Veröffentlicht: 22.04.13
Science

Die Kraft von 2000 Sonnen

Eine Kollaboration von Schweizer Wissenschaftlern will ein neuartiges Photovoltaik-System entwickeln, das nicht nur eine 2000-fache Konzentration des Sonnenlichts aufnehmen, sondern auch die Abwärme nutzen kann. So könnten 80 Prozent der Sonnenenergie nutzbar gemacht werden.

Claudia Naegeli
Dieses neuartige Thermische Hochkonzentrations-Photovoltaik-System kann eine 2000-fache Konzentration des Sonnenlichts aufnehmen und 80 Prozent der einfallenden Strahlung in nutzbare Energie umwandeln.
Dieses neuartige Thermische Hochkonzentrations-Photovoltaik-System kann eine 2000-fache Konzentration des Sonnenlichts aufnehmen und 80 Prozent der einfallenden Strahlung in nutzbare Energie umwandeln. (Grossbild)

Die Energiewende verlangt eine verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energiequellen. Die Solartechnologie spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Sie hat zwar sehr viel Potenzial, ist heute aber noch verglichen mit fossilen oder nuklearen Energieträgern zu wenig effizient und deshalb zu teuer, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein. Wissenschaftler am Institut für Energietechnik der ETH Zürich wollen nun in einer Kollaboration mit IBM Research, dem Solarstromtechnologie-Zulieferer Airlight Energy und der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs ein neuartiges Thermisches Hochkonzentrations-Photovoltaik-System bauen, das eine 2000-fache Konzentration des Sonnenlichts aufnehmen und 80 Prozent der einfallenden Strahlung in nutzbare Energie umwandeln kann.

Das System mit dem englischen Namen «High Concentration Photovoltaic Thermal» (HCPVT) basiert auf einem grossen nachgeführten, parabolischen Solar-Konzentrator, der aus vielen einzelnen Spiegel-Facetten besteht. Dieser reflektiert die Sonnenstrahlen auf mehrere Empfänger mit speziellen Photovoltaik-Chips. Die Chips werden auf einer Schicht aus Mikrokanälen befestigt, durch die flüssiges Kühlmittel gepumpt wird, um die durch die Konzentration entstehende Hitze abzutransportieren. Dadurch können die Wissenschaftler 30 Prozent der gebündelten Sonnenergie in Strom umwandeln und gleichzeitig 50 Prozent der Abwärme nutzen.

Auf teure Materialien verzichten

Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger der ETH Zürich und Leiter des Labors für Solartechnik am PSI, entwickelt mit seiner Gruppe die Optik, welche die Sonneneinstrahlung bündelt. Damit sie eine einheitliche 2000-fache Konzentration des Sonnenlichts auf der Solarzelle erreichen, arbeiten die Wissenschaftler mit «Ray Tracing»-Berechnungen. Dieses Verfahren erlaubt es den parabolischen Konzentrator und das Photovoltaikmodul optimal zu koppeln.

Das HCPVT-System soll zudem hocheffizient und kostengünstig werden. Darin sieht Aldo Steinfeld die grösste Herausforderung des Projekts. Teure Strukturen aus Stahl und Glas werden durch billigere aus Beton und speziellen metallisierten Folien ersetzt. Dank der hohen Effizienz und des kostengünstigen Designs schätzen die Wissenschaftler, dass eine Kilowattstunde (kWh) Strom durchschnittlich weniger als 10 US-Cent kosten wird.

Trinkwasser produzieren und Kälte erzeugen

Gegenwärtige Konzentratorsysteme sammeln nur elektrische Energie, die thermische Energie in Form von Wärme verpufft ungenutzt. Mit dem HCPVT-System können Wissenschaftler sowohl das Überhitzungsproblem der Solarchips lösen als auch die thermische Energie für die Wasserentsalzung oder Luftkühlung brauchen. Dabei kommt die gleiche Technologie zum Einsatz, mit der der Supercomputer Aquasar von IBM Research und der ETH Zürich gekühlt wird. Die abgeführte Wärme wird für die Beheizung von Gebäuden genutzt.

Im HCPVT-System wird das 90 Grad Celsius heisse Wasser durch ein Membran-Entsalzungs-System geleitet, in dem es verdampft und dabei entsalzen wird. Ein HCPVT-Gerät könnte 30 bis 40 Liter Trinkwasser pro Quadratmeter Empfängerfläche und Tag liefern. Dabei produziert das System immer noch zwei Kilowattstunden Strom pro Tag. Damit beträgt die Ausbeute über 25 Prozent.

Durch thermisch betriebene Absorbtionskühler kann das HCPVT-System auch Kälte erzeugen. Ein Absorbtionskühler wandelt Hitze mittels eines thermischen Kreislaufs über einen Absorber, z.B. aus Kieselgel, in Kälte um.

Die Wissenschaftler wollen mit dem HCPVT-System in verschiedenen Regionen der Welt nachhaltig erzeugten Strom und frisches Wasser produzieren. Besonders interessant könnte das System für entlegene Tourismusregionen oder Ferieninseln sein. Das Projekt wird von der Förderagentur für Innovation des Bundes (KTI) mit 2,25 Millionen Franken gefördert. Die Forscher testen einen Prototyp des HCPVT-Systems momentan im IBM-Forschungslabor in Rüschlikon. Weitere Prototypen werden noch folgen.