Veröffentlicht: 03.02.09
«Student Summit for Sustainability»

Mit Enthusiasmus für eine nachhaltige Zukunft

Am diesjährigen «Student Summit for Sustainability» befassten sich 90 Studenten aus aller Welt während einer Woche mit den ökonomischen und geopolitischen Aspekten der Nachhaltigkeit. Trotz «Peak Oil», Klimawandel und Finanzkrise herrschte unter der nächsten Generation von Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern Aufbruchstimmung.

Samuel Schläfli
Finanzexperte Bernard A. Lietaer von der Universität Berkeley im Gespräch mit den Teilnehmern des vierten «Student Summit for Sustainability» in Kreuzlingen. (alle Bilder: Philipp Hollenstein)
Finanzexperte Bernard A. Lietaer von der Universität Berkeley im Gespräch mit den Teilnehmern des vierten «Student Summit for Sustainability» in Kreuzlingen. (alle Bilder: Philipp Hollenstein) (Grossbild)

Ein Geologe, ein Finanzexperte und ein langjähriger Verfechter der Open Source-Bewegung – die Auswahl der Redner für den fünften Programmtag des «Student Summit for Sustainability» (siehe Kasten) deutete darauf hin, dass das Thema Nachhaltigkeit für einmal ein wenig anders angegangen werden sollte. Von Klimawandel und Naturzerstörung war denn auch wenig zu hören, dafür umso mehr von Geopolitik und Wirtschaft. «Wir haben uns am diesjährigen Summit bewusst für eine Auseinandersetzung mit den ökonomischen und politischen Aspekten der Nachhaltigkeit entschieden. Wir wollen nicht nur die Symptome von unnachhaltigem Verhalten diskutieren, sondern vor allem die Ursachen dafür», erklärte Pascal Mages, ETH-Student der Umweltnaturwissenschaften und Mitorganisator des Summits, am vergangenen Freitag.

Auch Software kann nachhaltig sein

Der erste Teil des Summits hatte an der ETH Zürich in Kooperation mit dem Jahrestreffen der «Alliance for Global Sustainability» (siehe ETH Life Artikel) stattgefunden. Am vergangenen Donnerstag zog der Tross mit rund 90 involvierten Studenten aus der ganzen Welt weiter nach Kreuzlingen. Dort, in den stimmungsvollen Tagungsräumen der Seeburg, keine 20 Meter vom Bodensee entfernt, brüteten die Teilnehmer unterschiedlichster Studienrichtungen in Workshops und während dutzender von Präsentationen weiter über die Bedingungen für eine nachhaltige Zukunft.

Gut 50 Studenten lauschten an diesem Freitag Morgen Aaron Seigo, Software-Architekt des KDE open source project, und einer der globalen Anführer der Open Source-Bewegung. Gemeinsam mit ETH-Student Marcus Dapp konnte er die Zuhörer davon überzeugen, dass Open Source mehr mit Nachhaltigkeit zu tun hat, als man im ersten Moment annehmen könnte. «Software ist zu einer essentiellen Ressource in unserer Gesellschaft geworden. Open Source geht am nachhaltigsten mit dieser Ressource um», so Seigo. Zusammen mit Dapp plädierte er für offene Software-Quellcodes und für Lizenzmodelle, die eine Weiterentwicklung von Programmen durch Software-Nutzer begünstigen, anstelle diese zu unterbinden.

Ruf nach systemischem Denken

Kurz darauf stellte der Finanzexperte Bernard A. Lietaer von der Universität Berkeley seine visionäre Idee für ein nachhaltiges Finanzsystems vor, die seit der Finanzkrise wieder vermehrt auf offene Ohren stösst. Die alternative, global gültige Währung «Terra» soll auf einem Warenkorb der zwölf wichtigsten Güter und Dienstleistungen basieren und gegenüber den heutigen Währungen stabil sowie inflationssicher sein. Zyklische Schwankungen im Wirtschaftssystem könnten damit laut Lietaer stark vermindert werden. Der Ökonom ist überzeugt davon, dass das Finanzsystem die Basis für sämtliche nachhaltigen Entwicklungen darstellt. Im anschliessenden Gespräch mit interessierten Studenten, beschrieb er die Finanzkrise als Folge einer unsystemischen Betrachtung der Weltwirtschaft, in welcher zu viele Ökonomen von quasi perfekten Märkten ausgingen. Nachhaltigkeit bedeute aber immer die Betrachtung von Gesamtsystemen und nicht von Einzelteilen, appellierte Lietaer an die jungen Zuhörer.

Parallel zu den Referaten der Experten, fanden mehrere Präsentationen von Studenten statt, die sich um eine Vielzahl von Teilaspekten rund um nachhaltige Entwicklungen drehten: Renato Sanchez aus Ecuador zum Beispiel führte eine interessierte Gruppe von 20 Teilnehmern in die Energiepolitik Lateinamerikas ein. Er kritisierte wie mit natürlichen Ressourcen Interessenspolitik betrieben wird und dass die Bodenschätze bislang nicht zur Reduzierung von Armut in seinem Heimatkontinent beigetragen haben. Währenddem widmete sich Antal Miklós von der Budapest University of Technology and Economics der Rolle von sozialen Makrostrukturen und skizzierte neue Wege einer nachhaltigen Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Mohammed Rizwan Shamim von der BRAC University in Bangladesch machte sich in seinem Referat derweil daran, die Verbindungen zwischen Finanzmärkten und nachhaltiger Entwicklung zu ergründen.

Die Gesellschaft sicher vom Öl-Gipfel hinunterbringen

Der Peak Oil war an diesem Freitag wie zuvor schon am Jahrestreffen der «Alliance for Global Sustainability» ein heiss diskutiertes Thema. Der Geologe Colin Campbell erzählte, wie er in seiner Funktion als Berater von internationalen Erdölfirmen bereits 1969 erstmals erkannt hatte, dass das globale Erdöl-Fördermaximum innerhalb der kommenden Jahrzehnte erreicht sein wird. In der Folge war er einer der ersten, der auf den nach wie vor umstrittenen Peak Oil aufmerksam machte. Am Nachmittag ging dann Daniele Ganser, Historiker an der Universität Basel, auf die geopolitischen Konsequenzen der zunehmenden Verknappung von Erdöl ein. Er zeigte in einem packenden Referat anhand der amerikanischen Interventionen in Afghanistan und Irak, aber auch anhand von Entwicklungen in China und Russland, welche tragende Rolle das Erdöl heute in der Politik spielt. Gansers Hoffnung auf eine weniger konfliktreiche und nachhaltige Zukunft liegen in der am Summit vertretenen Generation von zukünftigen Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern: «Es ist eure Generation, die uns vom Ölpeak wieder hinunterbringen muss». Durch Förderung alternativer Energien und effizienter Technologien sei eine Zukunft ohne Erdöl durchaus machbar, «schliesslich wuchsen eure Grosseltern einst auch ohne Erdöl auf», so Ganser.

Trotz Finanzkrise, bevorstehendem Peak Oil und den enormen Herausforderungen des Klimawandels, war unter den 90 Studenten ein enormer Enthusiasmus und Wille zur eigenhändigen Gestaltung der Zukunft auszumachen. «Normalerweise verlässt man Podien und Konferenzen zu solch schweren Themen immer leicht bedrückt. Hier ist das anders; ich werde mit einem guten Gefühl nach Irland heimkehren», sagte Colin Campbell, der schon an hunderten von Kongressen und Summits auf der ganzen Welt gesprochen hat. Daniele Ganser fühlte sich durch die unkomplizierte und teils hemdsärmelige Organisation des Summits an seine besten Studentenzeiten erinnert und zeigte sich von der positiven Atmosphäre ebenfalls beeindruckt.

Ebenso positiv äusserten sich auch die Studenten: «Diese Veranstaltung ist einzigartig. Ich habe hier die Möglichkeit, mich mit Kollegen und Experten aus der ganzen Welt über Lösungen zu den dringendsten Problemen unserer Zeit auszutauschen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse kommen schliesslich auch meinem Heimatland zugute», sagte Adriana Valenzuela aus Kolumbien. Auf dem abschliessenden «Crossover Panel» waren sich Studierende und Experten einig, dass diese Art von fachübergreifendem Austausch, der weit über das Thema Umweltschutz hinausgeht, für alle ein Gewinn ist und wesentlich zu einem möglichen Pfad in eine nachhaltigere Zukunft beiträgt.

Student Summit for Sustainability

Der vierte internationale «Student Summit for Sustainability» wurde von Project21, der studentischen Organisation für nachhaltige Entwicklung an der ETH und Universität Zürich organisiert. Teilnehmer sind jeweils die Mitglieder der «World Student Community for Sustainable Development» (WSC-SD). Das diesjährige Treffen stand unter dem Motto «The Realistic Side of the World - Sustainable Development and the Role of Economic and Political Institutions». In Form von Posterpräsentationen, Workshops, Referaten und Panels tauschten sich rund 90 Studenten aus aller Welt während einer Woche untereinander und mit Experten zum Thema Nachhaltigkeit aus.