Veröffentlicht: 27.09.13
Science

Die Zeit läuft uns davon

Am neuen IPCC-Klimabericht haben eine Reihe von ETH-Wissenschaftlern massgeblich mitgearbeitet. Der Bericht bestätigt seine Vorgängerausgaben, warnt aber deutlich wie nie zuvor: Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, läuft uns die Zeit davon.

Fabio Bergamin
So sagt der IPCC die Temperaturänderung bis im Jahr 2100 in einem pessimistischen Szenario voraus (globale Erwärmung um knapp fünf Grad). (Illustration: IPCC Assessment Report 5, 2013)
So sagt der IPCC die Temperaturänderung bis im Jahr 2100 in einem pessimistischen Szenario voraus (globale Erwärmung um knapp fünf Grad). (Illustration: IPCC Assessment Report 5, 2013) (Grossbild)

Der Klimaausschuss der Uno, der IPCC, veröffentlichte heute den ersten Teil seines neuen Sachstandsberichts zum Klimawandel. Eines der wohl bedeutendsten Ergebnisse darin: Die Wissenschaftler sind sich in den letzten Jahren sicherer geworden, dass mindestens die Hälfte der beobachteten Klimaerwärmung vom Menschen verursacht wurde. Im letzten Bericht von 2007 war noch die Rede davon, dass dies «sehr wahrscheinlich» sei. Nun schreiben die Autoren, dies sei «extrem wahrscheinlich». Damit stufen sie die Wahrscheinlichkeit von 90 auf 95 Prozent hoch. Ein anderes wichtiges Ergebnis: Das Treibhausgas CO2 verbleibt während mehreren Jahrhunderten in der Atmosphäre. Und die Menschheit hat schon so grosse Mengen Treibhausgase emittiert, dass die Zeit langsam knapp wird, um das viel diskutierte Zwei-Grad-Ziel überhaupt noch erreichen zu können (siehe auch das Interview mit ETH-Professor Reto Knutti).

Der Bericht bestätigt ausserdem viele Feststellungen des letzten Reports vor sechs Jahren. Da und dort sind sich die Autoren in ihren Aussagen sicherer, weil sie sich auf zusätzliche Beobachtungsdaten stützen können. Und von gewissen Teilbereichen der Klimaforschung, die Wissenschaftler vorher nur bruchstückhaft verstanden, können sie nun ein vollständigeres Bild zeichnen. Im Grossen und Ganzen steht im Bericht gegenüber dem Vorgängerbericht wenig Neues.

Nach Ansicht von Klimaexperten ist dies positiv zu werten. «Die Kontinuität ist ein Ausdruck davon, dass wir uns in der Klimaforschung in den Grundlagen sicher sind. Es wäre erschreckend, wenn in jedem IPCC-Bericht etwas anderes stehen würde», sagt Reto Knutti, Professor für Klimaphysik. Ausserdem sei es nicht das Ziel des Berichts, mit neuen, unveröffentlichten Forschungsresultaten aufzuwarten. Beim IPCC-Bericht handelt es sich um eine aktuelle wissenschaftliche Zusammenfassung des bestehenden Wissens. Die Autorenschaft liess das Wissen aus mehr als 9200 Fachpublikationen in den Bericht einfliessen.

Kurzfristige und lokale Prognosen schwierig

Während es in der Klimamodellierung in früheren Jahren vor allem darum ging, langfristige und globale Klimaprognosen zu erstellen, ist eine bedeutende Stossrichtung der letzten Jahre, auch kurzfristige und lokale Aussagen zu machen. Dies ist allerdings viel schwieriger, denn das Klima ist natürlichen Fluktuationen unterworfen, worauf auch der neue Bericht hinweist. «Wenn man Zeitskalen kürzer als 15 oder 20 Jahre oder kleinräumige Dimensionen betrachtet, dann können die natürlichen Fluktuationen die Klimaveränderung maskieren», sagt Christoph Schär, Professor am Institut für Atmosphäre und Klima. Je länger die Zeitskalen und je grösser die Räume hingegen, desto eher glichen sich die kurzfristigen Ausreisser nach oben und unten gegenseitig aus.

Dank besserer Modelle und einem genaueren Verständnis des Klimasystems könne man heute die natürliche Variabilität besser vom Klimawandel abgrenzen, sagt Schär. Und es gebe neue theoretische Arbeiten, laut denen die Klimavariabilität mindestens teilweise voraussagbar sei. In Zukunft dürfte es daher möglich sein, die Lücke zwischen den sehr kurzfristigen Wetterprognosen und den langfristigen Klimaprognosen zu schliessen und Aussagen über das Klima in den kommenden Jahren zu machen. Solche Modelle sind allerdings noch nicht ausgereift, daher sind im neuen IPCC-Bericht keine aktuellen kurzfristigen Prognosen enthalten.

Zum ersten Mal enthält der Bericht hingegen einen Atlas, in dem für alle Regionen die Klimakarten für Temperatur und Niederschlag gezeigt werden. Möglich ist dies, weil die Klimamodelle zunehmend eine höhere räumliche Auflösung haben. «Im letzten Bericht rechneten nur 2 von 23 verwendeten Klimamodellen mit einer Auflösung von kleiner als 170 Kilometern, beim neuen Bericht sind es knapp die Hälfte aller Modelle», sagt Schär.

ETH-Wissenschaftler massgeblich beteiligt

Am naturwissenschaftlich-physikalischen Teilbericht, der heute veröffentlicht wurde, haben mehr als 800 Wissenschaftler aus aller Welt gearbeitet. Forschende der ETH Zürich sind darunter prominent vertreten. So verantwortete Reto Knutti, Professor für Klimaphysik, als «Coordinating Lead Author» das Kapitel zu den Langzeitprognosen des Klimawandels. Als «Lead Authors» sind neben Christoph Schär die ETH-Professoren und -Professorinnen Jürg Beer, Ulrike Lohmann, Konrad Steffen und Martin Wild beteiligt. Weitere fünf ETH-Wissenschaftler – Professoren und Forscher aus dem akademischen Mittelbau – haben als «Contributing Authors» am Bericht mitgearbeitet.

Die weiteren Teilberichte, bei denen es einerseits um die Auswirkungen des Klimawandels und andererseits um die Möglichkeiten geht, ihn abzuschwächen, folgen nächstes Jahr im März und April. Im Oktober 2014 schliesslich wird der Schlussbericht veröffentlicht werden.

ETH-Klimarunde 2013

Die elf Klimaforscherinnen und -forscher der ETH Zürich, die am ersten Teil des fünften IPCC-Klimaberichts mitgearbeitet haben, stehen der Öffentlichkeit am Donnerstag, 3. Oktober, Red und Antwort. An der ETH-Klimarunde 2013 thematisieren sie gemeinsam mit Expertinnen und Experten anderer Institutionen die brennendsten Fragen rund um den Klimabericht an Tischgesprächen, Vorträgen und einer Podiumsdiskussion. Die Anmeldung ist kostenlos, die Teilnehmerzahl jedoch beschränkt. Bitte registrieren Sie sich bis am 30. September.