Veröffentlicht: 19.06.09
Pflanzengenetik

Vierfaches Erbgut erleichtert Ausbreitung

Die Spätblühende Goldrute aus Nordamerika erobert Europa. Weshalb sich die invasive Pflanze hier so erfolgreich ausbreiten kann, zeigt ein Blick auf ihre Genetik.

Maja Schaffner
Zivildienstleistende befreien in einem Naturschutzgebiet eine Fläche von Spätblühenden Goldruten. (Bild: Marco Sacchi/Naturnetz)
Zivildienstleistende befreien in einem Naturschutzgebiet eine Fläche von Spätblühenden Goldruten. (Bild: Marco Sacchi/Naturnetz) (Grossbild)

Den Bienen schmeckt der Nektar der Spätblühenden Goldrute, Solidago gigantea. Den Menschen gefallen die hohen, gelbblühenden Pflanzen. Doch die Goldrute verursacht Probleme. Denn die Mitte des 18. Jahrhunderts aus Nordamerika in europäische Botanische Gärten eingeführte Pflanze breitet sich in der Natur stark aus und verdrängt einheimische Arten. Wo sie sich einmal angesiedelt hat, lässt sie sich nur mit viel Aufwand wieder entfernen.

Verschiedene Varianten von Solidago gigantea

Dem Geheimnis des Erfolges dieser Pflanze kam Daniel Schläpfer während seiner Dissertation am Institut für Integrative Biologie, Gruppe Pflanzenökologie, an der ETH Zürich näher: Solidago gigantea-Pflanzen, die sich in Europa so erfolgreich gegen die einheimische Flora durchsetzen, besitzen als Besonderheit einen vierfachen Chromosomensatz, sind sogenannt tetraploid.

In ihrem Stammgebiet Nordamerika dagegen fand Schläpfer, der auf beiden Kontinenten hunderte von Proben sammelte und im Labor genetisch analysierte, auch Varianten mit doppeltem und sechsfachem Chromosomensatz. Da er in Europa ausschliesslich die tetraploide Variante antraf, vermutet er, dass die europäischen Botaniker des 18. Jahrhunderts ausschliesslich diese hierher brachten.

Tetraploide breiten sich erfolgreicher aus

Doch auch in Nordamerika ist die tetraploide Variante am häufigsten und am weitesten verbreitet. Interessanterweise kommen die verschiedenen Varianten dort meist nicht im gleichen Gebiet vor und wachsen – genetisch gesehen – in Reinbeständen.

Die «normale» diploide Form mit dem zweifachen Chromosomensatz ist die ursprüngliche Form. Da die Varianten mit den mehrfachen Chromosomensätzen aus derjenigen mit dem zweifachen Satz hervorgegangen sein müssen, findet Schläpfer die räumliche Trennung im Stammland bemerkenswert. «Entweder haben tetraploide Goldruten Gebiete, in denen sie alleine vorkommen, als einzige erreicht oder nur sie können dort gedeihen. Oder aber die Variante mit vierfachem Chromosomensatz hat ihre Vorfahren mit dem doppelten Genom aus diesem Gebiet verdrängt», spekuliert er. Er schliesst in jedem Fall daraus, dass sich tetraploide Goldruten besser ausbreiten können als diploide.

Anzahl Chromosomensätze verändert Eigenschaften

Indizien, die Schläpfer in seiner Doktorarbeit gefunden hat, stützen diese Theorie. «Die beiden Varianten zeigen ökologische Unterschiede», berichtet Schläpfer. In Gartenexperimenten wies er beispielsweise nach, dass tetraploide Pflanzen toleranter gegenüber Kalk im Boden sind, mehr Samen produzieren und vor allem mehr und grössere unterirdische Sprossteile bilden.

Es sind diese Pflanzenteile, genannt Rhizome, die die Ausrottung der in Europa unerwünschten Pflanze so schwierig machen. Sie durchwachsen den Boden und treiben überall wieder aus. Selbst aus kleinen Stücken wachsen wieder ganze Pflanzen nach. Schläpfer glaubt, dass die Rhizome zu den entscheidenden Faktoren für das grosse Ausbreitungspotential der tetraploiden Spätblühenden Goldrute gehören.

«Die Zahl der Chromosomensätze beeinflusst offenbar die Fähigkeit der verschiedenen Varianten der spätblühenden Goldrute, neue Gebiete zu besiedeln», fasst der Forscher zusammen.

Gleiche Eigenschaften in der Heimat

Eingeführte Pflanzen, die sich in neuen Gebieten ungebremst ausbreiten, sind in ihrer ursprünglichen Heimat meist unauffällig und breiten sich nicht aussergewöhnlich stark aus. Auch wenn sie, was recht häufig vorkommt, vierfache Chromosomensätze haben. «An Solidago gigantea ist besonders, dass die Pflanze die Eigenschaften, die ihr bei der Ausbreitung helfen, bereits aus Nordamerika mitbrachte und sie in Europa praktisch unverändert einsetzen kann», erklärt Schläpfer. Tetraploide Pflanzen in Europa und Nordamerika unterscheiden sich nach seiner Einschätzung nicht wesentlich in ihrem Ausbreitungspotential. Grosse Unterschiede bestehen nur zwischen Pflanzen mit unterschiedlicher Zahl von Chromosomensätzen.

Hätten die Botaniker des 18. Jahrhunderts damals die weniger ausbreitungsfreudige diploide Variante von Solidago gigantea erwischt und nach Europa gebracht, wäre die Freude an der Pflanze mit den goldgelben Blüten wohl weniger getrübt. Als Bienennahrung und Zierpflanze in den Gärten hätte sie durchaus eine ungestörte Nische gefunden.

Literatur:

Schlaepfer DR. Ecological significance of ploidy level of native and invasive populations of Solidago gigantea. 2008. ETH Zürich. Dissertation Nr. 17677.

 
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