Veröffentlicht: 07.01.08
IODP-Forschungsbohrung

Bohrung für Tsunami- und Erdbebenforschung

Zwei Schweizer Wissenschaftler nehmen an der Forschungsbohrung in die sogenannte Nankai Trog Subduktionszone vor der Ostküste Japans teil. Sie werden in den kommenden Wochen direkt von Bord des Forschungsschiffs Chikyu über eine der ambitioniertesten und spektakulärsten Forschungsbohrungen in der Geschichte des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) berichten.

Simone Ulmer
Ein Schnitt durch die Nankai Trog Subduktionszone zeigt den Verlauf der Störung und die geplanten Bohrpunkte. (Graphik: JAMSTEC/IODP)
Ein Schnitt durch die Nankai Trog Subduktionszone zeigt den Verlauf der Störung und die geplanten Bohrpunkte. (Graphik: JAMSTEC/IODP) (Grossbild)

An der Nankai Trog Subduktionszone vor der Ostküste Japans schiebt sich die Philippinische Platte des Pazifiks unter die kontinentale Platte Eurasiens. Dabei können sich die tektonischen Platten ineinander verhaken und Spannungen aufbauen. Lösen sich solche Spannungen plötzlich und ruckartig, entstehen Erdbeben. Durchschnittlich kommt es in der Region alle 90 bis 150 Jahre zu Erdbeben mit einer Stärke grösser acht. Derartig starke Beben können verheerende Tsunamis auslösen, wie dies zuletzt im Jahre 1944 geschah. Damals forderte das Beben, das einen Tsunami erzeugte, über tausend Menschenleben. Mit dem nächsten starken Beben wird Mitte dieses Jahrhunderts gerechnet. Nun bohrt das Japanische Forschungsschiff Chikyu im Rahmen des Integrated Ocean Drilling Program (IODP), einem internationalen marinen Forschungsprogramm, erstmals in die sogenannte seismogene Zone einer Subduktionszone, dem Nankai Trog. Die seimogene Zone ist der Bereich, in dem die Erdbeben generiert werden.

Schweizer Forscher an Bord des Forschungsschiffs

An Bord der Chikyu befinden sich seit September permanent bis zu 25 internationale Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen. Sie werden alle acht Wochen ausgetauscht. Im Dezember gingen zwei Schweizer Forscher an Bord. France Girault, eine Doktorandin des Departements für Erdwissenschaften der ETH Zürich, und Michael Strasser, ein Geologe, der vor kurzem an der ETH Zürich seine Promotion abgeschlossen hat und nun mit einem Stipendium des Schweizer Nationalfonds als Postdoc am Forschungszentrum für Ozeanränder der Universität Bremen arbeitet.

Das Ziel der Forschungsbohrungen ist, über die Erfassung physikalischer und sedimentologischer Parameter einen tieferen Einblick in die Prozesse zu erhalten, die für die Entstehung von Erdbeben und Tsunamis an Subduktionszonen verantwortlich sind. Dies ist insofern von grosser Bedeutung, da neunzig Prozent der weltweit durch Erdbeben freigesetzten Energie an Subduktionszonen erzeugt wird.

Spezielle Instrumente, die in den Folgeexpeditionen in zwei der insgesamt sechs Bohrlöcher installiert werden, sollen zudem dereinst das permanente Messen, beispielsweise des Drucks und der Temperatur im Bereich der seismogenen Zone, ermöglichen. Die Online-Überwachung könnte somit zu besseren Prognosen für zu erwartende Erdbeben führen.

Erste Forschungsausfahrt der Chikyu

Die Chikyu stach am 21. September für das auf den Namen „The Nankai Trough Seismogenic Zone Experiment“ (NanTroSEIZE) getaufte Projekt in See. Es ist die erste Forschungsausfahrt der Chikyu. Das in Japan gebaute Schiff ist ähnlich konstruiert wie die Bohrschiffe der Ölindustrie. Es ist deshalb das erste Forschungsschiff, das in der Lage ist, auch in der Tiefsee mehrere tausend Meter tief in Sedimente zu bohren, die unter hohem Gas- oder Flüssigkeitsdruck stehen. Im Zuge des NanTroSEIZE – Projekts ist geplant, bis zu 6000 Metern in den Ozeanboden zu bohren.

Zu Beginn der Fahrt wurden mehrere Bohrungen durchgeführt, bei denen lediglich physikalische Eigenschaften, wie etwa die Dichte des Gesteins und die Ausbreitungsgeschwindigkeit der seismischen Wellen gemessen wurden. Im nächsten Schritt werden nun die Sedimentkerne erbohrt, über die einerseits Aufschlüsse über die sedimentologischen und tektonischen Begebenheiten erhalten werden und andererseits Mikrofossilien aus den Sedimenten extrahiert und bestimmt werden, die die Altersdatierung der Sedimente ermöglichen. Letzteres wird für die nächsten zwei Monate die Aufgabe von France Girault sein. Sie wurde am 19. Dezember mit dem Helikopter auf die Chikyu vor der Küste Japans eingeflogen und untersucht nun bis zum 5. Februar mit einer weiteren Paläontologin im Schichtbetrieb rund um die Uhr alle Sedimentkerne, die während dieser Zeit vom Bohrturm an die Oberfläche befördert werden, auf ihren Mikrofossil-Inhalt.

Glücklicher Zufall

An einer derartigen Forschungsfahrt teilzunehmen sei ein Traum von ihr, seit sie vor etwa vier Jahren einen Vortrag von Michael Strasser gehört habe. Er habe sie damals mit seinen Schilderungen über eine Ausfahrt auf dem Forschungsschiff „Joides Resolution“ vor der Küste von Costa Rica begeistert, erklärt Girault. Als glücklichen Zufall sehen es nun beide an, dass sie gemeinsam auf der Chikyu mitfahren. Die Tatsache, dass von den internationalen Wissenschaftlern an Bord nur 7 Europäer sind und davon nun zwei Schweizer, ist eine kleine Sensation.

Girault sieht die Fahrt als grosse Chance, sich mit einer internationalen und interdisziplinären Forschergemeinschaft austauschen zu können. Eine derartige Gelegenheit gebe es nur selten. Die grosse Verantwortung würde ihr viel an Erfahrung bringen und man würde dabei lernen, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Das grösste Problem sieht sie in dem zweimonatigen Aufenthalt auf einem Schiff, bei dem das gewohnte Leben in den Hintergrund tritt.

Michael Strasser wird mit drei weiteren Forschern für die Beschreibung der Sedimente zuständig sein. Er ist vor allem gespannt darauf, wie diese aussehen werden. Denn eine der Bohrungen soll Sedimente von der Stelle zu Tage fördern, an der die Sedimentbedeckung der ozeanischen Platte unter das Sedimentpaket der kontinentalen Platte geschoben wird. „Es bestehen zwar gute Vorstellungen, wie diese aussehen sollen, aber wirklich gesehen hat man sie aus diesem Bereich noch nie“.

Entstehung von Tsunamis erforschen

Das Projekt soll bis spätestens 2013 abgeschlossen sein. Bis dahin wird es jährlich mehr als 100 Millionen Dollar verschlingen. An die Daten, die währenddessen gewonnen werden, knüpfen die Forscher grosse Erwartungen. Strasser hofft für seine persönliche Forschungsarbeit an Bord vor allem auf neue Erkenntnisse über die Gegebenheiten an der sogenannten „Megasplay-Bruchzone“, einer Art Abzweigung von der Hauptstörungszone. Diese Abzweigung, in die direkt hineingebohrt werden wird, verläuft von der Tiefe der Subduktionszone bis zur Oberfläche des Meeresgrunds. Entlang dieser können somit die Energie, Gase und Flüssigkeiten, die bei einem Erdbeben mobilisiert werden, bis an die Oberfläche des Meeresbodens gelangen, erklärt Strasser. Es würde deshalb vermutet, dass derartige Bedingungen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Tsunamis spielen. Eine solche Störungszone befindet sich auch vor Sumatra und führte an Weihnachten 2004 zu dem verheerenden Seebeben und Tsunami, welche zehntausende von Menschen in den Tod rissen. Die genauen Kenntnisse der Prozesse, die zu derart katastrophalen Ereignissen führen, könnten somit einen bedeuteten Fortschritt in der Tsunami-Forschung und- Vorhersage bringen.

Bis es aber soweit sein wird, sind noch einige Hindernisse zu nehmen. Denn nicht nur das Bohren tief in den Meeresgrund, in zum Teil bis zu 4000 Metern Wassertiefe, ist besonders aufwändig. Um beispielsweise zu verhindern, dass das Schiff während eines Bohrvorgangs durch die Strömung abgetrieben wird, braucht es spezielle „Seitenstrahler“. Diese würden über das Global Positioning System gesteuert, erklärt Strasser. Anscheinend gebe es da aber hin und wieder Pannen, wodurch das Schiff erst vor kurzem dazu gezwungen wurde, teures Equipment am Ozeangrund zurückzucklassen.

Über die Ereignisse auf der Chikyu werden Girault und Strasser während ihres Aufenthalts auf dem Schiff in den kommenden Wochen in ETH life berichten.

 
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