeinde Urnäsch und der Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften der ETH Zürich: Bereits 2002 erarbeitete Professor Roland Scholz mit einem Team aus Tutoren und Studierende eine Fallstudie zur Landnutzung im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Zahlreiche Ideen zur Steigerung der touristischen Attraktivität der Region und zum Umgang mit landwirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen, die innerhalb der Studie entstanden waren, wurden später von der Gemeinde Urnäsch umgesetzt.

Die erneute Zusammenarbeit zwischen Urnäsch und Scholz gründet auf einer Fallstudie zur Energieversorgung der Gemeinde. «Anhand von Urnäsch wollen wir herausfinden, wie Energieversorgung und -konsum einer kleinen bis mittelgrossen Gemeinde nachhaltig und in einem hohen Grad unabhängig gestaltet werden kann», erzählt Michael Stauffacher vom Institut für Umweltentscheidungen, der das Projekt gemeinsam mit Roland Scholz organisiert.

Unabhängig deshalb, weil die Wissenschaftler davon ausgehen, dass im Falle eines Energie-Engpasses – zum Beispiel verursacht durch eine Erdölverknappung – kleine ländliche Gemeinden die ersten Leidtragenden wären.

Studierende aus vier Studiengängen

19 Studierende aus vier unterschiedlichen Masterstudiengängen sind in das fünfmonatige Projekt involviert. Diese haben sich in drei Gruppen formiert, wobei jede einen anderen Schwerpunkt verfolgt, welcher der Studienrichtung der Teilnehmer entspricht: Die erste Gruppe beschäftigt sich aus einer Ingenieur-Perspektive mit den technischen Möglichkeiten zur Energieproduktion und deren Bewertung anhand von Nachhaltigkeits-Kriterien. Eine weitere Gruppe wird mit sozialwissenschaftlichen Methoden analysieren, wie Informationen zu nachhaltigen Technologien der Gemeindebevölkerung kommuniziert werden können und diese wiederum von der Gemeinde aufgenommen werden. Das dritte Team widmet sich wirtschaftlichen Fragestellungen und sucht Möglichkeiten, wie sich die Energieeffizienz von KMU in der Region erhöhen lässt und Barrieren zwischen verfügbarem Wissen und der konkreten Umsetzung abgebaut werden können. Während mehrerer Tage werden die Studierendengruppen vor Ort Leute interviewen, Daten sammeln und sich mit der Infrastruktur vertraut machen. Daraus hervorgehend und in intensiver Auseinandersetzung mit der entsprechenden Fachliteratur werden danach im Plenum Ideen und Vorschläge für die Gemeinde erarbeitet. Am 15. Juni sollen die Ergebnisse der Studie schliesslich dem Gemeindepräsidenten präsentiert werden.

Studien auch in Schwellenländern

Die transdisziplinäre Fallstudie in Urnäsch ist Teil des Grossprojekts «Climate Policy Design for Enhanced Technological Innovation» (ClimPol), das sich rund um Entscheidungsprozesse von verschiedenen Anspruchsgruppen in Bezug auf den Klimawandel dreht. Weitere Fallstudien ähnlicher Art werden innerhalb des Grossprojekts zurzeit aufgegleist. Die nächste soll noch dieses Jahr in einer Gemeinde in Litauen begonnen werden. Die litauische Doktorandin Evelina Trutnevyte schreibt ihre Doktorarbeit im Rahmen des langfristigen Projekts und wird mit Studierenden litauischer Universitäten an einem ähnlichen Fall wie Urnäsch arbeiten. Trutnevyte und Roland Scholz haben dazu vierzig litauische Gemeinden für eine Zusammenarbeit angeschrieben. «Wir haben im Institut Wetten abgeschlossen, wie viel Rücklauf wir erhalten werden. Mit neun Antworten von Gemeinden, die stark an einer Kooperation interessiert sind, war der Rücklauf wesentlich besser, als wir anfänglich erwartet hatten», erzählt Trutnevyte. Sie glaubt jedoch, dass sich die Arbeit in ihrem Heimatland stark von derjenigen in Urnäsch unterscheiden wird. Da die Energieversorgung in Litauen einen grossen Anteil des monatlichen Einkommens einer Familie verschlingt – vor allem bedingt durch Heizkosten –, müsse dieses Thema äusserst sensibel behandelt werden, so Trutnevyte. Deshalb würden besonders ökonomische Aspekte von Energiesystemen in einer Fallstudie in Litauen stärker gewichtet werden müssen als in Urnäsch.

Ideen liegen zudem für eine Kooperation mit einer südafrikanischen Gemeinde vor. Ein aus Südafrika stammender ETH-Student würde in diesem Fall im Rahmen seiner Masterarbeit als Kenner der lokalen Verhältnisse stark ins Projekt eingebunden werden. «Ich finde die Vorstellung wunderbar, dass wir unseren Partnerländern etwas vom drohenden ‹Brain-Drain› in Form von Wissensaustausch in gemeinsamen Projekten zurückgeben können», freut sich Michael Stauffacher auf kommende Projekte im Ausland.