Veröffentlicht: 19.06.09
Klimawandel

Shopping beeinflusst CO2-Bilanz

Während hochentwickelte Länder bei der Reduktion von Treibhausgasen zunehmend bessere Ergebnisse erzielen, steigen in Wachstumsländern wie China die Emissionen weiter an. Wird dieser Treibhausgasausstoss allerdings dort angerechnet, wo die Waren konsumiert werden, entsteht ein völlig neues Bild.

Ursula Hirt
Das Konsumverhalten in wohlhabenden Ländern hat einen wesentlichen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen. Stammt die Ware aus dem Ausland, tauchen die verursachten Emissionen aber nicht in der eigenen Klimabilanz auf.  (Bild: iStockphoto)
Das Konsumverhalten in wohlhabenden Ländern hat einen wesentlichen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen. Stammt die Ware aus dem Ausland, tauchen die verursachten Emissionen aber nicht in der eigenen Klimabilanz auf. (Bild: iStockphoto) (Grossbild)

Kauft Frau Schweizerin in einer internationalen Ladenkette ein günstiges T-Shirt, belastet sie damit weder ihren Geldbeutel noch die direkte Emissionsbilanz der Schweiz. Denn die rund 13 Kilogramm Treibhausgase, die durch den Anbau der Baumwolle, die Stoffproduktion, das Färben und Nähen sowie den Transport anfallen, werden nicht in der Schweiz in die Luft geblasen, sondern in den USA, China und Bangladesch.

Dieses Beispiel zeigt das Problem der Berechnungen, auf denen die Emissionsziele der UN-Klimakonferenzen basieren: Diese stellen hochentwickelten Ländern, die zunehmend auf energieeffiziente Technologien und saubere Energie setzen, eine gute Bilanz aus. Nicht einbezogen werden die Emissionen, die diese Länder durch ihren Konsum verursachen, wenn sie Produkte und Dienstleistungen aus dem Ausland importieren.

Konsum in Berechnungen einbeziehen

In der Schweiz wurden zum Beispiel im Jahr 2001 rund 58 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre abgegeben. Diese beinhalten den gesamten CO2-Ausstoss der Schweiz und zusätzlich weitere Treibhausgase, die zur Erderwärmung beitragen. Von diesen 58 Millionen Tonnen entfielen 13 Millionen Tonnen auf die Herstellung von Exportgütern und -dienstleistungen. Ihnen gegenüber standen allerdings 87 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, die bei der Herstellung von importierten Gütern anfielen - 20 Prozent davon in Entwicklungsländern, die keiner Kyoto-Verpflichtung unterliegen.

Edgar Hertwich, Gastprofessors am Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich, hat nun untersucht, wie die komplexen internationalen Handelsbeziehungen und damit auch die Emissionen der importierten Waren die Klimabilanz der einzelnen Länder beeinflussen. Dazu hat er den sogenannten Klimafussabdruck von 73 Ländern und 14 Regionen ermittelt. Dieser Fussabdruck gibt Auskunft darüber, wie stark das Verhalten einer Nation die Treibhausgasemissionen und damit den Klimawandel beeinflusst. Seine breit angelegte Analyse stützt Hertwich auf die globale Handelsdatenbank, die umfangreiche Daten über die internationalen Warenflüsse bietet. Hertwich hat die Daten modifiziert und mit entsprechenden Emissionswerten kombiniert.

Private Haushalte haben grossen Einfluss

Hertwichs Arbeit erforscht die globale Entstehung von Treibhausgasen aus dem Blickwinkel der Endkonsumenten: 72 Prozent der weltweiten Treibhausemissionen entstehen durch den Konsum der privaten Haushalte. Die Infrastruktur trägt 18 Prozent und die öffentliche Hand 10 Prozent dazu bei. «Bürgerinnen und Bürger haben oft den Eindruck, dass sie als Einzelpersonen wenig zum Klimaschutz beitragen können», sagt Hertwich. «Unsere Auswertung zeigt aber klar auf, dass gerade ihr Konsumverhalten einen grossen Einfluss auf die weltweiten Treibhausgasemissionen hat.»

Die Studie untersucht die Bereiche Ernährung, Mobilität, Gebäude, Kleidung und Dienstleistungen. Bau und Unterhalt von Gebäuden und Infrastruktur verursachen weltweit 29 Prozent der Treibhausgasemissionen, gefolgt von der Nahrungsmittelproduktion mit 20 Prozent und dem Verkehr mit 17 Prozent. In den ärmeren Regionen verursacht die Ernährung den grössten Anteil an den Treibhausgasemissionen, während in wohlhabenden Ländern der Verkehr und die Beschaffung von Konsumgütern die Liste anführen.

Mehr Emission durch Wohlstand

Zwar ist es keine Überraschung, dass reichere Länder durch die Anschaffung von Konsumgütern, wie moderne Unterhaltungselektronik oder Spielsachen, mehr Emissionen verursachen als ärmere Länder. «Erstaunt hat mich aber doch, dass diese Kurve bei zunehmendem Wohlstand nicht abflacht, sondern kontinuierlich weitersteigt», stellt Hertwich fest. Problematisch ist dabei nicht nur die zunehmende Menge an konsumierten Gütern, sondern auch die wenig umweltfreundlichen Produktionsbedingungen in Drittweltländern: Die Energie stammt häufig aus Kohlekraftwerken, und die Produktionsanlagen sind selten auf Energieeffizienz ausgerichtet.

Globale Zusammenhänge transparent machen

Dass die durch Konsum verursachten Emissionen in den letzten Jahren signifikant gestiegen sind und sich nicht durch Energiesparmassnahmen im eigenen Land kompensieren lassen, zeigen Studien aus Norwegen und Grossbritannien. «Für einen sinnvollen Klimaschutz brauchen wir deshalb Methoden, die die Auslagerung der Produktion in Entwicklungsländer nicht als Klimafortschritt behandeln, sondern die globalen Zusammenhänge transparent machen», fasst Hertwich das Ergebnis seiner Arbeit zusammen.

Edgar Hertwich ist Professor der Norwegischen technisch-naturwissenschaftlichen Universität in Trondheim. Als Gastprofessor an der ETH Zürich forscht er von August 2008 bis Juli 2009 am Institut für Umweltingenieurwissenschaften.

Literaturhinweis

Hertwich EG & Peters GP. Carbon Footprint of Nations: A Global, Trade-Linked Analysis. Environmental Science & Technology. 15.6.2009. doi:10.1021/es803496a