Veröffentlicht: 22.05.09
UN-Waldbericht

Eine beunruhigende Entwicklung

Wälder nehmen heute grosse Mengen CO2 aus der Atmosphäre auf und bremsen damit die globale Klimaerwärmung. Ein neue UN-Studie, an der sich auch ETH-Forscher beteiligt haben, zeigt nun: Je höher die globale Durchschnittstemperatur ansteigen wird, desto grösser ist auch das Risiko, dass sich dieser Effekt ins Gegenteil verkehrt – mit fatalen Folgen für das globale Klima.

Felix Würsten
In British Columbia, Kanada, zerstörte der Bergkiefernkäfer grosse Waldflächen. Rotbraune Bäume sind von dieser Borkenkäfer-Art befallen. (Bild: D&J Huber, flickr)
In British Columbia, Kanada, zerstörte der Bergkiefernkäfer grosse Waldflächen. Rotbraune Bäume sind von dieser Borkenkäfer-Art befallen. (Bild: D&J Huber, flickr) (Grossbild)

Die Klimaerwärmung könnte für die Wälder weltweit viel dramatischere Konsequenzen haben als bisher angenommen. Zu diesem beunruhigenden Schluss kommt die umfassende Studie «Adaptation of Forests and People to Climate Change – A Global Assessment Report», welche Mitte April veröffentlicht wurde und an der sich unter der Federführung der International Union of Forest Research Organisations (IUFRO) insgesamt 14 internationale Institutionen beteiligt haben. Wird die globale Erwärmung, so das Fazit des Berichts, nicht sofort durch eine markante Reduktion der anthropogenen Treibhausgasemissionen auf ein akzeptables Mass eingedämmt, drohen die Wälder zu bedeutenden CO2-Quellen zu werden – mit fatalen Folgen für das Klima: Heute nehmen die Wälder weltweit gesehen grosse Mengen an Kohlenstoff auf und bremsen so die globale Klimaerwärmung ab. Sollten sie jedoch künftig mehr CO2 emittieren als aufnehmen, verkehrt sich dieser positive Effekt ins Gegenteil: Die Klimaerwärmung würde zusätzlich beschleunigt.

Hohe Wahrscheinlichkeit ab 2,5 Grad

Von den heutigen menschlich verursachten CO2-Emissionen verbleiben nur etwa 45 Prozent in der Atmosphäre. Weitere rund 25 Prozent werden von den Ozeanen aufgenommen, die restlichen 30 Prozent absorbieren die Landökosysteme. «Werden die Wälder zu CO2-Quellen, steigt der Treibhausgasgehalt in der Atmosphäre selbst dann weiter an, wenn es überhaupt keine menschlichen CO2-Emissionen mehr gäbe», erklärt Andreas Fischlin, Professor für terrestrische Systemökologie, der als einer der leitenden Autoren massgeblich am Bericht beteiligt war. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wälder unter dem Strich zu einer CO2-Quelle werden, steigt erheblich an, wenn sich das globale Klima im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um mehr als 2,5°C erwärmen würde – eine Temperaturerhöhung, die selbst bei moderaten Emissionsszenarien aus heutiger Sicht als wahrscheinlich eingestuft werden muss und nur bei anspruchsvollsten Klimaschutzzielen noch vermieden werden kann. Betrachtet man den menschlichen CO2-Ausstoss der letzten 8 Jahre, dann bewegt sich die Menschheit auf einem Pfad, der gemäss den Schätzungen des IPCC zu einer globalen, mittleren Temperaturzunahme von bis zu rund 6 Grad führen könnte.

Markante Ausdehnung der Schädlinge

Der Bericht zeigt auf, dass vor allem zwei Faktoren für diese kritische Entwicklung verantwortlich sind: Zum einen muss in den subtropischen und trocken-gemässigten Zonen damit gerechnet werden, dass die dortigen Wälder unter vermehrter Trockenheit leiden werden. Die Zahl der Waldbrände dürfte damit, wie sich dies bereits in den letzten Jahren abzeichnet, weiter zunehmen. Zum anderen sind auch in höheren Breitengraden negative Folgen zu erkennen. Ein wärmeres Klima begünstigt zwar das Wachstum der Wälder. Gleichzeitig muss aber auch damit gerechnet werden, dass die Bäume vermehrt von Schädlingen und Feuer befallen werden. In den letzten Jahren wurden beispielsweise in Kanada riesige Waldflächen vernichtet, weil sich der Bergkiefernkäfer – eine Borkenkäferart – von den USA nach Norden hin ausdehnte. Kanadische Wissenschaftler rechnen alleine für die Provinz British Columbia, dass durch das Absterben und Verrotten der schon befallenen Bäume in den kommenden Jahren ungefähr gleichviel CO2 freigesetzt wird, wie während fünf Jahren der gesamte Transportsektor Kanadas oder die Schweiz. «Diese Zahlen zeigen, dass es hier nicht um einen Randeffekt des globalen Wandels geht, sondern um ein zentrales Problem», hält Fischlin fest.

Das Argument, auf den betroffenen Flächen würden ja wieder neue Wälder nachwachsen und somit Kohlenstoff gebunden, lässt Fischlin nicht gelten. «Bis sich ein Wald an eine neue klimatische Situation angepasst hat und neue Baumarten nachwachsen, welche den Schädlingen gegenüber weniger anfällig sind, vergehen Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Es dauert also sehr lange, bis die schnelle Freisetzung von CO2 durch Schädlingsbefall und Waldbrände wieder kompensiert werden kann.»

Umdenken tut Not

Klar ist, dass diese Veränderungen auch enorme sozio-ökonomische Konsequenzen haben dürften. Die Verfasser des Berichts kommen zum Schluss, dass es in Bezug auf die Bewirtschaftung der Wälder flexible Massnahmen braucht, da herkömmliche Ansätze nicht mehr angemessen sind. Insbesondere braucht es ein Umdenken in der Forstwirtschaft. Denn viele der bewährten Bewirtschaftungsmethoden werden je nach dem, wie sich der Klimawandel entwickelt, nicht mehr sinnvoll sein und müssen daher radikal überdacht werden.

Exemplarisch lässt sich dies am Beispiel Schweiz illustrieren: Wenn die Klimaerwärmung wider Erwarten sehr moderat ausfallen sollte, können die hiesigen Wälder in vergleichbarer Art wie in der Vergangenheit weiterexistieren. Doch bei einem stärkeren Temperaturanstieg wird in der Schweiz in tiefen Lagen künftig ein Klima herrschen, bei dem sich Flaum- und Korkeichen oder gar Olivenbäume viel wohler fühlen würden als Fichten und Buchen. «Da Bäume langsam wachsen, sollten sich die Förster deshalb bereits heute überlegen, wie die Bewirtschaftung der Wälder konkret an solche Herausforderungen anzupassen ist», bringt es Fischlin auf den Punkt.

Auch in Kanada, wo heutzutage grosse Flächen auf einen Schlag abgeholzt und danach wieder aufgeforstet werden, muss die Bewirtschaftung wohl oder übel überdacht werden. Denn wenn das dortige Klima trockener wird und gleichzeitig extreme Niederschlagsereinisse zunehmen, so wie dies die Klimamodelle vorausberechnen, droht auf den kahlgeschlagenen Flächen Bodenerosion und damit eine Versteppung. Genau solche Folgeeffekte drohen das Problem weiter zu verschärfen. «Aus diesem Grund ist es absolut entscheidend, die Bewirtschaftung so auszurichten, dass die Vitalität der Wälder erhalten oder gar gesteigert werden kann, Wälder und Böden also so nachhaltig wie möglich zu bewirtschaften», ist Fischlin überzeugt. «Noch besser wäre es natürlich, die Treibhausgas-Emissionen bereits heute massiv abzusenken, damit das sich abzeichnende Umkippen der Wälder gar nicht erst eintreten wird.»

 
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