Veröffentlicht: 01.07.13
Science

Prototyp für den CO2-Staubsauger

Der ETH-Spin-off Climeworks will klimaschädliches Kohlendioxid aus der Umgebungsluft filtern und zu marktgängigen Preisen an Grossabnehmer wie Treibhäuser verkaufen. Die erste Pilotanlage ist in Betrieb und bis 2014 sollen die Geräte pro Jahr bis zu 1000 Tonnen Kohlendioxid aus der Luft filtern.

Samuel Schläfli
Dieser unscheinbare Kasten neben Climeworks-Gründer Christoph Gebald hat es in sich: Der Prototyp filtert täglich bis zu vier Kilo Kohlendioxid aus der Luft. (Bild: Samuel Schläfli)
Dieser unscheinbare Kasten neben Climeworks-Gründer Christoph Gebald hat es in sich: Der Prototyp filtert täglich bis zu vier Kilo Kohlendioxid aus der Luft. (Bild: Samuel Schläfli) (Grossbild)

Der Zürcher Technopark ist in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Brutstätte für ETH-Spin-offs geworden. Auch Climeworks hat hier mit seinen acht Mitarbeitern, verteilt auf vier Büros, ein unternehmerisches Zuhause gefunden. Das Entwicklungslabor des Jungunternehmens wird derzeit zur Hälfte von einem bulligen, mattsilbernen Kasten beansprucht – dem ersten Prototypen des Climeworks Produkts; einer CO2-Filteranlage. Zwei armdicke, isolierte Schläuche verbinden den Kasten mit zwei Löchern in den Fenstern zum Balkon. Der eine zieht über eine Pumpe Luft von draussen an; der andere bläst sie wieder in die Atmosphäre – dazwischen wird sie von Kohlendioxid (CO2) gereinigt.

Lediglich 0,04 Prozent der Umgebungsluft sind CO2, das vor allem bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entsteht und hauptsächlich für den vom Mensch versursachten Klimawandel verantwortlich ist. Das Kohlendioxid wird beim Climeworks-Prototypen von einem neuartigen Filtrationsmaterial chemisch an die Oberfläche gebunden (adsorbiert). Sobald der Filter gesättigt ist, wird das Gas durch Erwärmen auf 90 °C wieder vom Filter gelöst. Das Ergebnis: Kohlendioxid mit einer Reinheit von 99 Prozent. Im Prototypen stecken beinahe 15 Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit: Zehn Jahre Grundlagenforschung von Professor Aldo Steinfeld am ETH-Institut für Energietechnik sowie vier weitere Jahre Entwicklung seiner beiden Doktoranden und Climeworks-Gründer Jan Wurzbacher und Christoph Gebald.

Für höheren Durchsatz optimiert

«Der grösste Entwicklungsschritt liegt nun hinter uns», sagt Gebald. «Im Labor konnten wir lange Zeit nur wenige Gramm CO2 aus der Luft gewinnen. Heute adsorbiert unser Prototyp bis zu vier Kilogramm am Tag.» Innerhalb von vier Jahren gelang es Climeworks, das System um einen Faktor von 1000 zu skalieren. Die neusten Messdaten zeigten, dass der aktuelle Prototyp grosse Fortschritte gemacht habe bezogen auf das Systemdesign und die Effizienz, erzählt Gebald.

Das Geschäftsmodell von Climeworks basiert nicht, wie bei anderen Cleantech-Start-ups, auf Klimakompensationszahlungen für die CO2-Abscheidung. Vielmehr soll das Unternehmen seine Gewinne aus dem Verkauf des Gases an Grossverbraucher ziehen, zum Beispiel an Treibhäuser. Weil Pflanzen für ihr Wachstum CO2 in ihre Biomasse einlagern, sinkt die Konzentration in der Umgebungsluft und muss laufend neu zugeführt werden. Studien haben gezeigt, dass der Ertrag dadurch bis zu 30 Prozent höher ausfällt. Derzeit plant Climeworks deshalb eine erste CO2-Adsorptionsanlage für ein vier Hektar grosses Gewächshaus. Der Vorteil für den Kunden: Er muss das CO2 nicht mehr von weit weg herankarren, sondern produziert es gleich vor Ort.

Eine Frage des CO2-Preises

Das muss sich jedoch rechnen: Der CO2-Preis für Europa liegt derzeit bei durchschnittlich 100 Franken pro Tonne. Er fluktuiert jedoch stark, weil 80 Prozent des weltweit gehandelten CO2 als Nebenprodukt bei der Ammoniak-Produktion anfallen und sich der Preis am Hauptprodukt orientiert. Zugleich hängt er stark vom Transportweg ab. Bei der Pilotanlage im Labor seien die Kosten pro Tonne CO2 derzeit noch «um viele Grössenordnungen» höher, wie Gebald sagt. Schliesslich handelt es sich noch um eine Einzelanfertigung. Doch das soll sich bald ändern: «Wir verfolgen ein modulares Konzept», erklärt Gebald. Zukünftige industrielle Anlagen sollen dann aus einer Vielzahl von Einzelgeräten zusammengestellt sein. Dadurch lassen sich die Module standardisiert und in hoher Stückzahl produzieren, womit die Kosten pro Einheit sinken.

Entsprechend wird die Anlage für das Gewächshaus aus zwanzig miteinander gekoppelten Geräten aufgebaut. Ab Anfang 2014 soll sie 1000 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft filtern. Ob dies gelingt, ist insbesondere von den Energiekosten für den Betrieb der Anlage abhängig. Vor allem das Ablösen des CO2 bei 90°C benötigt viel Niedertemperatur-Wärme. Demgegenüber macht der Strom zum Antrieb der Pumpe und Steuerung lediglich fünf Prozent des Gesamtenergieverbrauchs aus. Eigentlich wäre der Betrieb der Anlage über Sonnenenergie die eleganteste Lösung. Sie kommt aus Kostengründen in nördlichen Breiten jedoch nicht in Frage. Deshalb prüft Climeworks derzeit die Optionen Fremdwärme von Kehrichtverbrennungsanlagen sowie die Wärmekraftkopplung bei Blockheizkraftwerken.

Die Sonne im Tank

Längerfristig peilt Climeworks jedoch einen komplett anderen Markt an: CO2 kann zusammen mit Wasserstoff zu Syngas synthetisiert werden (siehe Artikel ETH Life). Dieses ist wiederum die Basis für die Produktion von Kerosin, Benzin und Diesel. Idealerweise kommt die Energie dafür von der Sonne, womit sich Sonnenergie in Form von Flüssigtreibstoffen speichern liesse. Darüber würde das global bereits emittierte CO2 zwar nicht gesenkt, könnte aber in einem Kreislauf gehalten werden. Das Problem: Für die Syngas-Umwandlung zu flüssigen Treibstoffen ist eine Raffinerie nötig. Eine solche ist jedoch erst ab einer bestimmten Grösse rentabel. «Wir sprechen da von Investitionen in der Höhe von mehreren hundert Millionen bis Milliarden; also nicht von Projekten, die ein kleiner Spin-off tragen könnte», sagt Gebald. Der Weg dorthin sei also noch weit.