«Politik ist die Kunst des Möglichen»
Am Dienstag diskutierte der amerikanische Kongressabgeordnete Jim Sensenbrenner mit ETH-Klimaforschern und -Ökonomen über Strategien im Kampf gegen den Klimawandel. Dies besonders in Hinblick auf die gescheiterte Klimakonferenz in Kopenhagen.
Jim Sensenbrenner ist ein Schwergewicht der amerikanischen Politik. Seit 1978 vertritt der 67-jährige Republikaner den Bundesstaat Wisconsin im US-Kongress. Darüber hinaus ist er Mitglied des «Committee for Energy Independence and Global Warming», bestehend aus Abgeordneten der demokratischen und republikanischen Partei. Die Mitglieder erarbeiten für die US-amerikanische Regierung politische Empfehlungen, um die Abhängigkeit von ausländischen Energieressourcen zu senken und zur Emissionsreduktion im Hinblick auf die globale Erwärmung. Er sei mittlerweile ein Kriegsveteran der Kämpfe um einen global verbindlichen Klimamassnahmen-Katalog, stellte Sensenbrenner gleich zu Beginn des Climpol-Podiums klar. Seit zwölf Jahren ist der Politiker bei den Vertragsstaatenkonferenzen zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen mit dabei, zuletzt in Kopenhagen. Die UNO sei gescheitert. All die Diskussionen hätten bis heute zu keinen Ergebnissen geführt, so Sensenbrenner. Das liegt seiner Meinung nach vor allem daran, dass für sämtliche Beschlüsse die Zustimmung von 192 Staaten nötig ist. Er bezeichnete die verabschiedete Erklärung der Klimakonferenz in Kopenhagen vom vergangenen Dezember denn auch als «unverbindliche Pressemitteilung».
Keine Alleingänge
Der ETH-Ressourcenökonom Lucas Bretschger, der für die Schweizer Delegation in Kopenhagen mitverhandelte, sah trotz der Enttäuschung der letzten Klimakonferenz keine Alternative zu internationalen Verhandlungen unter dem Dach der UNO. Der Klimawandel sei nur mit globalen Massnahmen wirkungsvoll zu bekämpfen; Alleingänge brächten keine Lösungen. Die Verhandlungen der vergangenen Jahre hätten durchaus Wirkung gezeigt, betonte auch Andreas Fischlin, Professor für Terrestrische Systemökologie und IPCC-Autor, der ebenfalls als Mitglied der Schweizer Delegation in Kopenhagen war. Zum Beispiel indem Europa seine Klimaschuld anerkannt habe und mehrere Staaten, darunter auch die Schweiz, CO2-Reduktionsziele beschlossen haben, so Fischlin. Er kann bis heute nicht verstehen, wieso die USA das Kyotoprotokoll nie ratifiziert haben und appellierte an Sensenbrenner, dass sich sein Land wieder aktiv am UNO-Prozess für globale Klimaschutzmassnahmen beteiligen müsse.
Sensenbrenner entgegnete
Fischlin mit politischen Pragmatismus: Politik sei die Kunst des Möglichen. Er
wisse nicht, wie er einer Rentnerin in Wisconsin, die von einer bescheidenen
Pension und Beiträgen ihrer Angehörigen lebt, erklären solle, weshalb sie eine
neue Steuer für Massnahmen gegen die globale Erwärmung entrichten müsse. Das
wäre politischer Selbstmord, ist er überzeugt. Darum seien auch die
Zugeständnisse Amerikas an den UNO-Verhandlungen so dünn ausgefallen; die
Vertreter seien sich bewusst gewesen, dass Gesetze zur Reduktion von CO2 im
amerikanischen Kongress keine Mehrheit gefunden hätten. Zudem sorgt sich
Sensenbrenner um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Amerikas. Mehrmals
betonte er, dass sich sein Land zu keinen bindenden CO2-Reduktionszielen
verpflichten wird, solange China und Indien nicht mitziehen. Andernfalls drohe
den USA und auch Europa, massiv Jobs zu verlieren, da die Schwellenländer im
Vergleich noch billiger produzieren könnten.
Innovationsschutz dank Patentrechten
Eine staatliche Intervention über Steuern und Abgaben schliesst Sensenbrenner deshalb zurzeit für die USA aus. Er sprach sich hingegen für die staatliche Förderung von klimafreundlichen Technologien aus, zum Beispiel über Subventionen. Die Basis dafür müssten aber strenge Patentrechte sein. Nur so könnten einheimische Innovationen wirkungsvoll vor Billigkopien im Ausland geschützt werden. Lucas Bretschger war bezüglich der Patentrechte gleicher Meinung. Die Politik müsse jedoch unbedingt Anreize schaffen, zum Beispiel über CO2-Abgaben, damit sich effiziente Technologien auf dem Markt selbständig, ohne Subventionen, behaupten können, so der Ökonom.
Gegen Ende der Climpol-Podiumsdiskussion fragte ein junger
Mann aus dem Publikum nach den Unterschieden zwischen den USA und der Schweiz.
Weshalb es hier möglich sei, Steuern und Abgaben als Klima-Massnahmen zu
beschliessen, während dies in den USA nach Sensenbrenners Erläuterungen
unmöglich scheine. Ist es die mangelhafte Information der Bevölkerung über die
Massenmedien oder sind es Unterschiede in den politischen Prioritäten? Die
Frage blieb weitgehend unbeantwortet, hätte aber wohl unter Politikern der
beiden Länder viel zu diskutieren gegeben. Leider fehlte an diesem Nachmittag
jedoch die politische Stimme aus der Schweiz.
LESERKOMMENTARE