Homo socialis: Kontroverse Diskussion

Lieber Herr Traxler, die Arbeiten von Martin Nowak erklären nicht die Evolution von «other regarding» Präferenzen. Hierzu gibt es in Biologie, Ökonomie und Soziologie verschiedene Modelle (z.B. von Boyd/Richerson; Gintis u.a.). Das letzte Wort über die Gültigkeit der vorgebrachten Erklärungen ist noch längst nicht gesprochen. Auch die Diskussion unter Biologen verläuft kontrovers. Deshalb gilt es, mit Simulationsmodellen und empirisch-experimentellen Studien die Erklärungskraft alternativer Modelle auf den Prüfstand zu stellen.

Das von uns (Przepiorka/Diekmann) experimentell untersuchte spieltheoretische Modell zur Erklärung des Sanktionsverhaltens in einer Kooperationssituation wurde von einem der Autoren vor längerer Zeit entwickelt (Diekmann 1985, 1993), später von Biologen (Archetti; Raihani/Bshary) zur Erklärung der Evolution von Kooperation aufgegriffen und nun von uns in einem Experiment überprüft (und in einem biologischen Journal publiziert). Ist es nicht eher positiv zu sehen, dass bei diesen zentralen Fragen - die Soziologie war immer am Problem sozialer Ordnung oder sozialer Kooperation interessiert - heute verschiedene natur- und sozialwissenschaftliche Disziplinen zusammenarbeiten? Wer die vielfältigen Diskussionen, alternativen Erklärungsversuche und Modelle zur Evolution von Kooperation kennt, weiss, dass hier noch viele Puzzleteile fehlen und einige Rätsel zu lösen sind. Die wissenschaftliche Diskussion und Untersuchung der höchst spannenden Fragen nach der Evolution von Kooperation, aber auch den Bedingungen des Zerfalls sozialer Ordnung wird die beteiligten Disziplinen mit Sicherheit auch noch die kommenden Jahrzehnte beschäftigen.

Andreas Diekmann, ETH Zürich - 27.03.13

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