Veröffentlicht: 14.06.13
Campus

Mehr als nur eine Sprache

An einer Veranstaltung des Sprachenzentrums diskutierten Experten zum Thema «Welche Sprachkompetenz brauchen Studierende in der Zukunft?». Fazit: Englisch als Verkehrssprache genügt nicht. Um sich zu integrieren, ist es notwendig, die Landessprache zu lernen.

Angela Harp
Sabina Schaffner, Direktorin des Sprachenzentrums, und Thomas Vogel, Prorektor der ETH Zürich und Mitglied des Kuratoriums des Sprachenzentrums  (Bild: Angela Harp / ETH Zürich)
Sabina Schaffner, Direktorin des Sprachenzentrums, und Thomas Vogel, Prorektor der ETH Zürich und Mitglied des Kuratoriums des Sprachenzentrums (Bild: Angela Harp / ETH Zürich) (Grossbild)

An der ETH Zürich studieren derzeit rund 18'000 Studierende aus über 100 Ländern, davon 3'800 Doktoranden. Bei dieser internationalen Studentenschaft wird die Sprachkompetenz insbesondere in Englisch und Deutsch immer bedeutender. Die ETH Zürich und die Universität Zürich haben dies erkannt und arbeiten eng mit dem Sprachenzentrum zusammen, das 2002 von beiden Institutionen gegründet wurde.

Trotz des vielfältigen Angebots von Kursen und Dienstleistungen gibt es im Bereich Integration nach wie vor Probleme. ETH Life sprach mit Sabina Schaffner, Direktorin des Sprachenzentrums, und Thomas Vogel, Prorektor der ETH Zürich und Mitglied des Kuratoriums des Sprachenzentrums, darüber, welche Sprachanforderungen die ETH Zürich im akademischen Umfeld hat.

Welches sind die aktuellen Trends beim Sprachenlernen?
Sabina Schaffner: Die Kurse «Deutsch als Fremdsprache» werden am meisten nachgefragt, gefolgt von Englisch und Spanisch. In den vergangenen Jahren haben wir beobachtet, dass Deutsch als Forschungs- und Studiensprache an Bedeutung verloren hat. Deutschkenntnisse zur sozialen Integration in der Schweiz oder um beruflich weiterzukommen haben dagegen zugenommen.

Das heisst, dass die Deutschkenntnisse unter den ETH-Dozierenden steigen?
Schaffner: Schauen wir uns die besuchten Kurse an, dann scheint es, dass das Beherrschen der deutschen Sprache nicht im Vordergrund steht. So stieg zum Beispiel das Kursangebot bei den unteren Stufen A1 und A2 in den letzten 10 Jahren von 20 auf fast 50 Prozent. Die Zahl der nachgefragten Kurse in den höheren Stufen C1 und C2 ist aber konstant geblieben. Das zeigt uns, dass die Motivation nicht bei fortgeschrittenen Sprachkenntnissen liegt, sondern die soziale Integration im Vordergrund steht und dafür genügen Grundkenntnisse in Hochdeutsch. Bei den Mittelstufen B1 und B2 hingegen ist die Nachfrage eher gering. Diese Zielgruppe müssen wir besser erreichen.

Warum fokussieren Sie vor allem auf Professoren und Doktorierende?
Thomas Vogel: An der ETH Zürich wird von Dozierenden aus dem Ausland erwartet, dass sie nach einer bestimmten Zeit auch auf Deutsch unterrichten können. Viele von ihnen erfüllen diese Anforderung aber nicht. Diese sprachliche Voraussetzung kann uns bei der Rekrutierung vor ein Problem stellen, weil sie die Zahl der Kandidaten einschränkt. Wir bestehen jedoch darauf, dass vor allem im ersten Jahr auf der Bachelorstufe weiterhin auf Deutsch unterrichtet wird. Aber auch bei uns steigt die Zahl der in Englisch gehaltenen Vorlesungen. Auch Doktoranden, deren Muttersprache Deutsch ist, halten Vorlesungen in Englisch.

Ist das ein Problem?
Vogel: Eigentlich nicht. Das Problem zeigt sich erst später, wenn die Doktorierenden ihr Doktorat abschliessen und an der ETH oder in der Schweiz arbeiten wollen. Da es an der ETH in ihrem internationalen Umfeld einfach ist ohne Deutschkenntnisse durchzukommen, ist die Motivation, die lokale Sprache zu lernen, eher gering.

Worauf legen Sie mehr Wert, auf ausgezeichnete Deutschkenntnisse oder auf die fachliche Exzellenz?
Vogel: Es geht nicht um sprachliche Standards, sondern um die fachliche Qualifikation. Wir sind an der ETH stolz darauf, wenn unsere Doktoranden und Postdoktoranden länger hierbleiben. Wir sind aber eine Eidgenössische Hochschule. Deshalb ist Deutsch die offizielle Sprache, sei es in der Administration oder in der akademischen Verwaltung. Daher werden wir bei den Sprachanforderungen auch keine Kompromisse eingehen.

Was unternimmt die ETH Zürich, damit diese internationalen Experten ausreichend Deutsch sprechen?
Vogel: Wir können unsere Doktoranden und Professoren natürlich nicht zwingen, Deutsch zu lernen. Wir ermuntern sie dazu, indem wir ihnen die Vorteile aufzeigen. Deshalb arbeiten wir auch so eng mit dem Sprachenzentrum zusammen. Die verschiedenen Kurse sind speziell auf die Bedürfnisse der Akademikerinnen und Akademiker an der ETH zugeschnitten.

Welche Anforderungen sind dies?
Schaffner: Vor allem das Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten in Englisch, wie Berichte, Forschungspapiere, Diplomarbeiten und Dissertationen. Auch für viele Doktoranden ist Englisch eine Fremdsprache. Um in der internationalen Wissenschafts- und Forschungswelt Erfolg zu haben, müssen sie in der Lage sein, qualitativ anspruchsvolle Texte verfassen zu können. Daher ist es verständlich, wenn Ausländerinnen und Ausländer, deren Muttersprache nicht Englisch ist, sich mit Grundkenntnissen in Deutsch zufrieden geben mit denen sie im Alltag durchkommen.

Wenn Englisch die internationale Wissenschaftssprache ist, warum benötigen Ausländer dann überhaupt Deutschkenntnisse?
Vogel: Es hängt davon ab, was jeder Einzelne erreichen will. Natürlich ist es einfach, mit anderen Ausländern in Kontakt zu treten. Das ist aber noch keine Integration. Deutsch zu lernen eröffnet neue Welten, nicht nur an der Hochschule, sondern auch im alltäglichen Leben und ist auch eine Voraussetzung, um auf dem Schweizer Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Die Tatsache, dass im Alltag Schweizerdeutsch gesprochen wird, macht die Sache nicht einfacher, da die Ausländer im Alltag nicht dieselbe Sprache hören, die sie lernen.

Wie sieht Ihre Strategie aus, um die Sprachanforderungen der Hochschulen zu gewährleisten?
Schaffner: Zum Teil hängt dies auch mit den finanziellen Mitteln zusammen. Wollen wir mehr Geld in zusätzliche Kurse investieren, die speziell auf die Integration ausgerichtet sind, oder ist die Angelegenheit politischer? Sollten wir uns nicht fragen, ob die Schweiz ein Interesse daran hat, hochqualifizierte Ausländer als Arbeitskräfte im akademischen Bereich oder in der Industrie im Land zu halten? Wenn wir dies wollen, dann müssen wir in Kurse investieren, die sie für den Schweizer Arbeitsmarkt gut vorbereiten. Als Vertreterin des Sprachenzentrums bin ich der Meinung, dass dies sinnvoll wäre.

Was kann getan werden, um Doktoratsstudierende zu motivieren, ihre Deutschkenntnisse zu perfektionieren?
Schaffner: Dazu braucht es ein grösseres Engagement von den Studierenden als auch den Institutionen.

Vogel: Doktormütter und -väter oder Departementsleitende könnten dies unterstützen. Wenn Doktorierende ihre Karriere in der Schweiz fortsetzen wollen, dann sollten wir sie dabei unterstützen ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, zum Beispiel indem wir ihnen Kurse finanzieren oder die Zeit für einen Kursbesuch zur Verfügung stellen.