Veröffentlicht: 23.04.10
Campus

Im Elektroauto nach Silverstone

Der Akademische Motorsportverein Zürich hat eine neue Herausforderung gefunden: Nach drei erfolgreichen Saisons in der Benzinerklasse tritt er erstmals mit einem Elektroauto in der «Formula Student» an. Noch ist das Fahrzeug «furka» nicht zusammengebaut. Doch das Ziel des AMZ ist klar: Bestleistungen in Silverstone, Hockenheim, Melk und Turin.

Lukas Langhart
Das ethanolbetriebene Auto «simplon» fuhr im vergangenen Jahr vorne mit. Das neue Elektrofahrzeug «furka» soll noch besser werden. (Bild: AMZ / ETH Zürich)
Das ethanolbetriebene Auto «simplon» fuhr im vergangenen Jahr vorne mit. Das neue Elektrofahrzeug «furka» soll noch besser werden. (Bild: AMZ / ETH Zürich) (Grossbild)

Nächste Woche sollen die Teile kommen. Das Team sitzt auf Nadeln. Wird alles rechtzeitig geliefert? Werden sämtliche Teile zusammenpassen? Was tun, wenn nicht? «Wir warten noch ein wenig mit dem Champagner», sagt Bruno Reinhart, ETH-Masterstudent und einer von fünf Projektleitern des Akademischen Motorsportvereins Zürich. Der Akku seines Mobiltelefons geht zur Neige – die Sponsorengespräche sind endlos, rauben mitunter den letzten Nerv. Doch Bruno Reinhart lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er macht das ja auch nicht zum ersten Mal. Der nächste Meilenstein folgt Ende April, wenn das Auto zusammengesetzt werden kann. «Die durchgemachten Nächte kommen sicher noch», sagt Reinhart.

Nach drei spannenden und erfolgreichen Jahren in der Benzinerklasse ist die Zeit reif für eine einschneidende Neuerung. Mit dem Elektrofahrzeug springt der AMZ gewissermassen auf einen fahrenden Zug auf, auf den Trend der Alternativantriebe. Doch Bruno Reinhart sieht sich und das Team nicht als Mitläufer: «Wir bauen kein Elektroauto, weil alle anderen auch eines bauen, sondern weil es eine grosse Herausforderung ist.» Solche Projekte würden häufig auf den Antrieb reduziert, so Reinhart, doch die grossen Herausforderungen liegen genauso in der Konstruktion des Fahrwerks, im Feintuning, im Chassis. Alle mechanischen Komponenten des Elektro-Rennautos «furka» wurden von Studenten der ETH Zürich entwickelt. Ebenfalls mit im AMZ-Boot sind Studenten der Hochschule Luzern, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Zürcher Hochschule der Künste.

Mit Leichtigkeit zur maximalen Steifigkeit

Das erklärte Ziel der «furka»-Entwickler ist es, ein dem Vorjahresfahrzeug «simplon» ebenbürtiges Auto zu entwickeln und die Leistungen aus der Benzinerklasse überall wo möglich zu übertreffen. Eine der grössten Herausforderungen liegt in der Konstruktion des Chassis. Dieses soll bei minimalem Gewicht eine maximale Steifigkeit aufweisen. Da der Elektromotor viel kleiner und leichter als die Verbrennungsmotoren der vergangenen Jahre ist, kann der Motorblock im neuen Auto nicht mehr als versteifendes Element eingesetzt werden. Der Schlüssel liegt beim diesjährigen Modell deshalb im CFK, dem äusserst robusten und trotzdem federleichten kohlefaserverstärkten Kunststoff.

Weitere Meilensteine wurden beim Fahrwerk gesetzt. Um den Schwerpunkt des Fahrzeugs möglichst tief und das Heck möglichst schlank und leicht zu halten, sind die Feder-Dämpfer neu auf der Unterseite des Chassis angeordnet. Ausserdem fährt das diesjährige Auto erstmals mit selbstkonstruierten Felgen, ebenfalls aus CFK. Da im neuen Fahrzeug beide Hinterräder separat angetrieben werden können, kommt das «Torque Vectoring» zum Einsatz. Damit kann bei Kurvenfahrten das äussere Hinterrad stärker angetrieben werden als das innere, was dem Untersteuern entgegengewirkt und für ein neutrales Fahrverhalten in den Kurven sorgt.

Das Elektrofahrzeug scheint eine grössere Anziehungskraft auf Sponsoren zu haben als die Vorgängermodelle. Namhafte Grosskonzerne wie der Münchner Autohersteller BMW oder der weltgrösste Baumaschinenfabrikant Caterpillar wollen ihr Logo gross auf der Nase des Rennfahrzeugs sehen. Insgesamt wird der AMZ von rund 60 Institutionen unterstützt. Neben grosszügigen Finanzspritzen darf das Team auf Sachleistungen in Form von Material, Ausrüstung oder Werkstattarbeit zählen.

Das Hobby mit dem Studium verbinden

Co-Projektleiter Stefan Liechti sieht in der Unterstützung seitens der Industrie auch eine Art Rekrutierung: «Die Sponsoren wollen uns kennenlernen, denn Studenten mit Projekterfahrung sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt.» Stefan Liechti stiess diese Saison neu zum AMZ und konnte als Co-Teamleiter gleich eine gehörige Portion Verantwortung übernehmen. Im Rahmen der mit zehn ECTS-Punkten pro Semester dotierten Fokus-Projekte, die den Maschineningenieur-Studenten der ETH offenstehen, kann er das Engagement beim AMZ sehr gut mit dem Studium vereinbaren. Ausserdem wird er seine Bachelorarbeit über das Torque Vectoring innerhalb des Formula-Student-Projekts in Angriff nehmen. Damit schafft es der Rennsportfan, Studium und Hobby miteinander zu verbinden.

Während die Sponsoren Schlange stehen, hält sich das Interesse der Studenten dieses Jahr in Grenzen. Der Generationenwechsel zögert sich hinaus, viele alte Hasen packen in dieser Saison nochmals mit an. Bruno Reinhart, selbst bereits zum dritten Mal dabei, ist aber zuversichtlich, dass das diesjährige Projekt wieder viele ambitionierte und vom Motorsport angefressene Studenten anlocken wird. Ende Mai findet an der ETH Zürich der Rollout im Rahmen der Präsentationen der Fokus-Projekte statt. Wer vom blossen Anblick des Rennautos noch nicht genug bekommt, ist eingeladen, das AMZ-Team an eines der Formula-Student-Rennen zu begleiten, zum Beispiel Mitte Juli nach Silverstone oder Anfang August nach Hockenheim. Die Atmosphäre dort und der Austausch mit den anderen Teams aus der ganzen Welt seien faszinierend, so Bruno Reinhart. Und er schwärmt weiter: «Wenn sich eine Formel-1-Legende wie Ross Brawn an einem Rennen für die Technik deines Fahrzeugs interessiert, ist das ein unbeschreibliches Gefühl.»

Internationaler Konstruktionswettbewerb

Formula Student ist ein internationaler Ingenieurswettbewerb, der jedes Jahr an acht Orten weltweit durchgeführt wird. In den USA ins Leben gerufen, wird er seit 1998 auch in Europa ausgetragen. Alleine in Europa treten jährlich rund 140 Studententeams mit einem von Grund auf selbständig entwickelten Sportwagen gegeneinander an. Neben der Rennperformance werden auch die Konstruktion, die Belastungsfähigkeit und der Businessplan bewertet.