Schlechtes Klima für verbindliche Verträge
Der Ressourcenökonom Lucas Bretschger nahm als Vertreter der Wissenschaft der Schweizerischen Delegation an der Klimakonferenz in Kopenhagen teil. Er glaubt, dass zukünftige Klimaverhandlungen mit kleineren Delegationen und stärkerer Fokussierung aufs Kerngeschäft mehr Erfolg versprächen.
Herr Bretschger, die Klimakonferenz in Kopenhagen vor einem Monat ist
gescheitert. Sie waren als Delegationsmitglied vor Ort. In Retrospektive: Was
hätte es gebraucht, dass ein verbindlicher Klimavertrag zustande gekommen wäre?
Es fehlte vor allem an klaren Zusagen der beiden wichtigsten
Verhandlungspartner: der USA und Chinas. Die USA zögerten mit verbindlichen
Zusagen, da Obamas CO2-Reduktionsziele noch nicht vom Senat
bestätigt wurden und die Frage der internationalen Überwachung von Emissionen
nicht geklärt ist. China nutzte dies als Entschuldigung, um seinerseits keine
Zusagen zu machen. Ohne Handlungsbereitschaft dieser beiden Staaten, die
gemeinsam fast die Hälfte der CO2-Emissionen verantworten, war kein
Erfolg möglich.
Welche wirtschaftlichen Bedenken standen einem
Klimavertrag in Kopenhagen im Weg?
Wirtschaftliches Wachstum geht für viele Staaten noch immer mit einem
hohen Energieverbrauch einher. Die Regierung in China fürchtet sich zudem vor
politischer Instabilität, falls das fantastische Wachstum der vergangenen Jahre
nicht weitergehen sollte. Entsprechend vorsichtig ist die Regierung mit Zusagen
bezüglich Treibhausgasreduktionen.
Mit dem «Clean Energy and Security Act» würde sich die USA zu einer
schrittweisen Reduzierung ihrer CO2-Emissionen unter das Niveau von
1990 verpflichten. Gehen wir davon aus, dass der Senat das Gesetz annimmt und
Amerika danach auch international zu verbindlichen Zusagen bereit ist: Was, wenn
sich China und weitere Schwellenländer weiterhin gegen einen Klimavertrag
wehren?
Verschiedene Spitzenpolitiker drohten für solche Fälle bereits mit
Zöllen und Importsteuern für CO2-intensive Güter aus Schwellenländern. China
könnte als Reaktion auf solche Massnahmen zum Beispiel seine amerikanischen
Wertanlagen verkaufen und damit die amerikanische Währung und Wirtschaft unter
Druck setzen. Experten befürchten, dass es in einem solchen Fall zu einem
offenen Handelskrieg kommen könnte.
Einmal abgesehen von den
geopolitischen Konsequenzen eines Klimagesetzes: Ist es nicht verständlich,
dass sich Politiker um den Wohlstand ihrer Staaten sorgen und gegen teure
Energiepreise ankämpfen?
Diese Angst basiert auf einem
Trugschluss: Unsere aktuellen Studien zeigen, dass Wachstum und
Energieverbrauch stark unterschiedliche Ursachen haben. Der langfristige Umstieg von einer
energieintensiven zu einer kapital- und wissensintensiven Produktion eröffnet
den Industrieländern sogar zusätzliche Wachstumschancen. Wir haben das an Daten
von 37 Ländern in Modellen überprüft und kamen zum Schluss, dass höhere
Energiepreise das Wachstum nicht behindern, sondern sogar fördern können.
Was ist
mit der viel beschworenen Energieversorgungslücke?
Das hört sich für einen Ökonomen
seltsam an. Die Wirtschaft kennt keine Angebotslücken, solange der Markt und
die Preise spielen. Dieses politische Argument ist wissenschaftlich nicht
haltbar. Ist das Energieangebot rückläufig, so steigen die Preise und die
Nachfrage passt sich entsprechend gegen unten an. Zudem werden kapital- und
wissensintensive Technologien konkurrenzfähiger. Die Struktur der Wirtschaft
wird sich dadurch natürlich ändern und energieintensive Branchen werden sich
anpassen müssen. Die öffentliche Diskussion sollte sich viel mehr um die
Wirkung von veränderten Energiepreisen drehen, als um mengenmässige
Versorgungslücken.
Nach dem Scheitern von Kopenhagen wurde der Ruf nach einer aktiven
Zivilgesellschaft und Wirtschaft laut. Kann der Klimawandel auch ohne
internationalen politischen Beschluss abgewendet werden?
Umweltprobleme basieren auf einem
Marktversagen, da externe Effekte wie Emissionen auftreten und die natürlichen
Ressourcen teilweise einen zu geringen ökonomischen Wert haben. Der Staat muss
deshalb Rahmenbedingungen schaffen, damit sich ein nachhaltiges Verhalten auch
wirtschaftlich auszahlt. Freiwillige Massnahmen der Wirtschaft helfen dem
Prozess, reichen aber für einen wirksamen Klimaschutz nicht aus. Für globale Umweltprobleme
braucht es internationale Koordination.
Welche Lehren haben Sie persönlich aus den
Verhandlungen in Kopenhagen gezogen?
Die Konferenz war viel zu gross aufgezogen und mit zu hohen Erwartungen
aufgeladen. Der gesamte Anlass war sehr farbig und lebendig: die grossen
Delegationen, die vielen NGOS, die enorme Medienpräsenz und Cleantech-Anbieter
aus aller Welt, die ihre Innovationen präsentierten. Doch all das hat meiner
Meinung nach den Verhandlungsablauf massiv gestört und war der Lösungsfindung
nicht förderlich. Man sollte die Delegationen in Zukunft kleiner halten, die
Treffen effizienter gestalten und die Verhandlungen von allem trennen, was
nicht zum Kerngeschäft einer solchen Konferenz gehört.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass
es an der nächsten Klimakonferenz in Mexiko anfangs Dezember 2010 doch noch zu
einem verbindlichen Vertrag kommen wird?
Ich hoffe, dass wieder Bewegung in die Verhandlungen kommt, sobald die
US-Regierung ihr CO2-Gesetz durch den Senat gebracht hat. Das Ziel
von Kopenhagen, den globalen Temperaturanstieg gegenüber vorindustrieller Zeit
auf 2° Celsius zu beschränken, ist aber vorerst alles andere als gesichert.
Lucas Bretschger ist Professor für Ressourcenökonomie am Departement Management, Technologie und Ökonomie. Er untersucht den langfristigen Zusammenhang zwischen Ressourcenverbrauch und Wachstum von Volkswirtschaften unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Entwicklung.
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