Veröffentlicht: 09.09.10
Science

Unerklärbare Vielfalt von Wurzelpilzen

Niemand ausser Spezialisten mit genetischen Methoden können Dunkle Septierte Wurzelpilze voneinander unterscheiden. Jetzt liegt zum ersten Mal eine Analyse ihrer Verbreitung in der Nordhemisphäre vor - ein rätselhaftes Puzzle.

Peter Rüegg
Konidienträger eines Dunklen Septierten Wurzelpilzes (Bild: C. Grünig / ETH Zürich)
Konidienträger eines Dunklen Septierten Wurzelpilzes (Bild: C. Grünig / ETH Zürich) (Grossbild)

Die Schweiz ist ein Hotspot der Biodiversität, wenn es um die weltweite Verbreitung von Dunklen Septierten Wurzelpilzen (DSE) der Gattung Phialocephala geht. 21 Arten sind bekannt, 19 davon sind in der Schweiz nachgewiesen, wie eine neue Studie von Christoph Grünig, Oberassistent am Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich, zeigt.

Die Mykologen haben über 5‘500 Proben aus Nordamerika, Europa und Asien analysiert und die darin vorhandenen Arten bestimmt – genetisch, denn morphologisch lassen sich die Pilze, die in Wurzelzellen leben, nicht voneinander unterscheiden.

Hotspot im Jura

Dabei zeigte sich, dass die Schweiz fast alle Arten beherbergt; nur zwei Arten konnten die Forscher nicht finden. Der weltweit artenreichste Ort für DSE liegt in einem Urwald beim Felsenkessel Creux du Van im Neuenburger Jura. Dort haben die Mykologen auf wenigen Quadratmetern allein zehn Arten nachgewiesen. Acht Arten weisen Standorte in einer Baumschule im Schweizer Mittelland und in Catherine Creek, Oregon, sechs Arten ein Standort im nördlichen Alaska auf.

Auf der südlichen Halbkugel sind die Phialocephala-Pilze jedoch kaum verbreitet. Dort, wo sie vorkommen, sind sie wahrscheinlich eingeschleppt worden. Erst vor kurzem haben Forscher in Patagonien jedoch einen Standort entdeckt, wo die Pilze wohl auch natürlich vorkommen.

Rätselhafte Verbreitungsmuster

Dennoch gibt den Pilzkundlern die Verbreitung der DSE Rätsel auf. Bestimmte Muster lassen sich ebenso wenig erkennen wie Vorlieben für bestimmte Baumarten, mit denen sich die Pilze vergesellschaften. Einzig Urwälder scheinen artenreicher zu sein als Wirtschaftswälder. Auch keinen Zusammenhang zwischen Klima und Temperatur und dem Vorkommen der Phialocephala-Arten konnten sie feststellen. Zudem bilden diese Pilze keine Gemeinschaften, die für einen bestimmten Lebensraum typisch wären.

Einzelne Arten kommen verstreut mit unterschiedlicher Häufigkeit in Asien, Europa und Nordamerika vor. «Die Verbreitung folgt keinem Muster, es muss wohl ein Zufall sein, welche Art man wo findet», folgert Grünig. Bis heute wissen die Pilzkundler nicht, wie sich ihre Untersuchungsobjekte über die ganze Nordhemisphäre verbreiten konnten und weshalb gewisse Arten nur in einzelnen Flecken, nicht aber flächendeckend vorkommen.

Verbreitungsmechanismus unklar

«Die Sporen müssten fliegen», sagt Grünig. Wie die Pilze, die Zeit ihres Lebens in Wurzelzellen von verschiedenen Waldbäumen verbringen, flugfähige Sporen bilden, die obendrein so weit in die Luft geschleudert werden müssten, damit sie von Höhenwinden erfasst und transportiert werden, ist bis heute unklar. Paradox: Steril im Labor aufgezogene und in die Natur ausgepflanzte Fichtenkeimlinge wurden nicht durch Phialocephala besiedelt. Das würde aber darauf hindeuten, dass sich die Pilze eher schlecht ausbreiten. Es gibt bisher auch keine Hinweise darauf, dass die Pilze beispielsweise in Samen von Fichten enthalten sind und sich auf diese Weise verbreiten.

«Populationsgenetik und Biogeographie sprechen aber dafür, dass sich die Pilze gut ausbreiten», betont Grünig. So ist beispielsweise Phialocephala helvetica von Nevada, USA, über Sellenbüren, Schweiz, bis an den Baikalsee nachgewiesen worden. Grosse Distanzen zu überwinden, scheint für diesen Organismus kein Problem zu sein. Der ETH-Forscher möchte deshalb an der Frage dran bleiben, wie sich die Pilze in der Nordhemisphäre ausbreiten. «Wir müssten versuchen, Luft zu filtern und darin enthaltene Sporen nachzuweisen.» Ein entsprechendes Projekt hat er bereits eingereicht.

Die Dunklen Septierten Wurzelpilze sind aufgrund ihrer versteckten Lebensweise schwierig zu erforschen. Noch immer ist nicht klar, welche ökologische Funktion sie haben. Sie leben zwar immer in Symbiose mit einem Baum. Ob sie den Pflanzen schaden oder nützen, ist nicht geklärt. Einem Baum sieht man es nicht an, ob er von Phialocephala besiedelt ist. «Für die Pflanze ist die Symbiose mit diesen Pilzen eher mit Kosten verbunden», ist Grünig überzeugt. Eine Hypothese ist, dass DSE schwache Pathogene sind, mit denen sich Bäume vor stärkeren Krankheitskeimen schützen. Der Baum wählt somit das «kleinere Übel».

Literaturhinweis

Queloz V, Sieber TN, Holdenrieder O, Grünig CR. No biogeographical pattern for a root-associated fungal species complex. Global Ecology and Biogeography. Article first published online: 30 Aug 2010. DOI: 10.1111/j.1466-8238.2010.00589.x