Veröffentlicht: 19.11.08
Energie-Effizienz

Nachtschicht für die Nachhaltigkeit

Was kann die ETH tun, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern? Mit dieser Frage beschäftigten sich über 100 Teilnehmer eines aussergewöhnlich intensiven Workshops: Vom 13. auf den 14. November sammelten Studierende und Forschende der ETH an einem 24-Stunden-Nonstop-Brainstorming neue Ideen, um die Energie-Effizienz zu steigern. Die besten Projekte wurden prämiert – und sollen in die Praxis umgesetzt werden.

Beat Grossrieder
David Wettstein von der Stiftung ''myclimate'' (rechts) überreicht einer Teilnehmergruppe einen Preis.
David Wettstein von der Stiftung ''myclimate'' (rechts) überreicht einer Teilnehmergruppe einen Preis. (Grossbild)

Die ETH Zürich verbraucht enorme Mengen an Ressourcen“, heisst es im ETH-Umweltbericht 2007. Diese Aussage ist verständlich, zählt der Grossbetrieb doch rund 20'000 Personen und weist eine Energiebezugsfläche (EBF) von gut 580'000 Quadratmetern auf. Die EBF umfasst die Bodenfläche aller beheizten Räume in über zwanzig Gebäuden. Die Hochschule müsse konsequent versuchen, Ressourcen zu schonen und Stoffkreisläufe zu schliessen, folgert der Bericht. Ziel der Massnahmen sei es, „den ökologischen Fussabdruck der ETH weiter zu verkleinern“.

Wie die Hochschule diese Aufgabe meistern kann, stand im Zentrum einer aussergewöhnlichen Veranstaltung, die am 13. und 14. November stattfand. Im Rahmen der neugegründeten, digitalen ETH-Plattform „ecoworks“ trafen sich rund 110 Studierende, Mitarbeitende und Externe, um in einem 24-stündigen Workshop neue Ansätzen zur CO2-Reduktion auszutüfteln. Die Plattform dient dazu, direkte oder indirekte CO2-Emissionen an der ETH und im Umfeld der ETH-Angehörigen zu reduzieren. Der Workshop war der offizielle Startschuss der "ecoworks"-Aktivitäten.

Umweltsünden auf der Spur

„Die Teilnehmer waren top motiviert und arbeiteten zum Teil bis weit in die Nacht hinein“, sagte Martin Räber, Co-Leiter von „ecoworks“. Der Tagungsort war eine mit Sitzkissen und Stellwänden möblierte Industriehalle, in der sich eine kreative Laboratmosphäre ausbreiten konnte. Räber selbst, ETH-Ingenieur mit Fortbildungen in Management, Gesprächsführung und Psychologie, wies kurz vor Ende des Workshops am Freitag Nachmittag etwas glasige Augen auf; während des Mega-Brainstormings hatte er nur fünf Stunden geschlafen. Die meisten Teilnehmer seien im Verlauf der Nacht für ein paar Stunden nach Hause gegangen, sagte Räber, einzelne hätten sich auch in den Ruheraum im Nebengebäude zurückgezogen. „Es hat sich gelohnt, wir haben einen Samen gesät, aus dem etwas Nachhaltiges entstehen kann“, bilanzierte der 39-Jährige. Es sei gut möglich, dass der Workshop in ein oder zwei Jahren wiederholt werde. Für das "ecoworks"-Programm hat Räber zusammen mit ETH Ingenieur Marc Vogt die Spin-off-Firma "eartheffect" gegründet.

Aufgeteilt in 17 Projektgruppen, durchleuchteten die Teilnehmer den ETH-Alltag nach Umweltsünden und skizzierten Ansätze, wie diese zu vermeiden wären. Die Palette reichte von Verhaltenstipps wie dem „Eco-Paparazzi“ (einem Internet-Pranger zur Aufdeckung von Energieverschleuderung) über bauliche Massnahmen (Wärmetauscher, Wind- und Sonnenenergie) bis hin zu technischen Tricks wie dem verbesserten Ausschalten des Standbymodus bei Geräten. Drei Projekte wurden mit Preisen in Form von Reka-Checks gewürdigt, zudem will „ecoworks“ versuchen, die Ideen weiter auszureifen und in die Praxis umzusetzen.

Bewusster drucken, reisen und essen

Prämiert wurde der Vorschlag, die Ökobilanz des Druckersystems an der ETH zu verbessern. Rund 4000 Blatt Papier druckt jeder ETH-Angehörige durchschnittlich pro Jahr aus – mit dem doppelseitigen Drucken oder dem Weglassen von unnötigen Prints liessen sich jährlich rund 150'000 Franken und einige Tonnen CO2 einsparen, berechnete das Projektteam. Ein zweites Siegerprojekt ist „Trainforplane“, ein Instrument zur Reduktion der Flugreisen der ETH-Mitarbeitenden. Die Flugreisebuchung ist an der Hochschule nicht zentral, sondern nach Departementen organisiert. Ein konsequentes Management könnte vor jeder Buchung aufzeigen, welche Alternativen bestehen (z.B. Bahnfahrt oder Videokonferenz), und damit den CO2-Ausstoss massiv senken.

Ein weiteres Siegerprojekt heisst „eat less CO2“ und beschäftigt sich mit der Optimierung der Nahrungsmittelkette: Rund ein Drittel der Esswaren lässt unsere Gesellschaft verderben, zirka 15 Prozent des gesamten Energieverbrauchs geht aufs Konto der Nahrungszubereitung. Eine haushälterische Planung und die konsequente Verwendung lokaler Produkte, vor allem beim Fleisch, würde den CO2-Ausstoss um etliche Tonnen reduzieren.

2000-Watt-Gesellschaft als Ziel

So klein solche Einsparungen im Einzelnen sind; in der Gesamtheit machen sie durchaus Sinn: 1050 Watt – soviel Energie benötigt jeder Forschungs- und Studienplatz an der ETH durchschnittlich pro Jahr. Das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft liegt damit praktisch ausser Reichweite, zählt man den privaten Bereich auch noch hinzu. Zudem ist bei den 1050 Watt nur die für Gebäude und Anlagen benötigte Energie (Wärme und Strom) berücksichtigt, der Ressourcenverbrauch für Pendlerfahrten und Dienstreisen (vor allem Flüge) käme noch hinzu.

Insgesamt 24'700 Tonnen CO2 verursachte die ETH 2007, womit erstmals die Zielvorgaben des Kyoto-Protokolls eingehalten wurden. Zum Vergleich: In der ganzen Schweiz werden heute rund 40 Millionen Tonnen CO2 ausgestossen. Umgerechnet auf die rund 16'000 Mitarbeitenden und Studierenden (Vollzeitäquivalente), stösst die ETH rund 1,5 Tonnen des Treibhausgases pro Jahr und Kopf aus. Dabei fordert die Energiestrategie der ETH, so steht es im Umweltbericht 2007, „dass im Durchschnitt jeder Erdenbürger pro Jahr nicht mehr als eine Tonne CO2 verursacht“. Derzeit liegt der Pro-Kopf-Ausstoss in der Schweiz bei neun Tonnen im Jahr.

RUMBA und andere Massnahmen

Um ihren eigenen Ausstoss zu senken, hat die ETH längst die Weichen gestellt: In ihrem Umweltleitbild bekennt sich die Hochschule „zu einer integralen Verantwortung gegenüber der Umwelt“. Dabei strebe sie in Lehre und Forschung eine weltweite Spitzenrolle an und folge den Prinzipien des Programms RUMBA (Ressourcen- und Umweltmanagement in der Bundesverwaltung), das an der ETH seit 2005 umgesetzt wird. Denn um Energie einzusparen, müssten alle am selben Strick ziehen – konkret: „Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter verhält sich umweltgerecht“, heisst es im ETH-Umweltleitbild.

 
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