Raumplanung: Quo vadis?

In einem offenen Brief vom 8. Juni 2009 an den Präsidenten des ETH Rates haben ich und andere Kollegen den fehlenden Raumplanungsunterricht im Normalstudienplan der Architekten beanstandet. Nun studieren Herzog und De Meuron (sie waren beide Studenten an unserem Lehrststuhl bei Prof. W. Custer) im ETH Studio Basel mit ihren Studenten die Siedlungsdynamik im fernen Niltal und haben für die Region Basilensis in einem hübschen Comic Planungsvorschläge gemacht. Die im Hauptgebäude der ETH ausgestellten Diplome der Architekturarbteilung bleiben im hiesigen urbanen Labor. Das Thema war die Bebauung des linken Seeufers bei Zürich. Die Betreuung der Studenten bei dieser Planungsaufgabe erfolgte durch die Professoren Gion Caminada und Kees Christiaanse. Caminada ist ein bekannter Schweizer Holzbauspezialist. Christiaanse hat in Holland einige hübsche Überbauungen am reichlich vorhandenen Wasser realisiert und in Zürich eine wuchtige Randbebauung beim Hauptbahnhof vorgeschlagen. Studenten, die in dieser Weise methodisch auf raumplanerische Aufgaben vorbereitet werden, können sich von der Bewältigung grosser Gebiete durch ein dreidimensionales Megaprojekt oder einem deregolistischen Fatalismus ein Leben lang nicht lösen, statt sich der raumzeitlichen Strukturierung, wie es in der Schweizer Raumplanung und im Raumplanungsgesetz (RPG) vorgesehen ist, zu bedienen. Wenn sie in ihrer späteren beruflichen Praxis ihre Architektur in einen bestehenden Kontext einfügen müssen, geschieht das vielleicht mit Kenntnis von unplanbaren stochastischen Siedlungsaktivitäten in einem fernen Land, aber ohne Kenntnis der in der Schweiz grundlegenden Planungsmechanismen. Nur wenige Absolventen besuchen Nachdiplomstudien, in denen sie das Handwerk der Raumplanung erlernen können. Es wäre dringend nötig, dass der ETH-Rat dieses Problem wahrnimmt und lenkend eingreift.

Dr. Norbert Clemens Novotny - 30.05.10

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