Veröffentlicht: 07.10.13
Campus

Epigenetik-Pionier an der ETH

Das Zeitalter der Genomik geht in jenes der Epigenomik über. Einer der prägendsten Wissenschaftler auf diesem Gebiet, der Amerikaner C. David Allis, wird nächste Woche an der ETH Zürich die Pauli-Vorlesungen halten.

Fabio Bergamin
Der Biochemiker und Molekularbiologe und C. David Allis wird an der ETH Zürich die Pauli-Vorlesungen 2013 halten. (Bild: zvg)
Der Biochemiker und Molekularbiologe und C. David Allis wird an der ETH Zürich die Pauli-Vorlesungen 2013 halten. (Bild: zvg) (Grossbild)

Der Bauplan von Lebewesen ist starr. In jeder Zelle des menschlichen Körpers stecken genau dieselben Gene – unverändert von der Zeugung eines Menschen bis zu dessen Tod. Und dennoch können sich Körperzellen ganz unterschiedlich ausprägen: Nervenzellen, Muskelzellen und Hautzellen etwa unterscheiden sich massiv in Form und Funktion. Wenn aus Stammzellen differenzierte Zellen entstehen oder am Anfang einer Krebserkrankung eine Zelle zu einer Tumorzelle entartet, dann sind dies Beispiele dafür, dass sich Zellen trotz des gleichen genetischen Codes unterschiedlich entwickeln können.

Möglich ist diese Flexibilität, weil die Gene im Zellkern an- und abgeschaltet werden können. Genetisch identische Zellen können sich in ihrem Gen-Aktivitätsmuster – ihren sogenannten epigenetischen Eigenschaften – unterscheiden. C. David Allis, Professor für Chromatin-Biologie und Epigenetik an der Rockefeller University in New York, hat die biochemischen Mechanismen hinter dieser Genregulation als einer der ersten erforscht und beschrieben. Das Departement Biologie der ETH Zürich würdigt nun Allis ausserordentliche Forschungsleistung und hat ihn aus diesem Grund eingeladen, die diesjährigen Wolfgang-Pauli-Vorlesungen zu halten.

Wie Histone verändert werden

Zu den wichtigsten Arbeiten des amerikanischen Biochemikers und Molekularbiologen gehören seine Untersuchungen einer Klasse von Proteinen, die Histone genannt werden. Diese kommen im Zellkern vor und sorgen dafür, dass die fadenförmige Erbsubstanz DNA nicht als chaotischer Knäuel vorliegt. Vielmehr ist die DNA wohlorganisiert um die Histone gewickelt. Als erster Wissenschaftler zeigte Allis, wie körpereigene Enzyme die Histone biochemisch verändern können. Solche Histon-Veränderungen beeinflussen die Organisation der DNA, insbesondere, wie dicht die DNA um die Histone gewickelt ist. Diese Dichte wiederum bestimmt, ob ein DNA-Abschnitt für die zelluläre Ablese- und Übersetzungsmaschinerie zugänglich ist, und ob die den Genen entsprechenden Proteine letztlich hergestellt werden.

In der ETH-Vorlesungsreihe nächste Woche wird der 63-jährige Allis unter anderem darüber sprechen, warum es neben dem bekannten genetischen Code auch einen «Histon-Code» gibt, wie er es nennt. Und er wird seine jüngsten Forschungsresultate vorstellen, wonach Mutationen in den Histonen und im «Histon-Code» an der Entstehung von Krebs beteiligt sein könnten.

Organisiert hat Allis' Besuch in Zürich der ETH-Professor Timothy Richmond, der am Institut für Molekularbiologie und Biophysik tätig ist. Vor neun Jahren lud Richmond den bedeutenden Genom-Forscher Sidney Brenner für die Wolfgang-Pauli-Vorlesungen ein. «Nun geht das Zeitalter der Genomik rasch in jenes der Epigenomik über», sagt Richmond. «David Allis ist einer der wichtigsten Forscher auf diesem Gebiet. Die Zeit ist reif, um seine Forschung im Rahmen der Pauli-Vorlesungen den Wissenschaftlern der ETH Zürich und einem breiten Publikum zugänglich zu machen.»

Wolfgang-Pauli-Vorlesungen

Die Wolfgang-Pauli-Vorlesungen sind eine seit 1962 jährlich stattfindende, dreiteilige Vorlesungsreihe. Sie sind abwechslungsweise der Physik, Mathematik und Biologie gewidmet. Im Rahmen der Wolfgang-Pauli-Vorlesungen präsentieren hervorragende Referenten ihre wegweisende Forschung. Benannt sind sie nach dem theoretischen Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli, der von 1928 bis zu seinem Tod 1958 als Professor an der ETH Zürich wirkte. Alle drei Wolfgang-Pauli-Vorlesungen 2013 finden im Auditorium Maximum (F 30) im Hauptgebäude der ETH Zürich, Rämistrasse 101, statt. Sie erfolgen auf Englisch und setzen keine Fachkenntnisse voraus.

Die Vorlesungen von C. David Allis:
Montag, 14. Oktober 2013, 20.15 Uhr: «Beyond the double helix: why your DNA isn’t enough»
Dienstag, 15. Oktober 2013, 20.15 Uhr: «Picking pockets: learning how to decipher and exploit the histone code»
Donnerstag, 17. Oktober 2013, 20.15 Uhr: «Varying the terrain of epigenetic landscapes: implications for human cancer»

 
Leserkommentare: