Veröffentlicht: 23.12.08
Fokusprojekt

Autonom über den Atlantik

Acht Maschinenbau-Studenten haben sich etwas Grosses vorgenommen: In ihrem Studienprojekt konstruieren sie ein Segelboot, das von einem Roboter gesteuert autonom über den Atlantik segeln soll.

Peter Rüegg
Das SSA-Team von links nach rechts: Hendrik Erckens, Patrick Schwizer, Gion-Andri Büsser, Stefan Wismer, Jürg Weber, Lian Giger, Patrick Moser. Nicht auf dem Bild ist Sebastian Böhl.
Das SSA-Team von links nach rechts: Hendrik Erckens, Patrick Schwizer, Gion-Andri Büsser, Stefan Wismer, Jürg Weber, Lian Giger, Patrick Moser. Nicht auf dem Bild ist Sebastian Böhl. (Grossbild)

An Stellwänden in der Werkstatt LCE hängen Konstruktionspläne, die verschiedene Ansichten eines Segelboots zeigen. Und auf dem Tisch steht ein Modell, das sich auch als Spielzeug in einer Badewanne gut machen würde. Doch den sieben von acht Maschinenbaustudenten, die an einem Vorweihnachtsfreitag in der Werkstatt an der Leonardstrasse versammelt sind, ist es nicht zum Spielen zumute. Spätestens im Frühsommer 2009 soll der Plan in ein vier Meter langes, maximal 500 Kilogramm schweres hochseetüchtiges Segelboot umgesetzt sein. Dieses Boot soll autonom und unbemannt von Irland in die Karibik segeln und in drei bis vier Monaten insgesamt 7000 Kilometer zurücklegen. Das wäre ein Weltrekord.

Mit Hightech gegen Urgewalten

Auf das Boot wartet eine grosse Herausforderung. Stürme, hohe Wellen, starke Sonnenstrahlung, aggressives Salzwasser – alles Dinge, die die Studenten in ihre Planung, Konzeption und Umsetzung einbeziehen müssen. Das Segelboot wird ein Hightech-Produkt sein.

Das Deck wird mit Solarzellen versehen, die Strom liefern für die Bordelektronik, die Kommunikation mit dem Satelliten, die Steuerung der Ruder und des Segels. Brennstoffzellen sollen die Stromversorgung absichern. Diese werden dann zugeschaltet, wenn die Solarpanels keinen Strom liefern und die Batterie erschöpft ist. 50 Kilo Methanol, so haben die Studierenden ausgerechnet, sollten für die drei bis vier Monate dauernde Überfahrt reichen. Im Idealfall laden die Solarpanels eine Lithium-Mangan-Batterie so stark auf, sodass diese in der Nacht genügend Energie abgeben kann, um das Boot auf Kurs zu halten. Um Gewicht zu sparen haben die Studierenden ihre ursprüngliche Idee, Bleiakkus zu verwenden, verzichtet.

Zahlreiche Sensoren erfassen rund um die Uhr wichtige Parameter, wie Windgeschwindigkeit, Rotation und Lage des Boots. Die Daten werden an einen zentralen Computer, der im Rumpf sitzt, weitergeleitet und ausgewertet, dieser steuert schliesslich auch Stellung von Ruder und Segel.

Leicht und stabil

Der Rumpf muss gleichzeitig sehr stabil und leicht sein. Die Studenten haben sich deshalb entschieden, diesen Bootsteil in Sandwichbauweise aus Glasfasern und PVC-Schaum-Schichten herzustellen. Im Rumpf ist zudem ein Bereich geplant, der den Motor und die Elektronik enthält und absolut wasserfrei bleiben muss. Rigg und Kiel sind aus Kohlefasern gefertigt. Die Kielbombe wird mit 170 kg Blei gefüllt und garantiert, dass sich das Boot von selbst wieder aufrichtet.

Ein Problem ist auch die Kraftübertragung vom Mast auf das Boot. Die Strukturmechanik müsse riesige Kräfte aushalten, sagt Gion-Andri Büsser, der zusammen mit Hendrik Erckens das Projektteam „Studenten Segeln Autonom“ (SSA) leitet. Damit sich keine Leinen verknoten können, haben sie ein unkonventionelles, so genanntes Aerorigg entwickelt, das keinerlei Leinen hat. Das macht das Boot weniger störanfällig und senkt den Energieverbrauch. Zudem wird das Segel automatisch ausgekuppelt, wenn am Rigg zu hohe Torsionskräfte auftreten, die dem Motor schaden könnten.

Bootsbau ist Lehrveranstaltung

Das Projekt kostet rund 120‘000 Franken. Dies sind vor allem Materialkosten. Die Studenten sind denn auch auf Sponsoren aus der Industrie angewiesen und haben bereits die Firma „Sensirion“, einen ETH Spin-off, sowie Accenture, einen internationalen Managementberater, als bisher grösste Unterstützer für ihr Vorhaben begeistern können. Und mit „EVEN AG“ haben die segelbegeisterten Studenten ein Unternehmen zur Seite, welches unter anderem das deutsche America’s Cup-Boot konstruiert hat.

Das SSA-Team arbeitet derzeit permanent unter Hochdruck an ihrem autonomen Segelboot. Müssen sie auch. Der Terminplan ist knapp bemessen. Bereits im März wollen sie ihr Boot am Zürichsee taufen und zum ersten Mal zu Wasser lassen. Im Juni findet in Portugal die WM für autonome Segelboote statt, und voraussichtlich im Herbst 2009 schliesslich wird der Weltrekordversuch in Angriff genommen.

Präsentation Ende Mai 2009

Fokusprojekte stehen Studierenden im dritten Bachelor-Jahr des Maschinenbaustudiums offen. Die Studenten haben ein Jahr lang Zeit, eine Projektidee von Anfang an zu planen, zu konzipieren und umzusetzen. In dieser Zeit haben sie weniger Vorlesungen zu besuchen. Ein Fokusprojekt ist zum Beispiel der Studentenrennwagen „Maloja“, der dieses Jahr erfolgreich an der Formula Student an verschiedenen Wettbewerben teilgenommen hat.

Ziel der Fokusveranstaltung ist nicht ein perfektes Produkt zu erhalten, sondern ein anspruchsvolles Technologieprojekt durchzuführen und den Entwicklungsprozess zu vollziehen, dabei ihr Team zu entwickeln, Hierarchien und Organisation festzulegen und Konflikte zu lösen. „Die Studierenden müssen Lösungen für ihre Probleme selbständig suchen und umsetzen“, sagt Roland Siegwart, Professor für autonome Systeme an der ETH Zürich ,der die Studierenden betreut. Die Studierenden würden jedoch die wichtigen Entscheidungen selbst treffen und müssten auch die Konsequenzen selber tragen.

Weitere Fokus-Projekte, die derzeit laufen, sind „naro“, ein Roboterfisch, der Disney-Copter und das Hybridsportauto „Pegasus“, welches mit neuen Entwicklungen Impulse im Automobilbereich setzen will. Die Projekte werden anlässlich des „Roll out“ am 26. Mai 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt.