Veröffentlicht: 27.03.08
Olympische Spiele 2010 in Vancouver

Die Wissenschaft des Bob-Fahrens

Der Schweizerische Bobverband hat sich mit der ETH Zürich und mehreren Industriepartnern mit dem Ziel zusammengetan, den Siegerbob für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver zu bauen. Das dazu im Jahr 2007 lancierte Projekt „CITIUS“ hat sich damit hohe Ziele gesteckt, die in einem engen Zeitrahmen erreicht werden müssen. Alle Beteiligten zeigten sich jedoch auf dem „Challenge Event“ vor Ostern äusserst engagiert und ideenreich.

Simone Ulmer
An den Olympischen Spielen in Vancouver im Jahr 2010 soll der Schweizer Bob der schnellste sein. Dies ist das Ziel von CITIUS, an dem rund zwanzig Wissenschaftler und Entwickler mitarbeiten.
An den Olympischen Spielen in Vancouver im Jahr 2010 soll der Schweizer Bob der schnellste sein. Dies ist das Ziel von CITIUS, an dem rund zwanzig Wissenschaftler und Entwickler mitarbeiten. (Grossbild)

CITIUS, steht für schneller; abgeleitet vom Leitspruch der Olympischen Spiele seit 1894 „Citius, altius, fortius“, was schneller, höher, stärker heisst. Und das ist klar, schneller wollen die Schweizer Athletinnen und Athleten sein. Doch schneller alleine reicht nicht, sie wollen die Schnellsten sein. Das Ziel der rund zwanzig Wissenschaftler und Entwickler ist deshalb, den Siegerbob für die Athletinnen und Athleten zu bauen – sowohl den Zweier- als auch den Viererbob.

Ein Bob allein macht keinen Sieg

Erstmals waren beim halbjährlich stattfindenden Treffen neben den Forschern und den Industrievertretern auch die Athletinnen und Athleten dabei. Dass es wichtig ist auch ihre Anliegen und Ideen zu berücksichtigen, zeigten ihre Anregungen und Bedenken, die bei den Wissenschaftlern und Entwicklern auf Gehör stiessen und ernst genommen wurden. Einmal mehr wurde dabei aber auch klar, dass nicht nur das Material über einen Sieg entscheidet, sondern vor allem auch die Mannschaft. Wie der Bob selbst, entscheidet auch der Start mit dem Anlaufnehmen und die Lenkung des Schlittens in einer Sportart, in der es um Hundertstelsekunden geht, über Sieg oder Niederlage.

Projektleiter ist Robert Fürer, von Fürer Partner Advocaten, wobei die Produktentwicklung in Teilprojekten durch Wissenschaftler und Industrie von Christian Reich, erfahrener Bobbauer und einer der erfolgreichsten Schweizer Bobfahrer zwischen 1997 und 2002, und Ulrich Suter, Professor am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich koordiniert und geleitet werden. In den einzelnen Projekten werden von Spezialisten Probleme bei den Kufen, bei der Kinematik und der Aerodynamik behandelt.

Bei den Kufen kümmern sich die Teams von Nicholas Spencer und Pavel Hora, Professoren am Departement Materialwissenschaft und am Institut für mechanische Systeme, zusammen mit den Firmen sia Abrasives, GK Formenbau AG und Indrohag um die Oberflächenbeschaffenheit und Form der Kufen. Dabei müssen sie sich jedoch immer in den engen Vorgaben der technischen Regelung des Internationalen Bobverbands (FIBT) bewegen. Diese gibt es übrigens für die Gesamtkonstruktion eines Bobs. Das heisst beispielsweise für die Kufen-Bauer, dass ein ganz bestimmter Stahl verwendet werden muss, dessen Verarbeitung sehr stark eingeschränkt ist. Die Forscher und Entwickler möchten aus dem vorgegeben Rahmen das Maximale herausholen. Dabei gilt es das Gleitverhalten und Steuerverhalten des Bobs und die Interaktion zwischen Eis und Kufen möglichst genau zu kennen. Die Kufen sollen beispielsweise so konstruiert werden, dass sich möglichst rasch ein Gleitfilm aus Schmelzwasser bildet, der die Reibungskräfte vermindert.

Leicht und doch stabil

Die Teams für Kinematik unter der Leitung von Christoph Glocker und Paolo Ermanni, Professoren am Institut für mechanische Systeme, arbeiten eng mit dem Schweizer Bob-Verband und den Firmen Bucher-Guyer, Quadrant, Sika und Indrohag zusammen. Sie sind dafür zuständig nach geeigneten Materialien zu suchen und den Bob-Schlitten, das Stahlfahrwerk und das Chassis, derart zu konstruieren, dass das Gesamtsystem optimal ist. Eine der Herausforderungen an die beiden Kinematik-Teams ist, die Hülle so zu bauen, dass sie möglichst leicht und dennoch stabil ist. Denn so sollen auf der rund 1500 Meter langen Olympia Bobbahn „Whistler“ in Vancouver weit über 150 Stundenkilometer erreicht werden können. Bei zwei Unfällen auf der Whistler-Bahn in der vergangenen Saison wurde einer der beiden Schlitten komplett zerstört, erzählte Christian Reich.

Das Team Aerodynamik unter der Leitung von Patrick Jenny, Professor am Institut für Fluiddynamik der ETH Zürich sucht gemeinsam mit den Industriepartnern nach Möglichkeiten den Widerstand des Bobs maximal zu minimieren. Dabei nutzen sie die Erkenntnisse, die beispielsweise bei verschiedenen Fahrten auf der Bobbahn von St. Moritz gesammelt wurden. Die Strömung wurde dabei im Eiskanal mit Hilfe einfacher Wollfäden beobachtet und rekonstruiert. Auf den Daten basierende Computersimulationen zeigten, dass von der Nase des Bobs und dem Helm des ersten Fahrers der Haupt-Luftwiderstand ausgeht. Entsprechend sollen Hülle und Design optimiert werden, aber auch hier sind durch den FIBT Grenzen gesetzt.

Der Countdown läuft

Thomas Kern von einem der Kinematik-Teams stellte am Challenge Event den Masterplan vor. „Es sind noch genau 690 Tage bis zur Winterolympiade 2010 – wenig Zeit für das ambitionierte Projekt“, erklärte Kern. In diesen Tagen müssen nicht nur die schnellsten und zuverlässigsten Bobs gebaut werden, die die Athletinnen und Athleten überzeugen, sondern auch das Vertrauen der Sportler gewonnen werden. Beides scheint, trotz des engen Zeitplans, auf einem guten Weg zu sein.

 
Leserkommentare: