Veröffentlicht: 26.02.09
Dossier Citius

Die unspektakulären Gleiter

Optimale Kufen sind einer der wesentlichen Faktoren für einen erfolgreichen Bob. Viel Spielraum bei ihrer Oberflächenbeschaffenheit gibt es jedoch nicht. Einzig über die Geometrie der Kufen-Beschaffenheit können hundertstel Sekunden eingeholt werden.

Simone Ulmer
Unscheinbar, aber wesentlich für den Sieg – die Kufen. (Bild: Hans Studer/SBSV)
Unscheinbar, aber wesentlich für den Sieg – die Kufen. (Bild: Hans Studer/SBSV) (Grossbild)

Man beachtet sie kaum, denn sie sind praktisch nicht zu sehen und wirken zudem völlig unspektakulär: Die Kufen der Bobs, im wahrsten Sinne des Wortes überschattet vom bunten und gestylten Gehäuse. Und dabei entscheiden sie massgeblich mit, ob die Fahrt zum Erfolg führt. Allein das Geheimnis, das um die Legierung der Stahlkufen gemacht wird und die starken Reglements, denen sie unterworfen sind, geben Hinweis darauf, wie bedeutend sie für einen Sieg sind.

Monopol in Schweizer Hand

Weltweit gibt es nur eine Firma, die Kufen für Bobs herstellt. Dadurch wird gewährleistet, dass alle Bob-Produzenten dieselben Ausgangsbedingungen haben. Die Firma Kohler mit Sitz in der Schweiz liefert an alle Bob-Bauer den Einheitsstahl für die Kufen. Deshalb hat auch das Citius-Projektteam, das in einer Zusammenarbeit zwischen ETH Zürich, Industrie und Schweizer Bobverband die Schweizer Bobs für die Olympischen Winterspiele in Vancouver baut, seinen Kufen-Stahl von dort bezogen.

Dabei handelt es sich um Platten, deren Härte zwischen 35 und 37 Rockwell liegt. Je härter der Stahl ist, desto höhere Geschwindigkeiten können erreicht werden. Die Kufen dürfen aber nachträglich, - etwa durch erhitzen - nicht gehärtet werden. Dass dies nicht heimlich geschieht, dafür sorgt ein spezieller Kleber, der seitlich auf den Stahl aufgebracht ist und der sich beim Erwärmen verfärben würde. Einzig die Bearbeitungsarten, wie die Kufen aus den Stahlplatten ausgefräst und geschliffen werden, können die Bob-Fahrer dabei unterstützen, ein bisschen schneller als die Konkurrenz zu sein. Wie diese Kufen-Geometrie im vorgegebenen Rahmen optimiert werden kann, damit befasste sich Reto Grüebler vom Institut für virtuelle Produktion.

Projekt «Stahl auf Eis»

Die Abmessungen, Geometrie und die Befestigung der Kufen am Bob sind ebenfalls streng reglementiert. «Der Spielraum, den wir haben, ist deshalb sehr klein», erklärt Nicholas Spencer, Professor für Oberflächentechnik am Departement Materialwissenschaft und Leiter des Citius-Projektteams «Stahl auf Eis». Früher, zur Zeiten der DDR, die im Bob-Sport praktisch nicht zu schlagen war, habe man mit Ionenimplantation die Kufen erfolgreich gehärtet, heute sei das alles verboten. «Auch eine Beschichtung oder andere Oberflächenbehandlung sei praktisch hoffnungslos, da die Schiedsrichter vor den Renndurchgängen die Kufen leicht anschleifen.

«Man muss versuchen, die Reibung zu optimieren», erklärt Grüebler. Am sogenannten Eis-Tribometer im Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos, mit dem Reibung und Verschleiss gemessen werden können, wurden bei bis zu minus zwanzig Grad Celsius unterschiedlich verarbeitete Stahlteile getestet. Dabei wurde auch mit unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit experimentiert. «Es zeigte sich, dass diese aber praktisch keinen Einfluss auf die Gleitfähigkeit hatte», sagt Spencer. Da die Reibung vom Druck abhängig ist, wurde vor allem geschaut, wann sie minimal ist. «Das ist wiederum abhängig vom Versagen des Eises, also wann es bricht, und seiner Deformationsfähigkeit», erklärt Grüebler. Spencer betont, dass die Bildung eines optimalen Gleitfilms, der durch Druck und Reibung, durch angeschmolzenes Eis entsteht, von höchster Bedeutung ist.

Whistler im Modell

Das Team «Stahl auf Eis» ging in seinen Optimierungsversuchen aber noch viel weiter. Sie nahmen die Bahndaten des Whistler-Eiskanals in Vancouver, auf dem der Olympischen Wettkampf der Bobfahrer ausgetragen werden wird, und versuchten über die gesamte kurvenreiche Strecke ein Druckprofil des Bobs zu simulieren. Das ging jedoch nicht so einfach und eine dreidimensionale Simulation, wie ursprünglich geplant, war viel zu komplex und zu aufwändig. Daraufhin mussten sie ihr Modell stark vereinfachen, indem Sie beispielsweise nur den Querschnitt der Kufen simulierten und beim Eis und den Kufen von einem starren Verhalten ausgingen.

Mit den auf diese Weise erhaltenen Daten schauten die Forscher, wie stark an jedem Punkt der Druck des Bobs auf das Eis sein wird und wie tief die Kufen in das Eis eindringen werden. Entsprechend der gewonnen Daten entwickelte das Team einen rechnergestützten Konstruktionsplan, ein CAD-Modell, anhand dessen bei der Industrie die Kufen gefertigt wurden. Da sie aber speziell für Whistler ausgerichtet sind, wurden sie bei den bisherigen Testfahrten noch nicht eingesetzt. Erst wenn der Bob zum Auftakt der nächsten Saison sich auf den Weg nach Übersee macht, wird sich zeigen, wie erfolgreich die Kufen-Forschung war.

 
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