Veröffentlicht: 24.03.09
Nanotechnologie

Der Wirkung von Nanopartikeln auf der Spur

Ceriumoxid ist ein keramisches Nano-Schleifmaterial. Was passiert, wenn es eingeatmet und auf der Lungenoberfläche deponiert wird, überprüften Wissenschaftler unter realitätsnahen Bedingungen. Das Ergebnis war fürs Erste eher beruhigend.

Simone Ulmer
Zellkulturen aus Epithelzellen der Lunge werden in einer speziellen Handschuhbox einem Aerosol aus Ceriumoxid-Nanopartikeln ausgesetzt. Die Nanopartikel werden während der Exposition der Zellkulturen (rechte Boxhälfte) durch Flammensynthese (linke Boxhälfte) frisch produziert. (Bild: Gruppe Wendelin Stark/ETH Zürich)
Zellkulturen aus Epithelzellen der Lunge werden in einer speziellen Handschuhbox einem Aerosol aus Ceriumoxid-Nanopartikeln ausgesetzt. Die Nanopartikel werden während der Exposition der Zellkulturen (rechte Boxhälfte) durch Flammensynthese (linke Boxhälfte) frisch produziert. (Bild: Gruppe Wendelin Stark/ETH Zürich)

Synthetische Nanopartikel sind heute allgegenwärtig. Sei es als Zusatz zu Baumaterialien, deren Eigenschaften sie verbessern, in Kosmetika, allen voran in Sonnencrèmes und Zahnpasta, oder in Lebensmitteln zur Verdickung oder Farbaufhellung. Die Nano-Sicherheitsforschung und das Wissen darum, wie die Nanopartikel mit ihrer Umwelt und speziell mit einem lebenden Organismus interagieren, steckt jedoch noch weitgehend in den Kinderschuhen.

Für die Forschungsgruppe von Wendelin Stark, Assistenzprofessor am Institut für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften der ETH Zürich, ist das deshalb eines der zentralen Themen. Sie erforschen unter anderem, wie sich Nanopartikel auf die Umgebung auswirken (siehe ETH Life Artikel vom 15.07.2008).

Realitätsnahe Umstände

Zusammen mit der Forschungsgruppe von Peter Gehr, Professor für Histologie an der Universität Bern, haben die Wissenschaftler nun mit einem völlig neuen Verfahren und neuartigen Kulturen von Lungenzellen untersucht, wie Ceriumoxid-Nanopartikel auf die Zellen wirken. Ziel war, die Toxizität von Ceriumoxid, das in grossen Mengen als Schleifmittel, vor allem in der Chip-Herstellung, genutzt wird, zu studieren. Dafür simulierten die Wissenschaftler eine Situation, in der das keramische Nanomaterial direkt eingeatmet wird. Dies kann passieren, wenn Nanopartikel zum Beispiel ungeschützt hergestellt werden oder unsachgemäss mit dem Pulver hantiert wird.

Die Forscher versprühten die mit der sogenannten Flammenspray-Synthese  produzierten Ceriumoxid-Nanopartikel in einer geschlossenen Handschuhbox. Sie simulierten auf diese Weise Nanopartikel-Aerosole, die dann von einem Ventilator gleichmässig in dem etwa 2,5 Kubikmeter grossen Behältnis verteilt wurden. Die kultivierten Lungenzellen wurden in der Box für zehn, zwanzig und dreissig Minuten den Aerosolen ausgesetzt.

Auf die Idee sind die ETH-Forscher gekommen, als sie mit der Berner Wissenschaftlerin und Erstautorin der Studie Barbara Rothen-Rutishauser sprachen. Sie erzählte ihnen von den neuartigen Zellkulturen, die aus Epithelzellen der Lunge auf einer durchlässigen Membran wachsen. Die Epithelzellen sind dabei mit ihrer Unterseite in ein Medium getaucht und ihre Oberseite ist von einer natürlichen Flüssigkeitsschicht bedeckt. Damit ist die Zellkultur der Lungenoberfläche sehr ähnlich.

Das Neue an dem Verfahren ist die spezielle Zellkultur kombiniert mit der Nutzung der Flammenspray-Synthese. Damit konnten die Wissenschaftler realitätsnah zeigen, wie eingeatmete Nanopartikel auf der Lungenoberfläche abgelagert werden und mit ihr reagieren. Bei herkömmlichen Versuchsanordnungen wurden bis anhin Zellkulturen in Nanopartikel-Lösungen gebadet. Dabei können jedoch die Nanopartikel verklumpen, was ihre Eigenschaften verändert. Ausserdem ist die Lungenoberfläche nicht derartig nass. Folglich könnte auch dies das Verhalten der Zellen ändern.

Kein Zelltod

Für ihre Studie wählten die Wissenschaftler Ceriumoxid, vor allem, weil das Material nicht physiologisch in den Zellen vorkommt und deshalb einzig der Effekt des Nanopartikels auf die Zelle beobachtet wird. Die Studie, deren Ergebnisse online in "Environmental Science and Technology" publiziert wurden, zeigte, dass die Zellen nicht zerstört wurden, also nicht abstarben. Die Durchlässigkeit der Zellschicht nahm aber zu. Die Forscher vermuten deshalb, dass definierte Strukturen bestimmter Proteine, die die Zwischenräume der Epithelzellen verschliessen, sich unter dem Einfluss der Nanopartikel veränderten. Ausserdem konnte die Produktion eines Stoffes in der Zelle beobachtet werden, der mit oxidativem Stress einhergeht und eine DNA-Schädigung zur Folge haben könnte.

Langzeitwirkung nicht bekannt

Robert Grass, Gruppenleiter bei Wendelin Stark, sagt: «Wie sich die Partikel über längere Zeit auf die Zellen auswirken, konnten wir nicht beobachten.» Denn um die Kulturen unter dem Mikroskop untersuchen zu können, müssen sie aufgearbeitet werden. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher mit sogenannten Tripelzellkulturen, welche die zellulären, humanen Luftwegsbarrieren nachbilden, noch realistischere Bedingungen nachbauen. Beispielsweise wollen sie herausfinden, wie die Fresszellen und «Abfallbeseitiger» im Körper, die sogenannten Makrophagen, mit den Nanopartikeln umgehen.

Literaturhinweis:

Rothen-Rutishauser B, Grass RN, Blank F, Limbach LK, Mühlfeld C, Brandenberger C, Raemy DO, Gehr P & Stark WJ: Direct Combination of Nanoparticle Fabrication and Exposure to Lung Cell Cultures in a Closed Setup as a Method To Simulate Accidental Nanoparticle Exposure of Humans, Environ. Sci. Technol., Online-Publikation 2. März 2009 DOI: 10.1021/es8029347 /

 
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