Veröffentlicht: 20.09.11
Science

Wie aus Graphit Diamanten keimen

Mit einer neuen Methode haben Wissenschaftler erstmals den Phasenübergang von Graphit zu Diamant präzise simuliert. Offensichtlich geschieht die Umwandlung nicht auf einmal, sondern Schritt für Schritt nach der Bildung eines Diamantenkeims im Graphit.

Simone Ulmer
Diamanten können nur unter schwierigen Bedingungen künstlich hergestellt werden. Wie die Umwandlung von Graphit zu Diamant genau vor sich geht, konnten nun neuste Simulationen zeigen. (Bild: iStockphoto)
Diamanten können nur unter schwierigen Bedingungen künstlich hergestellt werden. Wie die Umwandlung von Graphit zu Diamant genau vor sich geht, konnten nun neuste Simulationen zeigen. (Bild: iStockphoto) (Grossbild)

Elementarer Kohlenstoff kommt in der Natur so kontrastreich wie kaum ein anderes Material vor: als schwarzgrauer Graphit oder als funkelnder Diamant. Die zwei Formen sind vor allem durch ihre Kristallstruktur so verschieden. Während sie beim Diamanten kubisch ist, ist sie beim Graphit hexagonal. Dies führt zu den unterschiedlichen Eigenschaften beider Materialien und macht Diamanten neben dem vergleichsweise weichen Graphit zum härtesten bekannten Material. Deshalb sind Diamanten nicht nur als attraktive Schmucksteine gefragt, sondern als Werkzeug in der Industrie, etwa zum Schleifen oder Sägen.

Unbequemer Übergang

Aus Graphit synthetisch Diamant zu erzeugen gelang erstmals vor rund 60 Jahren. Dass Graphit seither nicht im grossen Stil zu Diamant verarbeitet wird, liegt unter anderem daran, dass die Diamanten unter hohem Druck und bei hohen Temperaturen hergestellt werden müssen. Dieser Prozess ist zeit- und energieintensiv, denn um künstliche Diamanten herzustellen, muss der billige Kohlenstoff dazu gebracht werden, seine Bindungsstruktur und somit die Anordnung seiner Elektronen zu ändern. Statt drei muss er vier Bindungen ausbilden und von einem energetisch «angenehmen» in einen «unangenehmeren» Zustand übergehen. Hierfür muss der Kohlenstoff eine grosse energetische Barriere überwinden.

Zu wissen, wie sich dieser Wechsel genau vollzieht und wann sich der Kohlenstoff in Diamant verwandelt, ist wichtig für die Materialforschung, war aber bis anhin nicht klar. Michele Parrinello, Professor für Computational Science an der ETH Zürich und der Università della Svizzera italiana (http://www.usi.ch/) in Lugano, und sein Team haben eine Methode entwickelt, mit der es ihnen nun gelang, diesen Phasenübergang in Computermodellen präzise und angemessen zu simulieren.

Vereinfachung lieferte falsches Bild

Zuvor hatten Wissenschaftler versucht, den Phasenübergang mit der sogenannten Car-Parrinello-Methode zu modellieren (siehe ETH Life vom 7.10.2010). Mit ihr wird näherungsweise die Struktur der Elektronen und deren Energiezustand für jede Position im Ion bestimmt, um Bindungen simulieren zu können, die aufbrechen und sich neu bilden. Das Verfahren beruht auf einer Methode, die Parrinello vor mehr als 25 Jahren mit Roberto Car entwickelte. «Beim Phasenübergang von Graphit zu Diamant müssen aber so viele Atome berücksichtigt werden, dass die genaue Simulation zu aufwändig wäre», sagt Parrinello. Die Forscher griffen deshalb bisher auf ein vereinfachtes Verfahren zurück, indem sie die Simulation mit viel weniger Atomen durchführten. Das führte jedoch dazu, so Parrinello, dass die Modelle den Eindruck vermittelten, dass sich der ganze Graphit wie auf Befehl auf einmal in Diamant umwandelt.

Die neue Methode zeigt ein anderes Bild. Die Wissenschaftler berechneten auf dem Supercomputer des CSCS (dem Nationalen Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz) zehntausende Konfigurationen von Atomen, die sich in ihren Energiezuständen leicht voneinander unterschieden. Damit deckten die Atom-Konfigurationen ein breites Spektrum der möglichen Energiezustände ab. Nachdem die Wissenschaftler deren Energiezustände interpoliert und dies als Grundlage für ihre Simulation genutzt hatten, zeigte sich, dass sich zuerst ein Diamanten-Keim bildet, der bei hohem Druck nach und nach die hexagonale Kristallstruktur des Graphits in eine kubische umwandelt.

Die Simulation des Phasenübergangs mit der neuen Methode zeigte zudem, dass Strukturdefekte im Kristallgitter des Graphits die Energiebarriere herabsetzen. Diese muss überwunden werden, damit sich ein Diamanten-Keim bildet. Strukturdefekte können somit schneller zur Umwandlung führen. «Die Methode kann überall dort genutzt werden, wo Phasenübergänge sichtbar gemacht werden sollen», betont Parrinello.

Literaturhinweis:

Khaliullin,RZ, Eshet,H, Kühne, TD, Jörg Behler, J & Parrinello, M: Nucleation mechanism for the direct graphite-to-diamond phase transition, Nature Materials (2011), 10, 693–697, DOI: doi:10.1038/nmat3078