Veröffentlicht: 27.04.11
Science

Funktionale Wäsche: Öfters tragen, weniger waschen

Viele funktionale Textilien sind mit Silber-Nanopartikeln «imprägniert». Ob diese Spezialwäsche nur ein Verkaufsgag ist oder dem Konsumenten und der Umwelt wirklich Vorteile bringt, haben Forscher von Stefanie Hellweg nun erstmals geprüft. Ihr Fazit: Der Verbraucher ist gefordert umzudenken.

Simone Ulmer
Auch wenn die Sportler ins Schwitzen kommen, ihre funktionale Kleidung, versetzt mit antibakteriellen Chemikalien oder Nanosilber-Partikeln, sollten weniger gewaschen werden. (Bild: Nordea Riga Marathon/flickr)
Auch wenn die Sportler ins Schwitzen kommen, ihre funktionale Kleidung, versetzt mit antibakteriellen Chemikalien oder Nanosilber-Partikeln, sollten weniger gewaschen werden. (Bild: Nordea Riga Marathon/flickr)

Nylonkleider der Sechziger und Siebziger Jahre waren zwar pflegeleicht, doch sobald man darin ins Schwitzen kam, rochen sie unerträglich. Heute ist das anders. Damit etwa Socken und Shirts beim Joggen nicht anfangen zu stinken, sind sie mit Chemikalien wie Triclosan oder Silber-Nanopartikel versetzt. Triclosan oder kleinste Silberpartikel im Nanometer-Massstab, verarbeitet in Textilien, töten die Bakterien ab, die Schweiss zersetzen und die Kleider streng riechen lassen. Doch welche Ökobilanz haben derartige funktionale T-Shirts?

Klimatischer Fussabdruck

Erstmals haben Wissenschaftler des Instituts für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich von Polyester-T-Shirts den klimatischen Fussabdruck, also die Menge an Treibhausgasemissionen (gemessen in Kilogramm CO2-Äquivalent-Emissionen) ermittelt, die bei der Herstellung eines Shirts von der Rohstofferzeugung über Produktion und Nutzung bis zur Müllverbrennungsanlage emittiert wird. Sie analysierten den klimatischen Fussabdruck des funktionalen T-Shirts über seinen gesamten Lebenszyklus und verglichen dabei unbehandelte T-Shirts mit solchen, die mit der Chemikalie Triclosan oder mit Nano-Silberpartikeln behandelt wurden. Dabei berechnete das Forscherteam unter der Leitung von ETH-Professorin Stefanie Hellweg auch, wie viel mehr Energie gebraucht wird, wenn die Shirts mit Nanosilber behandelt werden.

«Mit Triclosan imprägnierte Shirts brauchen bei der Herstellung nicht wesentlich mehr Energie als unbehandelte», sagt Tobias Walser, Doktorand bei Hellweg. Die Forscher verglichen in der Energiebilanz deshalb vor allem den Energie-Input bei zwei verschiedenen Verfahren, mit denen Nanosilber in die Textilien eingearbeitet wird. Ausserdem untersuchten sie, wie viel Nanosilber, beziehungsweise Triclosan, durch das Waschen der Shirts in die Umwelt gelangt sowie deren Umwelttoxizität.

Funktionalität richtig nutzen

Die Wissenschaftler kommen zum Schluss, dass Textilien, denen Silberpartikel mit dem etablierten Verfahren, der Flammenpyrolyse, zugesetzt wurden, während der Nutzung im Vergleich zu unbehandelten Textilien die CO2-Emission deutlich senken können und den Mehrbedarf an Energie für das Einarbeiten der Silberpartikel wieder wett machen. Entscheidend sei, wie oft Verbraucher das funktionale T-Shirt waschen. «Wenn sich Konsumenten auf die Funktionalität, die das Shirt durch das Nanosilber erhält, einlassen, also weniger waschen, kann die CO2-Emission um knapp die Hälfte gesenkt werden», sagt Walser. Bis zu 80 Prozent sogar, wenn der Verbraucher sein Verhalten komplett ändert und zudem weniger Waschmittel benutzt, bei geringer Temperatur wäscht und auf den Trockner verzichtet. Walsers Fazit: «Funktionale Textilien machen dann Sinn, wenn sie nach dem Sport nicht in die Waschmaschine kommen, sondern mehrmals getragen werden.» Wer dazu nicht bereit ist, sollte lieber unbehandelte Polyester-T-Shirts tragen.

Risiko als gering eingeschätzt

Die Gefahr, die von Nanosilber und Triclosan im Abwasser ausgeht, halten die Wissenschaftler für gering. Über 90 Prozent des Silbers und mehr als 85 Prozent des Triclosans werden in der Kläranlage aus dem Abwasser herausgefiltert. Die Stoffe bleiben im Klärschlamm zurück, der verbrannt oder entsorgt wird. Triclosan wird im Vergleich zu Silber jedoch in viel geringeren Mengen aus Textilien ausgewaschen und zudem schnell zersetzt. Nanosilber hingegen kann nicht abgebaut werden. «Es geht aber meist eine Verbindung, etwa mit Schwefel, ein und verliert dadurch seine Toxizität», sagt Walser. Ein mögliches Risiko sehen die Wissenschaftler vor allem in der Produktion der Nanomaterialien, wenn Menschen bei unsachgemässer Arbeit Nanopartikel einatmen. In gebundenem oder gelöstem Zustand sind sie laut Walser für Menschen weit weniger gefährlich.

Nanomaterialien: nützlich oder schädlich?

Vorteile der Nanomaterialien sehen Wissenschaftler unter anderem darin, dass sie die Umwelt schonen könnten. Belege dafür gibt es aber bis anhin kaum. Nanotechnologie vereint zwei Seiten einer Medaille: Vielversprechend in der Anwendung, aber weitgehend unerforscht in ihrer Auswirkung auf das Ökosystem und die menschliche Gesundheit. Wie sich die Nanopartikel auf Organismen in der Umwelt auswirken, ist weitgehend unerforscht. Nanopartikel haben im Verhältnis zu ihrer Masse eine sehr grosse Oberfläche. So verhalten sich etwa Silber-Nanoteilchen anders als ein Silberlöffel. Die veränderten chemischen und physikalischen Eigenschaften der Nanopartikel nutzt die Industrie immer mehr. Silber-Nanopartikel wirken auf Zellen toxisch und können deshalb biozid wirkende Chemikalien in Aussenfarben ersetzen, damit Hauswände nicht von Algen besiedelt werden oder speziell mit Nanosilber behandelte Flächen im Spital vor Krankenhauskeimen schützen.

Literaturhinweis

Walser T, Demou E, Lang DJ & Hellweg S: Prospective Environmental Life Cycle Assessment of Nanosilver T-Shirts, Environmental Science & Technology, published online DOI: 10.1021/es2001248

 
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