Veröffentlicht: 18.11.11
Globetrotter

Antennenbau mit Hindernissen

Christian Monstein ist erneut auf Mission in Sachen «Callisto». Der technische Mitarbeiter des Instituts für Astronomie hat in Ägypten ein weiteres Radiomessgerät in Betrieb genommen, um damit Sonnenaktivität messen zu können. Damit kommt er seinem Ziel, die weissen Flecken auf der Weltkarte zu tilgen, einen Schritt näher.

Christian Monstein
Dr. Ayman Mahrous, Ahmed Salah und Christian Monstein vor fertig montierter Antenne. (alle Bilder: C. Monstein / ETH Zürich)
Dr. Ayman Mahrous, Ahmed Salah und Christian Monstein vor fertig montierter Antenne. (alle Bilder: C. Monstein / ETH Zürich) (Grossbild)

Montag, 3.10.2011

Die Maschine nach Ägypten hebt plangemäss um 9.45 Uhr von Zürich-Kloten ab, Ankunft Cairo Airport gegen 14 Uhr. In der Bank kaufe ich ein Visum für 15 US-Dollar, dann Pass- und Visakontrolle. Ich bin «drin».

Das Hoteltaxi vom Flughafen zum Hotel Pyramisa kostet 40 $. Die Kommunikation mit dem Fahrer ist zähe. Ich frage: «Where can I meet you tomorrow morning between 08:30 and 09:00? » Er antwortet: «Yes».

Ich komme um drei Uhr im Hotel an, checke ein und muss «advanced payment» leisten. Das Hotel will unverfroren 1000 $ kassieren, ohne eine Gegenleistung erbracht zu haben.

Wandere zur Metro über den Nil, kann leider nichts lesen ausser «Non-smoking» und «Exit». Es gibt allerdings einen Schalter, um Tickets zu kaufen. Zurück beim Hotel spreche ich mit einem anderen Taxifahrer, der nicht zum Hotel gehört. Er hätte für die Fahrt vom Flughafen zum Hotel 10 $ verlangt.

Um halb zehn abends ruft Heba Salah, eine Masterstudentin von der Universität Helwan, an, die mich bei der Installation des «Callisto»-Messgerätes und der dazu gehörigen Antenne unterstützen wird. Die Antenne werde morgen noch nicht fertig sein, sagt sie, und sie könne keinen Druck auf den Hersteller - ihren Vater – erzeugen. Keine guten Neuigkeiten, denn dadurch drohen Verzögerungen beim Aufbau der Messstation in Ägypten.

Dienstag, 4.10.2011

Mit dem Taxi fahre ich vom Hotel an die Universität Helwan. In der Nähe des Regierungsgebäudes von Kairo demonstrieren Beamte für mehr Lohn.

Um 10:30 beginnen wir mit der Konfiguration des PCs sowie der Installation der Programme zur Steuerung des Radio-Spektrometers. Die Checkliste sollte noch detaillierter sein und Schritt-für-Schritt-Erklärungen enthalten. Man wünscht Unterlagen zur Erkennung von Sonnen-Radio-Bursts.

Als erstes konfigurieren wir die Messgeräte, mit denen wir die Sonnenstrahlung messen möchten. Unerwartet taucht Heba Salahs Vater Ahmed auf und wir können mit dem Zusammenbau der Antenne auf dem heissen Dach des Institutes beginnen, was bis 16 Uhr dauern sollte. Um 16.15 Uhr verschwindet die ganze Helfergruppe zum Beten. Ich reise mit der Metro zurück zum Hotel. Geniesse ein kleines Bier für 31 Ägytische Pfund (ca. 6 CHF) an der Hotelbar nach diesem anstrengenden Tag.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Ich kann mein Zimmer nicht mehr betreten, muss zurück zur Rezeption, um den Schlüssel neu programmieren zu lassen. Ich glaube, das war ein Trick der Rezeption, um mich an dieselbe zu locken. Dort will man wieder den exakten Namen meiner Frau sowie Flugnummer und Ankunftszeit wissen, obwohl ich das bereits schriftlich mitgeteilt habe.

Erneut bringt mich ein Taxi nach Helwan, der Fahrer kann kaum Englisch und kennt den Weg nicht. Zum Glück kann ich ihm erklären, wo er hinfahren muss. Überall an wichtigen Gebäuden steht Militär mit automatischen Waffen im Anschlag. In kleinen Gebäuden hübsch gekleidete Security - mit Holzgewehren.

Bin pünktlich am Institut um 09:30. Nur der Chef und drei Studierende sind da. Der PC läuft noch, die eingehenden Test-Daten sehen gut aus, obwohl die Antenne noch nicht vollständig aufgebaut ist. Keine Frequenzsprünge. Der Netzanschluss muss verbessert werden, weil es Wackelkontakt hat.

Wir benötigen noch einen Lötkolben, um ein Kabel an die Antenne anzuschliessen. Dann arbeiten wir wieder an der Antenne. Zum Glück habe ich mein eigenes Werkzeug mitgebracht. Hier gibt es nur eine Schere und einen kleinen Schraubenzieher.

11.55 Uhr lassen alle das Werkzeug fallen und gehen wieder beten. Ich mache Pause.

Am Nachmittag finden die ersten Messungen mit der vorerst auf dem Dach liegenden Antenne statt. Die Störungen sind stark, mindestens 50dB (100'000 fach) über dem Rauschen. Zumindest scheinen die Kabel und Steckverbindungen zu funktionieren.

Ahmed Salah versucht, die Antenne an der Dachbrüstung zu montieren. Doch der Bohrhammer funktioniert nicht, der Meissel fällt dauernd heraus. Dann geht der Hammer nicht mehr, schliesslich fällt auch noch fast die Antenne vom Dach. Jedem Arbeitsinspektor der SUVA würden die Haare zu Berge stehen.

Wir bohren vier Löcher für «Fischer» (ägyptischer Begriff für Dübel) für die Befestigung der Briden, welche die Antennenträger halten sollen. Für die Antennenträger sind bereits Löcher im Boden vorhanden. Nach jedem Montageschritt wird das empfangene Spektrum geprüft. Das Spektrum von 45 MHz bis 174 MHz ist brauchbar, obwohl es Brumm-Interferenzen gibt. Die Stromverteilung ist unbrauchbar, es gibt dauernd Wackelkontakte. Um 16 Uhr wird wieder gebetet.

Hauptproblem heute: fehlendes Werkzeug und teilweise etwas unpraktisch veranlagte Studenten. Ohne Ahmed Salah hätte nichts funktioniert. Ein guter Grund, um ihm ein Victorinox-Taschenmesser zu schenken.

Überreiche Institutsleiter Ayman Mahrous die Rechnung für das Frontend von 335 CHF. Er kann es nicht bezahlen mit der Begründung, das Geld sei für die Antenne draufgegangen. Werde den Betrag wohl selbst bezahlen müssen.

Um 16:30 verlassen wir die Universität in Ahmed Salahs Wagen, einem verlotterten Vehikel ohne Licht, losen Sitzen und fehlenden Griffen sowie unzähligen Beulen. Wiederum begleiten mich zwei Studenten. Sie fragen so viel, dass ich kaum mehr sprechen kann, so laut ist es in der Metro.

Bei der Station Sadat lassen sie mich alleine, aber ich finde inzwischen selbst den Weg zum Hotel. Unterwegs werde ich angesprochen mit den Worten: «Your are walking like an Egyptian…». Dann beginnt der Mann mich auszufragen und ich gebe naiverweise bereitwillig Antwort, weil er gut Englisch spricht. Dann lockt er mich in eine dunkle Nebengasse, holt seinen Bruder und beide wollen mir Kunstwerke verkaufen sowie jede Menge Dienstleistungen für touristische Aktivitäten. Kunst-Drucke (natürlich alles selbst gemacht in Handarbeit von der eigenen Familie), Parfüms, kleine Pyramiden usw. Langsam wird mir mulmig. Und ich habe genug. Kann mich nur mit grösster Mühe zurückziehen, ohne Berge von Geschenken anzunehmen…

Erst um 18 Uhr bin ich wieder im Hotel mit einer Flasche Wasser unter dem Arm. In der Nähe rufen die Muezzine aus Lautsprechern, einer lauter als der Andere.

Donnerstag, 6. Oktober

Heute müssen wir mit der Software vorwärts machen (FTP-client, TeamViewer, PERL und PERL-script mit Windows-scheduler etc.). Langsam möchte ich das Wochenende planen. Gibt es Freiwillige, welche meine Frau und mich rumführen könnten/möchten und etwas zu erzählen wissen?

Um 09:10 bin ich bereits im Labor, weil kaum Verkehr herrscht. Keiner ist da, weil heute ein Feiertag ist. Um halb zehn taucht der Chef auf und wir können mit den Software-Installationen beginnen. Um halb elf kommt auch Ahmed Salah vorbei. Zusammen montieren wir die Antenne definitiv auf dem Dach des Institutes inklusive Betonieren der Antennenträger im Boden der Dachterrasse. Zuletzt werden die Kabel verlegt und befestigt.

Mein Touristenprogramm nimmt Formen an. Ahmed Salah verlangt für einen Tag 300 $ für Auto und Fahrer. Auf dem Programm stehen die Pyramiden, Sakkara und ein Privatbesuch bei ihm.

Den ganzen Tag über funktioniert das Internet nicht, kann weder unsere Radio-Teleskope in Bleien (Kanton Aargau) checken noch E-Mails lesen oder senden. Ich vermute, dass jemand schlicht und einfach den Router abgeschaltet hat, um am Feiertag etwas Strom zu sparen.

Um 16 Uhr ist Feierabend, ich muss alleine mit der Metro zurück ins Zentrum. Verlange am Schalter ein Ticket, kriege aber zwei. Trotz Feiertag ist die Metro voll. Am Ende der Reise muss man das Ticket in einen Automaten stecken, damit man die Station verlassen kann. Dummerweise erwische ich das unverbrauchte Ticket und stecke es in den Automaten. Die Schranke blockiert, ein Alarm geht los. Ein Aufseher will mich zurechtweisen. Kurzentschlossen stecke ich das richtige Ticket in einen anderen Automaten und ich kann den Bahnhof ungeschoren verlassen. Im Hotel werde ich zum dritten Mal gefragt, wie denn meine Frau heisst und womit sie wann kommt. Zudem werde ich aufgefordert, den Taxidienst für meine Frau im Voraus zu bezahlen. Dieses Mal kostet die Fahrt nur 24 $, ich habe für meine Fahrt noch 40 $ bezahlt. Welche Logik steckt hinter dieser Preispolitik?

Freitag, 7. Oktober

Meine Frau ruft aus dem Flieger an, es gibt Probleme mit Fluggästen, die nicht erschienen sind, obwohl sie eingecheckt haben - wie bei mir vier Tage zuvor. Um 15 Uhr kommt der Taxichef in die Hotellobby und meldet, dass der Flieger eine Stunde Verspätung habe. Brigitte trifft schliesslich um halb vier ein.

Samstag, 8. Oktober

Besuch der Pyramiden von Gizeh, inklusive Rumkriechen in den Katakomben unterhalb der kleinen Pyramide. Darf dort den Totenschädel von Nofretete anfassen und mich dabei für ein Pfund Bakschisch fotografieren lassen. Der Totenschädel ist schon ganz abgewetzt und leicht fettig von den vielen verschwitzen Touristenhänden.

Fussmarsch in der grössten Hitze zur Sphinx, Besuch des Museums mit der Sonnenbarke, einem eindrücklichen Gefährt, und der Tempelanlagen von Sakkara sowie der alten Stufenpyramide. In Memphis Besuch des Steinhauerplatzes mit der Büste von Ramses II. Diese hat mich am meisten beeindruckt, ein tonnenschweres Stück Stein absolut präzise bearbeitet (wohl mit einem Laser?).

Am Nachmittag dann Privatbesuch bei Ahmed Salah und seiner Familie. Es gibt Koscheri, ein ägyptisches Nationalmenü, und Mengen an Süssigkeiten. Die süssen Sachen schmecken alle ähnlich, das Wasser riecht nach Chlor. Nachts wilde Taxifahrt durch das verrauchte (überall Brände auf Grund von Demonstrationen) Kairo zurück ins Hotel.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Besuch des Ägyptischen Museums für sechs lange Stunden. Wir mieten für drei Stunden einen Deutsch sprechenden Führer, welcher uns die wesentlichen Objekte zeigen und erklären soll. Er ist langatmig und auch langweilig; bin froh, nach drei Stunden das Museum selbständig zu erkunden. Es ist extrem heiss, die Füsse brennen. Zum Mittagessen geht’s zu Hardee’s am Tahrirplatz. Heute Abend werden hier 23 Demonstranten getötet, entweder mit Panzer überfahren oder mit Eisenstangen zu Tode geprügelt. Zudem wird es über 200 Verletzte geben. Wir kriegen glücklicherweise davon nichts mit, wir sind um 18 Uhr bereits wieder im Hotel.

Montag, 10. Oktober, 2011

Während der ganzen Nacht liegt beissender Rauch in der Luft. Demonstranten haben Häuser und Autos angezündet. Bin permanent am Husten. Ahmed Salah ist mit dem Taxi pünktlich am Hotel und wir fahren zur Zitadelle. Besuch mehrerer Moscheen, eine davon mit den Gräbern von König Farouk und Schah Resa Pahlevi von Persien, sowie des Militär-Museums.

Anschliessend Fahrt zum Bazar Khan al Khalili in Altkairo. Es wird eingekauft (eine Lampe sowie Pfeffer und Datteln). Danach Fahrt zum Naturpark Al Azhar (erstellt über einer alten Müllhalde) zum Entspannen und zuletzt rasante Taxifahrt an den Nil in den «Club der Ingenieure». Um 18:15 verabschieden wir uns von Ahmed Salah und fahren zum Hotel. Das war ein teurer Spass – viel teurer als mit einem offiziellen Anbieter.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Packen, Bordkarte drucken (Internet kostet «lausige» 10 $ pro 30 Minuten). Wir rasen mit dem Taxi zum Flughafen, sind viel zu früh dort und sitzen nun in der Check-in-Halle. Das Flugzeug startet um 15:05. Es sind kaum Gäste an Bord. Alle könnten quer über die Sitze hinweg liegen. Pünktliche Ankunft in Zürich.

Zum Autor

Christian Monstein ist Technischer Mitarbeiter am Institut für Astronomie der ETH Zürich. Der 58-jährige arbeitet seit 1997 für die ETH. Sein besonderes Interesse gilt der Messung von Radiostrahlung, welche von der Sonne ausgeht. Monstein betreibt mit freiwilligen Mitarbeitern ein weltweites Netz von Radio-Spektrometern «Callisto». Das Projekt wird unterstützt durch die Vereinten Nationen und durch die NASA im Rahmen des Projektes ISWI (International Space Weather Initiative). Um einen weissen Flecken auf seiner Weltkarte zu tilgen, reiste er im Oktober dieses Jahres nach Ägypten, im Mai nach Kasachstan.

 
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