Veröffentlicht: 14.01.10
Klimaverhandlungen

Schlechtes Klima für verbindliche Verträge

Der Ressourcenökonom Lucas Bretschger nahm als Vertreter der Wissenschaft der Schweizerischen Delegation an der Klimakonferenz in Kopenhagen teil. Er glaubt, dass zukünftige Klimaverhandlungen mit kleineren Delegationen und stärkerer Fokussierung aufs Kerngeschäft mehr Erfolg versprächen.

Samuel Schlaefli
Lucas Bretschger, Ressourcenökonom an der ETH Zürich, hofft, dass wieder Bewegung in die Klimaverhandlungen kommt, sobald die US-Regierung ihr CO2-Gesetz durch den Senat gebracht hat. (Bild: Samuel Schlaefli/ETH Zürich)
Lucas Bretschger, Ressourcenökonom an der ETH Zürich, hofft, dass wieder Bewegung in die Klimaverhandlungen kommt, sobald die US-Regierung ihr CO2-Gesetz durch den Senat gebracht hat. (Bild: Samuel Schlaefli/ETH Zürich) (Grossbild)

Herr Bretschger, die Klimakonferenz in Kopenhagen vor einem Monat ist gescheitert. Sie waren als Delegationsmitglied vor Ort. In Retrospektive: Was hätte es gebraucht, dass ein verbindlicher Klimavertrag zustande gekommen wäre?
Es fehlte vor allem an klaren Zusagen der beiden wichtigsten Verhandlungspartner: der USA und Chinas. Die USA zögerten mit verbindlichen Zusagen, da Obamas CO2-Reduktionsziele noch nicht vom Senat bestätigt wurden und die Frage der internationalen Überwachung von Emissionen nicht geklärt ist. China nutzte dies als Entschuldigung, um seinerseits keine Zusagen zu machen. Ohne Handlungsbereitschaft dieser beiden Staaten, die gemeinsam fast die Hälfte der CO2-Emissionen verantworten, war kein Erfolg möglich.

Welche wirtschaftlichen Bedenken standen einem Klimavertrag in Kopenhagen im Weg?
Wirtschaftliches Wachstum geht für viele Staaten noch immer mit einem hohen Energieverbrauch einher. Die Regierung in China fürchtet sich zudem vor politischer Instabilität, falls das fantastische Wachstum der vergangenen Jahre nicht weitergehen sollte. Entsprechend vorsichtig ist die Regierung mit Zusagen bezüglich Treibhausgasreduktionen.

Mit dem «Clean Energy and Security Act» würde sich die USA zu einer schrittweisen Reduzierung ihrer CO2-Emissionen unter das Niveau von 1990 verpflichten. Gehen wir davon aus, dass der Senat das Gesetz annimmt und Amerika danach auch international zu verbindlichen Zusagen bereit ist: Was, wenn sich China und weitere Schwellenländer weiterhin gegen einen Klimavertrag wehren?
Verschiedene Spitzenpolitiker drohten für solche Fälle bereits mit Zöllen und Importsteuern für CO2-intensive Güter aus Schwellenländern. China könnte als Reaktion auf solche Massnahmen zum Beispiel seine amerikanischen Wertanlagen verkaufen und damit die amerikanische Währung und Wirtschaft unter Druck setzen. Experten befürchten, dass es in einem solchen Fall zu einem offenen Handelskrieg kommen könnte.

Einmal abgesehen von den geopolitischen Konsequenzen eines Klimagesetzes: Ist es nicht verständlich, dass sich Politiker um den Wohlstand ihrer Staaten sorgen und gegen teure Energiepreise ankämpfen?
Diese Angst basiert auf einem Trugschluss: Unsere aktuellen Studien zeigen, dass Wachstum und Energieverbrauch stark unterschiedliche Ursachen haben. Der langfristige Umstieg von einer energieintensiven zu einer kapital- und wissensintensiven Produktion eröffnet den Industrieländern sogar zusätzliche Wachstumschancen. Wir haben das an Daten von 37 Ländern in Modellen überprüft und kamen zum Schluss, dass höhere Energiepreise das Wachstum nicht behindern, sondern sogar fördern können.

Was ist mit der viel beschworenen Energieversorgungslücke?
Das hört sich für einen Ökonomen seltsam an. Die Wirtschaft kennt keine Angebotslücken, solange der Markt und die Preise spielen. Dieses politische Argument ist wissenschaftlich nicht haltbar. Ist das Energieangebot rückläufig, so steigen die Preise und die Nachfrage passt sich entsprechend gegen unten an. Zudem werden kapital- und wissensintensive Technologien konkurrenzfähiger. Die Struktur der Wirtschaft wird sich dadurch natürlich ändern und energieintensive Branchen werden sich anpassen müssen. Die öffentliche Diskussion sollte sich viel mehr um die Wirkung von veränderten Energiepreisen drehen, als um mengenmässige Versorgungslücken.

Nach dem Scheitern von Kopenhagen wurde der Ruf nach einer aktiven Zivilgesellschaft und Wirtschaft laut. Kann der Klimawandel auch ohne internationalen politischen Beschluss abgewendet werden?
Umweltprobleme basieren auf einem Marktversagen, da externe Effekte wie Emissionen auftreten und die natürlichen Ressourcen teilweise einen zu geringen ökonomischen Wert haben. Der Staat muss deshalb Rahmenbedingungen schaffen, damit sich ein nachhaltiges Verhalten auch wirtschaftlich auszahlt. Freiwillige Massnahmen der Wirtschaft helfen dem Prozess, reichen aber für einen wirksamen Klimaschutz nicht aus. Für globale Umweltprobleme braucht es internationale Koordination.

Welche Lehren haben Sie persönlich aus den Verhandlungen in Kopenhagen gezogen?
Die Konferenz war viel zu gross aufgezogen und mit zu hohen Erwartungen aufgeladen. Der gesamte Anlass war sehr farbig und lebendig: die grossen Delegationen, die vielen NGOS, die enorme Medienpräsenz und Cleantech-Anbieter aus aller Welt, die ihre Innovationen präsentierten. Doch all das hat meiner Meinung nach den Verhandlungsablauf massiv gestört und war der Lösungsfindung nicht förderlich. Man sollte die Delegationen in Zukunft kleiner halten, die Treffen effizienter gestalten und die Verhandlungen von allem trennen, was nicht zum Kerngeschäft einer solchen Konferenz gehört.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass es an der nächsten Klimakonferenz in Mexiko anfangs Dezember 2010 doch noch zu einem verbindlichen Vertrag kommen wird?
Ich hoffe, dass wieder Bewegung in die Verhandlungen kommt, sobald die US-Regierung ihr CO2-Gesetz durch den Senat gebracht hat. Das Ziel von Kopenhagen, den globalen Temperaturanstieg gegenüber vorindustrieller Zeit auf 2° Celsius zu beschränken, ist aber vorerst alles andere als gesichert.

Lucas Bretschger ist Professor für Ressourcenökonomie am Departement Management, Technologie und Ökonomie. Er untersucht den langfristigen Zusammenhang zwischen Ressourcenverbrauch und Wachstum von Volkswirtschaften unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Entwicklung.

 
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