Veröffentlicht: 20.07.09
Studierendenprojekt

Wie ein Fisch im Wasser

ETH-Studierende haben einen Unterwasser-Roboter gebaut, der wie ein Thunfisch schwimmt. Obwohl das Projekt abgeschlossen ist, tüfteln sie weiter. Ihr Ziel: Eine drahtlose Steuerung.

Maja Schaffner
Projektleiter Cédric Siegenthaler mit NARO bei einem Schwimmtest. (Bild: Christian Stalder/ZHAW)
Projektleiter Cédric Siegenthaler mit NARO bei einem Schwimmtest. (Bild: Christian Stalder/ZHAW) (Grossbild)

Im Büro mit mehreren Computer-Arbeitsplätzen steht ein Aquarium. Fische schwimmen darin herum. Gegenüber, in der Werkstatt, hängt an einem Metallgestell aufgehängt der künstliche Fisch. Aus der offenen Luke auf seinem Rücken schauen Kabel heraus. Rundherum herrscht kreatives Chaos: Auf zwei Tischen liegen neben weiteren Computern und einem Laptop verschiedene Einzelteile, Werkzeug, Schachteln, Spraydosen und etwas, was wie ein Fischskelett aussieht. Sogar eine Nähmaschine gibt es hier.

Der Natur abgeschaut

Cédric Siegenthaler, Maschinenbau-Studierender im sechsten Semester und Projektleiter des Projektes NARO, Nautical Robot, ist die Begeisterung für den Roboter-Fisch anzumerken. Er stellt ihn mit einem Magneten an und lässt ihn in der Luft zappeln. «Der Vortrieb kommt durch den schlagenden Schwanz und dessen Flügelprofil zustande», erklärt er. Der Kopf macht Ausgleichsbewegungen. So schwimmen Thunfische. Siegenthaler zeigt, wie die Bewegung via Software durch die Auslenkung der einzelnen Gelenke und deren Schlagfrequenz verändert werden kann.

Der rund 12 Kilogramm schwere und 95 Zentimeter lange künstliche Fisch besteht aus fünf Segmenten und einer Schwanzflosse aus Glasfaserkunststoff. Nur für die Gelenke, die Segmente und Schwanzflosse verbinden und die Bauchflossen drehbar machen, haben die Studierenden Metall verwendet. Die zwei Bauchflossen unterstützen beim Auf- und Abtauchen.

Die drei grössten Segmente, Kopf, Bauch und erstes Schwanzsegment, haben im Innern wasserdichte Kammern. In der grössten davon, im Bauch, sind Chip, Motoren, Kabel und Akku untergebracht. Zusätzlich hat ein Kilo Nutzlast Platz. Der Kopf und die Schwanzkammer enthalten je einen Tauchzylinder, mit dessen Hilfe der Fisch auf- und abtauchen kann. Drucksensoren melden, in welcher Wassertiefe er sich befindet.

Dank Fokusprojekt Traum verwirklicht

«Ich wollte diesen Fisch bauen, seit ich einen Bericht über ein ähnliches Projekt im ‹Spektrum der Wissenschaft› gelesen habe» sagt Siegenthaler. Für die Matura-Arbeit war das Projekt zu gross. Auf Anregung seines Lehrers untersuchte Siegenthaler statt dessen erst einmal die Schwimmbewegungen lebender Goldfische.

An der ETH konnte er seinen Traum verwirklichen: Im Rahmen der Fokusprojekte im fünften und sechsten Semester des Bachelorstudiums konnte der angehende Maschinen-Ingenieur das Projekt mit einem insgesamt neunköpfigen Team aus Studierenden der ETH Zürich, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Zürcher Hochschule der Künste, realisieren.

Die Stunden, die sie während dieses Jahres investiert haben, haben sie nie ernsthaft gezählt. Es waren viele.«Das Sozialleben hat stark gelitten in dieser Zeit», sagt Siegenthaler. Gearbeitet wurden sieben Tage die Woche. Täglich bis zu 16 Stunden. Für die Schwimmtests konnten sie jeweils das Wasserbecken im Schwimmbad Bungertwies benutzen – allerdings erst nach zehn Uhr abends. Die Tests zogen sich bis vier Uhr früh hin.

Erfolgreiches Projekt

Unterdessen schwimmt NARO im Schwimmbad Bungertwies elegant seine Bahnen. Seine Spitzengeschwindigkeit liegt bisher bei rund einer Körperlänge pro Sekunde. Thunfische vergleichbarer Grösse reisen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund zwei Körperlängen pro Sekunden.

Naro hat deshalb eine neue Aussenhülle bekommen, die den Strömungswiderstand herabsetzen soll. Sie besteht aus einem Aussenskelett und einer darüber gezogenen knallroten Stoffhülle. Diese macht den Fisch auch im trüberen Wasser gut sichtbar.

Einsetzbar wäre der Roboterfisch, zum Beispiel mit einer Kamera bestückt, um Schiffsaussenhüllen oder – propeller, Unterwasserinstallationen und Abwasserzuflüsse zu kontrollieren oder bei der Suche nach antiken Schiffswracks und anderen versunkenen archäologischen Schätzen zu helfen. Mit entsprechenden Sensoren ausgerüstet könnte NARO Gewässer auf Verunreinigungen hin untersuchen. Er kann alles, was herkömmliche Unterwasserroboter auch können. Er ist, durch seine natürliche Fortbewegungsweise, allerdings viel leiser.

Doch die Studierenden haben nicht nur ein innovatives Produkt entwickelt. «Wir haben auch sonst eine Menge gelernt in diesem Jahr», sagt Siegenthaler. Nämlich Zeitpläne machen und einhalten, Sitzungen effizient durchführen und mit den unvermeidlichen Diskussionen umgehen, Kontakt mit Lieferanten und Sponsoren aufnehmen, sich Wissen beschaffen und dabei auf bestehendes Know-How zurückgreifen und nicht zuletzt, die eigene Arbeit präsentieren.

Weiter optimieren

Obwohl die Fokusprojekte unterdessen abgeschlossen sind und die Arbeit abgegeben, tüftelt die Projektgruppe weiter an ihrem künstlichen Fisch herum. Am Prototypen gibt es noch einiges zu testen und zu verbessern. NARO zieht beispielsweise, wie vergleichbare Unterwasserroboter, immer noch 30 Meter Steuerungs-Kabel hinter sich her. Das schwere Kabel bremst und behindert ihn in seiner Bewegungsfreiheit. Deshalb arbeiten die Studierenden daran, es durch eine Steuerung via Ultraschall-Signale zu ersetzen.

Sie tüfteln vor allem noch an der Software herum. «Wir sind auf der Suche nach den Einstellungen, mit denen sich NARO am effizientesten vorwärts bewegen kann», sagt Siegenthaler. In diesem Zusammenhang prüfen sie auch den Einfluss der neuen Aussenhülle. Ausserdem sollen die Bewegungen noch fliessender werden.

Um zu sehen, wie NARO ausserhalb des sauberen, wellenlosen Wassers des Bungertwies zurechtkommt, ist ein Test im Zürichsee geplant. Siegenthaler würde am liebsten eine ganze Seeüberquerung machen.

Weiterentwicklung zur Marktreife?

Ein Businessplan, den Studierende der Universität St. Gallen für das Projekt ihrer ETH-Kollegen ausgearbeitet haben, sieht gute Chancen für die Vermarktung von NARO. «Die Norwegische Küstenwache, die die HSG-Leute zu Marktforschungszwecken kontaktiert haben, wollte gleich Prospekte bestellen», schmunzelt Siegenthaler.

Allerdings gingen die Wirtschaftsstudenten für ihren Businessplan von einem serienreifen Nautical Robot aus. Was noch nicht ganz der Fall ist. «Es gibt noch einiges zu entwickeln und zu testen», meint Siegenthaler. Zum Beispiel, ob die eingesetzten Materialien und Teile für den Langzeiteinsatz taugen.

Die Gelenke beispielsweise werden mechanisch mittels ganz normaler Bremskabel bewegt. Ob diese Meerwasser vertragen, ist unklar. Um NARO industriell herzustellen, müssten teilweise andere Materialien als bisher eingesetzt werden. Der Glasfaserkunststoff, aus dem der Körper besteht, eignet sich nicht für die Massenanfertigung. Die Studierenden haben die Segmente in Handarbeit hergestellt.

Siegenthaler kann sich gut vorstellen, NARO bis zur Markttauglichkeit weiter zu entwickeln. Mit dem Know-How aus dem Fokusprojekt einen ganz neuen schwimmenden Roboter zu bauen, würde ihn ebenfalls reizen.

 
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