Veröffentlicht: 26.11.10
Science

Entwarnung für Nutzpflanzen

Laut neuesten Forschungsergebnissen an der ETH und Universität Zürich lagern Nahrungspflanzen Nanopartikel nicht tiefer in ihrem Gewebe an und transportieren sie auch nicht weiter. Damit besteht offenbar keine Gefahr für die Konsumenten von Reis, Mais und Co.

Christine Heidemann
Mit den in der linken Box per Flammspraysynthese erzeugten Nanopartikeln haben die ETH-Forscher rund 50 Maispflanzen je 20 Minuten lang besprüht. (Bild: ETH Zürich)
Mit den in der linken Box per Flammspraysynthese erzeugten Nanopartikeln haben die ETH-Forscher rund 50 Maispflanzen je 20 Minuten lang besprüht. (Bild: ETH Zürich)

Wenn es um synthetische Nanopartikel und die von ihnen ausgehenden Gefahren geht, ist die Verunsicherung in der Gesellschaft nach wie vor gross. Weiter zur Aufklärung beigetragen hat nun eine interdisziplinäre Forschergruppe der ETH und Universität Zürich. Das Team um die beiden ETH-Professoren Wendelin Stark vom Institut für Chemie– und Bioingenieurwissenschaften und Detlef Günther vom Labor für Anorganische Chemie hat untersucht, wie eine der weltweit relevantesten Nahrungspflanzen, nämlich Mais, reagiert, wenn sie mit Nanopartikeln besprüht und bewässert wird. Die Fragestellung der Wissenschaftler: Können Nanopartikel die biologische Barriere «Pflanze» durchdringen, sich in dieser verteilen und dadurch womöglich in die Nahrung gelangen?

Offenbar nicht, so das beruhigende und wichtigste Ergebnis der Studie. Wie bereits in ihren vorausgegangenen Untersuchungen an menschlichen Lungenzellen (siehe ETH Life Artikel vom 24.03.2009) und in Kläranlagen (siehe ETH Life-Artikel vom 15.07.2008), nutzten die Forscher auch für die Pflanzenexperimente Ceriumoxid-Nanopartikel.

Ceriumoxid ist ein keramisches Schleifmaterial, das vor allem bei der Herstellung von Siliziumchips verwendet wird. Es ist zwar nicht so verbreitet wie andere Metalloxide im Nanometermassstab, doch hat es einen entscheidenden Vorteil, wenn es darum geht, es selbst in winzigsten Konzentrationen in einer Pflanze nachweisen zu können: Es kommt im Gegensatz zu anderen Metalloxiden ansonsten in Pflanzen nicht vor. Die gemessene Menge stehe daher für den tatsächlichen während des Experiments erfolgten Partikel-Eintrag, erklären die massgeblich an der Studie beteiligten ETH-Wissenschaftler, die Doktorandin Karin Birbaum und der Postdoktorand Ludwig Limbach.

Kleinste Konzentrationen erwischt

Dabei gelang es den Forschern, dank der so genannten induktiv gekoppelten Plasma-Massenspektrometrie, die Partikel bis auf eine Nachweissgrenze von nur 0,4 Nanogramm pro Pflanzen-Blatt zu bestimmen. «Wir haben damit nach den kleinsten Konzentrationen geguckt, die man heutzutage nachweisen kann», sagt Ludwig Limbach.

Zuvor hatten die Forscher die Maispflanzen geradezu einem Nanopartikel-Sturm ausgesetzt. Dazu stellten sie insgesamt rund 50 Pflanzen in eine spezielle Handschuhbox und besprühten sie darin 20 Minuten lang mit Ceriumoxid-Partikeln. Diese erzeugten die Wissenschaftler in einer benachbarten Box mit der so genannten Flammspraysynthese.

Anschliessend deponierten die Forscher die eine Hälfte der Pflanzen, während sie die andere mit deionisiertem Wasser abwuschen – um Regen zu simulieren. Sodann stellten sie von beiden Gruppen einige Pflanzen zurück ins Treibhaus, damit diese weiter wachsen konnten und sammelten von allen ihrer grünen Probanden Blätter ein – zunächst einige frisch behandelte und später einen Teil der neuen, erst nach der Behandlung gewachsenen.

Es zeigte sich, dass die älteren Blätter zwar Nanopartikel angelagert, diese aber offenbar nicht tiefer eingelagert und vor allem nicht weitertransportiert hatten. Denn, so Limbach, «in den neuen Blättern konnten wir kein Ceriumoxid mehr finden». Die Nanopartikel fielen quasi mit den älteren Blättern ab. Zudem wurden die Maispflanzen mit Ceriumoxid-Partikel-haltigem Wasser gegossen, um die Aufnahme über die Wurzeln zu bestimmen.

Boden als Schwachstelle

Auch in den mit Ceriumoxid bewässerten Pflanzen konnten die Forscher keine Verteilung der Partikel im Mais nachweisen. Offenbar werden sie im Boden festgehalten. Hier, so Limbach, gelte es jedoch, noch einmal genauer hinzuschauen: Um den Einfluss des Bodens ausschalten und damit die exakte Rolle des Wurzelsystems als möglichen Nanopartikel-Transporter bestimmen zu können, wollen die Forscher daher weitere Studien in wässrigem Substrat durchführen und haben eine Zusammenarbeit mit Rainer Schulin, Professor am Institut für Terrestrische Ökosysteme der ETH angestrebt.

Doch dies sei die einzige Schwachstelle der Untersuchung. «Ansonsten sprechen die Ergebnisse eindeutig gegen eine Gefahr für den Konsumenten», fasst Professor Detlef Günther zusammen. Und: «Die Ergebnisse lassen sich mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit auf andere Nahrungspflanzen wie Reis übertragen.»

Doch wollen die ETH-Forscher künftig nicht nur den Einfluss der Pflanzenwurzeln näher studieren. Das nächste Grossprojekt läuft bereits: So haben Limbach und Co kürzlich zehn Kilogramm Ceriumoxid auf zehn Tonnen Müll verteilt, um die Auswirkungen der Nanopartikel auf die Umwelt in Abfallverwertungsanlagen zu untersuchen. Die Auswertungen laufen zurzeit.

Literaturhinweis:

Birbaum K, Brogioli R, Schellenberg M, Martinoia E, Stark WJ, Günther D, Limbach LK. No Evidence for Cerium Dioxide Nanoparticle Translocation in Maize Plants. Environ. Sci. technol., 2010, 44 (22), pp 8718–8723, Online-Publikation 21. Oktober 2010, DOI: 10.1021/es101685f

 
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