Veröffentlicht: 10.12.10
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Wo ein Nobelpreisträger Testosteron synthetisierte

Mehrere Generationen von Chemikerinnen und Chemikern wurden im alten Chemiegebäude der ETH Zürich ausgebildet und haben dort geforscht. Die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) würdigt jetzt das CAB als historische bedeutsame Stätte der Chemie mit der Auszeichnung «Chemical Landmark».

Peter Rüegg / MM
Die Plakette Chemical Landmark weist das historische Chemiegebäude der ETH Zürich als Meilenstein der Chemie in der Schweiz aus (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)
Die Plakette Chemical Landmark weist das historische Chemiegebäude der ETH Zürich als Meilenstein der Chemie in der Schweiz aus (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich) (Grossbild)

Mit der Auszeichnung des Chemiealtbaus (CAB) der ETH Zürich wurde gestern Abend, 9. Dezember, zum zweiten Mal eine wichtige historische Stätte der Chemie mit der Plakette «Chemical Landmark» versehen. Die erste derartige Plakette wurde in Winterthur verliehen an die erste chemische Fabrik, die Schwefelsäure herstellte.

An der Feier, die im Hörsaal G11 des CAB stattfand und mit zahlreichen Anekdoten, Erzählungen und historischen Abrissen abgerundet wurde, enthüllten Karl Gademann und Barbara Winter-Werner als Vertretende der Platform Chemistry der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT), die Plakette. Entgegengenommen wurde sie von Roman Bouteiller, Vizepräsident für Personal und Ressourcen. Er betrachte die Auszeichnung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits sei es schön, alte Gebäude zu haben, aber es sei auch eine grosse Last, denn der Erhalt dieser Bausubstanz sei zum Teil teurer als ein Neubau. Zudem würden die rigorosen Auflagen des Denkmal- und Heimatschutzes die Entwicklung des Hochschulstandorts im Zentrum Zürichs behindern, sagte er in seiner Ansprache.

Magnet für Chemiker

Gebaut wurde das CAB als zweites Chemiegebäude der ETH von 1884 bis 1886. Der Bau kostete damals 1,337 Mio. Franken und wurde für 400'000 Franken eingerichtet, sagte Detlef Günther, Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften (D-CHAB). Die an der Universitätstrasse platzierten chemischen Laboratorien waren gut durchdacht und auf der Höhe ihrer Zeit. Sie boten den Forschenden ein ausgezeichnetes Arbeitsumfeld, welches zahlreiche Chemikerinnen und Chemiker, die bereits einen Namen hatten oder sich nach ihrer Züricher Zeit einen machen konnten, anzog. Nicht weniger als sieben Chemie-Nobelpreisträger lehrten und forschten im CAB, darunter Richard Ernst (Nobelpreis 1991), Vladimir Prelog (1976) oder Leopold Ruzicka (1939), dessen Gruppe es im CAB gelang, zum ersten Mal das männliche Geschlechtshormon Testosteron zu synthetisieren. Auch Vitamin C wurde erstmals in diesem Gebäude technisch hergestellt.

Den Erbauern des Gebäudes war es wichtig, dass hier nicht nur chemische Grundlagenforschung betrieben wurde, sondern es den Forschern möglich war, Untersuchungen durchzuführen, welche den Bedingungen eines Fabrikbetriebes nahe kamen. So befanden sich in den Chemiegebäuden der ETH Zürich neben umfassenden Apparate- und Präparate-Sammlungen auch Maschinenräume, elektrochemische Räume, Schmelzräume, Magazine für Apparate und Chemikalien, grosse Laboratoriumssäle, eine grosse Bibliothek sowie Konferenzräume und Prüfungszimmer, Arbeitszimmer und sogar Wohnungen.

Umzug auf den Hönggerberg

Allerdings reichte der Platz für die stetig wachsende Chemie bald nicht mehr aus, und die ETH liess das CAB zwischen 1955 bis 1975 mehrmals ausbauen. 2001 schliesslich zog die Chemie in das HCI auf den Hönggerberg, wo ihr mit den 80'000 Quadratmetern zehnmal mehr Nutzfläche zur Verfügung steht als im CAB. Das Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften umfasst heute 47 Professoren und rund 1100 Studierende. Das historische Chemiegebäude wird derzeit vom Departement Informatik genutzt.

Chemical Landmark: Erfolgreiche Forschung sichtbar machen

Mit den Chemical Landmarks hat die Platform Chemistry der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) ein Programm entwickelt, mit dem erfolgreiche Forschung und wichtige Entdeckungen sichtbar gemacht werden sollen. Solche Entdeckungen wirken sich oft auf das Alltagsleben aus. Solche bedeutsamen Stätten werden als Orte der Erinnerung mit einer Gedenktafel ausgezeichnet.

 
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