Veröffentlicht: 11.11.09
Öffentliches Podium zum Klimawandel

Wissenschaft als unparteiische Vermittlerin

Um den Klimawandel einzudämmen, braucht es mehr Forschung und innovative Technologien. Doch auch neue Strategien sind nötig, um das Wissen umzusetzen. ETH-Präsident Ralph Eichler spricht sich für einen Trialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft aus. So lädt morgen Donnerstag die ETH Zürich zum prominent besetzten Klimagespräch.

Ralph Eichler, Präsident der ETH
Ralph Eichler, Präsident der ETH. (Bild: PSI Villigen / ETH Zürich)
Ralph Eichler, Präsident der ETH. (Bild: PSI Villigen / ETH Zürich) (Grossbild)

Gerade bei der vielschichtigen Problematik des Klimawandels ist ein gegenseitiger Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft unbedingt erforderlich. Bei diesem Trialog (siehe auch www.energietrialog.ch) übernimmt die Wissenschaft eine besondere Aufgabe. Als Vordenkerin muss sie in die Rolle eines Honest Broker schlüpfen. In dieser unparteiischen und redlichen Vermittlerfunktion kann die ETH Zürich ihr lösungsorientiertes Wissen einbringen und so auch ideologische Gräben zuschütten. Sie soll dabei keine rigiden Rezepte vorschlagen, sondern Handlungsoptionen mit Vor- und Nachteilen aufzeigen.

Die Wirtschaft setzt das Hochschulwissen in die Praxis um, wobei ein erfolgreicher Technologietransfer entscheidend ist. In der Gesellschaft sind für mögliche und teilweise visionäre Lösungen das Verständnis und eine weit abgestützte Akzeptanz zu fördern. Von uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erwartet man vermehrt, dass wir die Resultate unserer Forschung der Öffentlichkeit erläutern. Das ist gut so und macht den Elfenbeinturm transparent. Dabei gilt es jedoch, sowohl verstanden zu werden wie auch komplexe Zusammenhänge nicht einfacher darzustellen, als sie wirklich sind – eine grosse Kunst.

Wissenschaft schafft Differenzierung

Jede wissenschaftliche Aussage hat eine Kernbotschaft und eine Unsicherheit, respektive einen Gültigkeitsbereich. Die beiden Letzteren hängen von den Annahmen ab, die man anhand unvollständiger Informationen treffen musste. Als Honest Broker liefert man entweder die zugrunde liegenden Annahmen mit oder gibt einen systematischen Fehler an, der sich durch Variation der Annahmen in vernünftigen Grenzen hält.

Medien brauchen Zuspitzung, die Wissenschaft schafft Differenzierung. Angesichts dieser Gegensätzlichkeit müssen wir der Versuchung widerstehen, mit Schlagwörtern in der öffentlichen Arena zu punkten. In schlechter Erinnerung bleibt das Waldsterben, das die Wissenschaft prominent propagiert hatte, aber dann im verkündeten Ausmass ausgeblieben war. Wir müssen daher ehrlich bleiben und zugeben, dass sich die Zukunft nicht voraussehen lässt. Hingegen kann man sie durch Wissenschaft und Forschung beeinflussen.

Simple Botschaften wie die 2000-Watt-Gesellschaft sind zu hinterfragen, weil sie viele Aspekte vereinfachen oder offen lassen – beispielsweise die anvisierte Lebensqualität oder die Frage, ob Primär- oder Endenergie gemeint sind – und ob nicht auch die Energie mitgezählt werden müsste, die in importierten Gütern wie Autos, Baustahl oder Papier steckt. Das gilt auch für die 1-Tonne-CO2-Gesellschaft, die jedoch unter Berücksichtigung der Klimaerwärmung zumindest eine Grenze für den fossilen Energiekonsum setzt. Die ETH Zürich als Spitzenhochschule hat aber primär nicht Slogans, sondern differenzierte Antworten zu liefern.

Forschungsresultate mit Wahrscheinlichkeiten

Ein weiteres Beispiel sind die Botschaften des IPCC-Reports. Der dicke Bericht des UN-Weltklimarats sagt weit mehr aus, als dass sich die globale Temperatur je nach Szenario um 2 bis 4 Grad erhöhen könnte. Zum einen geben die IPCC-Forschenden, darunter auch zahlreiche ETH-Fachleute, für ihre Ergebnisse meist auch Wahrscheinlichkeiten an, die nicht unterdrückt werden dürfen. Zum andern ist die Klimaerwärmung regional verschieden und zeigt unterschiedliche lokale Auswirkungen. Wer sonst als wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kann all die komplexen Zusammenhänge verstehen und somit der Gesellschaft auch verständlich vermitteln?

Aktualität und Brisanz der Thematik motivieren die ETH Zürich, das breite Publikum mit verschiedenen Anlässen und einem offiziell nächste Woche startenden Klimablog zum Trialog zu laden. So findet morgen Donnerstag die Veranstaltung «Klimawandel – wohin steuert die Schweiz?» statt. Sie informiert über den neusten Stand der Forschung und bringt abends auf dem Podium die Herausforderungen und Handlungsoptionen für die Schweiz zur Sprache. Das Hauptreferat vorab hält Bundesrat Moritz Leuenberger (Programm auf www.cces.ethz.ch/klimagespraech).