Veröffentlicht: 02.12.11
Globetrotter

Ohne Mate läuft wenig

In ihrem Praktikum in Argentinien stösst ETH-Studentin Marlen Müller auf das Nationalgetränk: Mate-Tee. Dessen Zubereitung ist eine Wissenschaft für sich. Und fördert den sozialen Austausch.

Marlen Müller
Die Matesammlung von Marlen Müllers Mitbewohnerinnen. (alle Bilder: Marlen Müller)
Die Matesammlung von Marlen Müllers Mitbewohnerinnen. (alle Bilder: Marlen Müller) (Grossbild)

Die Sonne scheint auf meine nackten Füsse, auf dem Dach flattert die frisch aufgehängte Wäsche im Wind und die Mädels, mit denen ich zusammenlebe, sind eifrig dabei, Gemüse klein zu schneiden, das dann zu kunstvollen Teigtaschen («Empañadas») geformt wird. Ausserdem wird auf dem Gasherd das Wasser auf genau 70°C erhitzt – die perfekte Temperatur für die Zubereitung von Mate-Tee. Hier, auf der Dachterrasse mitten im Zentrum der Studentenstadt La Plata, Provinz Buenos Aires, lässt es sich gut aushalten.

Nun bin ich schon seit mehreren Wochen im Land des Silbers und gewöhne mich langsam an die mit einem Affenzahn herumfahrenden und stets hupbereiten Auto(wrack)s, die unregelmässigen Arbeitszeiten und den regelmässigen Genuss des Mate-Tees, der zu Argentinien gehört wie das Bier zu Deutschland. Die Zubereitung ist eine Wissenschaft für sich. So kommt es einem zumindest vor, wenn man den Erklärungen der Einheimischen lauscht. Aber je detaillierter die Beschreibung, umso unterschiedlicher ist das Vorgehen.

Soziales Tee-Ritual

Im Prinzip wird Mate-Tee wie folgt zubereitet: das Trinkgefäss, spanisch als Mate bezeichnet, ist ursprünglich ein ausgehöhlter Kürbis. Heutzutage kann man von Holz bis Metall alles bekommen, wird zu zwei Dritteln mit Yerba (dem Kraut) gefüllt, das immer wieder mit heissem Wasser übergossen wird. Getrunken wird dieser Aufguss mit dem Bombilla, einem Metalltrinkrohr. Mate-Tee zu trinken, ist ein Ritual. Der Tee wird herumgereicht und abwechselnd davon getrunken. Dazu verlässt man auch mehrmals in der Stunde den eigenen Arbeitsplatz!

Meine Mitbewohnerin ist wahrscheinlich eine der wenigen Ausnahmen und greift im Supermercado eher zum Paso de los Toros (beliebtes Erfrischungsgetränk, etwas Ähnliches wie Zitronenlimo) als zum Yerba-Kraut.

A propos Mitbewohner: Ich lebe hier mit zwei Argentinierinnen in einem Zimmer einer «Pension». Wir teilen uns Küche, Bad und Aufenthaltsraum mit neun weiteren Frauen, die jeweils in 2er bis 4er Zimmern untergebracht sind. Mir kommt es hier vor wie in einer Jugendherberge, ausser dass ich nicht drei Monate zum Ferienmachen hier bin, sondern als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universidad de La Plata arbeite.

Mehr Englisch als Spanisch

Dieses von IAESTE geförderte Praktikum absolviere ich am Lehrstuhl für Theoretische Chemie. Ich entwerfe computergestützte Modelle zur Voraussage von Arzneimittelstrukturen. Besonders die Erforschung der Anti-HIV-1-Strukturen interessiert mich dabei. In diesem Projekt arbeite ich eng mit meinem Betreuer zusammen, was die Eingewöhnung in die neue Gruppe erleichtert hat. Die meisten meiner Kollegen sprechen auch englisch und mittlerweile sogar mehr als mir lieb ist. Dabei möchte ich doch mein Spanisch verbessern!

An meinem ersten Arbeitstag bin ich gleich aufgefallen. Mit Flipflops und kurzen Hosen bin ich neben meinem Betreuer, seinerseits mit langen dunkelbraunen Leinenhosen und schicken Schuhen, zum Institut gelaufen. Der Argentinier ist auch in der grössten Sommerhitze korrekt gekleidet, kurze Hosen wird man in den meisten Kleiderschränken wohl vergeblich suchen. Gelaufen sind wir über Stock und Stein – im wahrsten Sinne des Wortes, so sind doch fast alle Gehwege potenzielle Stolperstellen: Die grosse wirtschaftliche Krise im Jahre 2001 hat ihre Spuren hinterlassen. Velofahren wird zum Abenteuer, auch weil man sich kaum auf die Strassen getraut. Es gibt zwar Verkehrsregeln, aber nur der Brave hält sich daran. Sonst gilt eher der bei uns so beliebte Autospruch «Ich bremse nur zum Kotzen». Dabei frage ich mich wirklich manchmal, ob einige Autos noch bremsen KÖNNEN, Scheinwerferlichter sind sowieso nur etwas für Angeber. Da gewinnt das oft kritisierte Zürcher Velonetz jede Menge Pluspunkte!

Am Institut angekommen, werden erst alle mit einem Küsschen begrüsst. Auch zwischen Männern ist das durchaus üblich. Dann wird das Wasser gekocht, der Mate-Tee zubereitet und für mich beginnt ein weiterer Arbeitstag im sonnigen und grünen La Plata.

Zur Person

Marlen Müller (25) studiert an der ETH Zürich im Masterprogramm Computational Biology and Bioinformatics. Zurzeit absolviert sie an der Universität in La Plata, Provinz Buenos Aires, ein IAESTE Praktikum, das sie freiwillig gewählt hat, um eine andere Kultur kennenzulernen und ihre Spanischkenntnisse aufzubessern. Ihr Praktikum dauert bis Ende Dezember 2011.

 
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