Veröffentlicht: 19.05.11
Science

ETH-Kompetenz in Nanowissenschaften unter einem Dach

Am Dienstag wurde das «Binnig und Rohrer Nanotechnology Center» eröffnet. Damit begann für mehrere ETH-Professuren die Arbeit in den einzigartigen Labors in Rüschlikon. ETH Life stellt die Wissenschaftler und ihreForschungsgebiete vor.

MM/sch
Vier ETH-Professoren, die entweder permanent oder häufig am neuen Nanotechnologie Zentrum in Rüschlikon arbeiten werden: Dimos Poulikakos (o.l) Vanessa Wood (o.r.), Hyung Gyu Park (u.l.) und Andreas Stemmer.  (Bilder: ETH Zürich)
Vier ETH-Professoren, die entweder permanent oder häufig am neuen Nanotechnologie Zentrum in Rüschlikon arbeiten werden: Dimos Poulikakos (o.l) Vanessa Wood (o.r.), Hyung Gyu Park (u.l.) und Andreas Stemmer. (Bilder: ETH Zürich) (Grossbild)

Am Dienstag wurde das «Binnig und Rohrer Nanotechnology Center» in Rüschlikon nach zweijährigen Bauarbeiten offiziell eröffnet (siehe ETH Life Artikel vom 17.05). Wissenschaftler der ETH Zürich und IBM Research forschen dort an den Grundlagen zum Verständnis und zur Nutzung von physikalischen Eigenschaften und Vorgängen auf der atomaren Skala. Drei ETH-Professoren und ihre Forschungsgruppen gehören zu den permanenten Nutzern des neuen Nanotechnologiezentrums; eine zusätzliche ETH-Professur in Rüschlikon ist geplant.

Batterien und Solarzellen der nächsten Generation

Professorin Vanessa Wood forschte bis vor kurzem am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und leitet seit Anfang 2011 die Forschungsgruppe für Nanoelektronik und Nanophotonik am Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik der ETH Zürich. Mit ihrer Gruppe untersucht sie den Ladungstransport in nanostrukturierten Materialien und setzt das gewonnene Wissen zur Entwicklung von Solarzellen, Batterien und Leuchtdioden ein. Obwohl es in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Fortschritte in der Herstellung von Nanomaterialien gegeben hat, verstehen Wissenschaftler fundamentale Prozesse, wie den Ladungstransport in diesen Strukturen, bis heute nur bedingt. Quantenpunkte haben zum Beispiel optische Eigenschaften, welche sie zu exzellenten Bausteinen für Solarzellen, Displays und Leuchtdioden machen. Die dafür verantwortlichen Quanteneffekte erschweren allerdings Injektion, Transport und Extraktion von Ladungen in und aus diesen Strukturen. Dies hat bisher den breiten Einsatz von Quantenpunkten in optoelektronischen Bauteilen verhindert.

Ähnlich unerforscht sind auch die elektronischen und ionischen Leitfähigkeiten von Batteriematerialien im Nanometerbereich, obwohl dies oft limitierende Faktoren für die Lade- und Entladefähigkeit von Batterien sind. Die Gruppe entwickelt deshalb Messmethoden für einzelne Partikel und Partikelensembles, um die elektronische Struktur und den Ladungstransport in Nanomaterialien zu verstehen. Darauf aufbauend entstehen neue Konzepte für optoelektronische Bauteile und Energiespeicher. Wood ist überzeugt, dass grosse Fortschritte in der Elektronik nur durch radikale Architekturänderungen vorangetrieben werden können, basierend auf dem neuen Verständnis der elektronischen Eigenschaften von Nanomaterialien.

Hochauflösende Rastersondenmikroskopie

Andreas Stemmer ist seit 2004 ordentlicher Professor für Nanotechnik an der ETH Zürich. Seine Forschung konzentriert sich auf elektronische Prozesse im Nano- und molekularen Bereich, hochauflösende Rastersondenmikroskopie und die gezielte Anordnung von Nanostrukturen. In der molekularen Elektronik benutzen Forscher einzelne Moleküle oder Gruppen von organischen Nanoelementen als funktionelle elektronische Bausteine. Die Gruppe von Andreas Stemmer sucht neue Methoden, um Komponenten und Moleküle im Nanobereich zusammenzusetzen, elektrisch zu koppeln und die elektronischen und thermischen Eigenschaften dieser Strukturen mit hoher räumlicher Auflösung zu charakterisieren. Stemmer entwickelt dazu spezielle Techniken für die Rastersondenmikroskopie, welche elektrische Spannungen und Ladungen, lokale Temperaturen und Materialkontraste auf der Nanometer-Skala aufzeichnen. Der Wissenschaftler verfügt über langjährige Erfahrung in der Rastersondenmikroskopie, die auch in Zusammenarbeit mit Kollegen von IBM zum Tragen kommt.

Grundlagenforschung für Energie und saubere Technologien

Hyung Gyu Park ist seit April 2009 Assistenzprofessor für Energietechnik an der ETH Zürich. Die Professur für Energietechnik konzentriert sich auf fundamentale Nanowissenschaft, wobei der Schwerpunkt auf Forschung mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen und Graphen für Anwendungen in der Energietechnik liegt. Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind nahtlos aufgerollte Röhrchen aus Graphen mit einem Durchmesser von wenigen Nanometern. Sie weisen viele einzigartige Eigenschaften auf und erlauben unter anderem einen schnellen Massentransport von Molekülen unter extremer räumlicher Einschränkung, vergleichbar mit der Grösse der transportierten Moleküle. Solch schnelle Massentransporte können in energieeffizienten Membranen genutzt werden, in denen Kohlenstoff- Nanoröhrchen als Poren sowie zur selektiven Entfernung von Ionen dienen. Die Forscher hoffen, dass man zukünftig mit Hilfe von solchen Filtern aus Kohlenstoff- Nanoröhrchen Trinkwasser einfacher aufbereiten sowie CO2 aus Abgasen abtrennen kann.

3D-Kühlung für Computerchips

Professor Dimos Poulikakos` Labor bleibt an der ETH Zürich. Doch er gehört zu den ersten, die das neue Zentrum projektbezogen nutzen. Zudem hat er für die ETH Zürich die Planungs- und Bauphase des Zentrums koordiniert. Poulikakos leitet das Laboratorium für Thermodynamik in neuen Technologien, wo er die Thermodynamik sowie Grenzflächen- und Transportphänomene im Mikro- und Nanobereich erforscht. Seine Erkenntnisse kommen bei der Kühlung und der Herstellung von energieeffizienten Hochleistungsrechnern zum Einsatz sowie bei der Entwicklung von effizienten, umweltfreundlichen Brennstoffzellen, thermoelektrischen Geräten und Solarzellen. Eines seiner aktuellen Forschungsprojekte mit IBM betrifft die Entwicklung einer neuartigen 3D-Kühlung von «gestapelt» hergestellten Computerchips, die zu einer markanten Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Reduktion des Stromverbrauchs führen.

Neben den vor Ort domizilierten Professuren, können sich sämtliche Forschungsgruppen der ETH Zürich projektbezogen in die Reinräume und «Noise-free Labs» in Rüschlikon einmieten. Mit der EMPA engagiert sich zudem ein externer Partner im neuen Zentrum. Auch Zusammenarbeiten mit anderen Forschungsinstitutionen und Industrieunternehmen sind willkommen, wie am Dienstag an der Eröffnung von Seiten ETH und IBM betont wurde.

 
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