Veröffentlicht: 05.08.13
Science

Erdplatten durch Tohoku-Beben verschoben

Das Tohoku-Beben verwüstete 2011 in Japan weite Küstenstriche und löste einen verheerenden Tsunami aus. Ein europäisch-japanisches Forscherteam beschreibt jetzt, welche Spuren das Ereignis auf dem Meeresgrund hinterliess. Erstaunlich dabei: Die oberflächennahe Grenze zweier Erdplatten verschob sich um zwei bis drei Kilometer nach Osten.

Redaktion
Michael Strasser (rechts im Bild) diskutiert mit japanischen Kollegen den Sedimentkern. (Bild: Volker Diekamp / Marum)
Michael Strasser (rechts im Bild) diskutiert mit japanischen Kollegen den Sedimentkern. (Bild: Volker Diekamp / Marum) (Grossbild)

Unmittelbar nach dem katastrophalen Ereignis vor der Insel Honshu beschlossen deutsche, japanische und schweizer Geowissenschaftler, mit zwei verschiedenen Expeditionen den Folgen des Bebens auf den Grund zu gehen. Dabei wurde der Meeresboden östlich des Epizentrums kartiert, und es wurden Proben genommen. Michael Strasser, Professor für Sedimentdynamik an der ETH Zürich, berichtete im April 2012 zusammen mit seinem Masterstudenten auf ETH Life über die Arbeit auf dem Forschungsschiff «Sonne». Im Fachmagazin «Geology» stellen die Expeditionsteams jetzt erste Ergebnisse aus den beiden Forschungsreisen vor.

Das Tohoku-Beben erreichte die Stärke 9, weil an den ineinander verkeilten Plattengrenzen Energien freigesetzt wurden, die sich seit dem letzten starken Beben im Jahre 869 aufgestaut hatten. Die Wissenschaftler kartierten an Bord der «Sonne» zunächst den Kilometer breiten Japan-Graben mit Hilfe von bordeigenen Echolotsystemen. Indem sie diese Daten mit jenen vor dem Tohoku-Beben verglichen, konnten sie sich ein genaueres Bild davon machen, wie das Beben die Gestalt des Meeresbodens verändert hat. Am Abhang des bis zu 7,5 Kilometer tiefen Japan-Grabens sackten mindestens 28 Quadratkilometer Meeresboden ruckartig in die Tiefe.

Porenwasser analysiert

Um mehr über die Umgestaltung des Meeresbodens herauszufinden, zog das Expeditionsteam im Japan-Graben mehrere, knapp neun Meter lange Sedimentkerne. «Die bereits lange abgelagerten Sedimentschichten in der Tiefe waren weitgehend ungestört», erklärt Michael Strasser, Erstautor der neuen Studie. «Im tiefsten Teil des Japan-Grabens konnten wir aber deutliche Hinweise auf Sedimente finden, welche wohl durch die Erschütterungen des Erdbebens umgelagert worden sind.

Zudem analysierten die Wissenschaftler das in den Sedimentkernen enthaltene Porenwasser. Es findet in den Millimeter kleinen Räumen zwischen den Sedimentpartikeln Platz. Bei ungestörtem Meeresboden nimmt der Sulfatgehalt linear mit zunehmender Sedimenttiefe ab. Die Porenwasser-Daten der umgelagerten Sedimente zeigen allerdings deutliche Abweichungen vom linearen Trend und liefern den Forschern die Möglichkeit, mithilfe von Diffusionsmodellen die Veränderungen am Meeresboden eindeutig dem Tohoku Erdbeben 2011 zuzuschreiben.

Tiefgreifend Veränderungen in wenigen Minuten

«Wir gehen von folgendem Szenario aus: Durch das Beben hat sich die Erdkruste um rund 50 Meter ruckartige versetzt. Das führte dazu, dass am Rand des Japan-Grabens grossflächig Sedimentpakete als zusammenhängende Blöcke absackten», bilanziert Strasser. «An manchen Stellen stauchten die absackenden Sedimente den Meeresboden. So entstanden Wülste und Tröge am Grund des Japan-Grabens.»

Besonders erstaunt war das Forscherteam indes über einen weiteren Befund: Durch die Bewegungen der Sedimentmassen verschob sich die oberflächennahe Plattengrenze um zwei bis drei Kilometer nach Osten. «Als Geowissenschaftler sind wir es gewohnt, in sehr langen Zeiträumen von Jahrhunderttausenden oder gar -millionen zu denken», sagt Gerold Wefer, Professor und damaliger Direktor von Marum, dem Zentrum für Marine Umweltnaturwissenschaften der Universität Bremen, und Initiator der Expedition. «Diese Expeditionen haben uns gezeigt, dass Plattengrenzen bisweilen auch von plötzlichen Ereignissen in Sekunden oder Minuten tiefgreifend verändert werden können.»

Der Text basiert auf einer Medienmitteilung von Marum, dem Zentrum für Marine Umweltnaturwissenschaften der Universität Bremen.

Literaturhinweis

Strasser M et al.: A slump in the trench: Tracking the impact of the 2011 Tohoku-Oki earthquake, Geology, 2013, 935-938 doi: 10.1130/G34477.1

 
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