Wo ein Nobelpreisträger Testosteron synthetisierte
Mehrere Generationen von Chemikerinnen und Chemikern wurden im alten Chemiegebäude der ETH Zürich ausgebildet und haben dort geforscht. Die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) würdigt jetzt das CAB als historische bedeutsame Stätte der Chemie mit der Auszeichnung «Chemical Landmark».
Mit der Auszeichnung des Chemiealtbaus (CAB) der ETH Zürich wurde gestern Abend, 9. Dezember, zum zweiten Mal eine wichtige historische Stätte der Chemie mit der Plakette «Chemical Landmark» versehen. Die erste derartige Plakette wurde in Winterthur verliehen an die erste chemische Fabrik, die Schwefelsäure herstellte.
An der Feier, die im Hörsaal G11 des
CAB stattfand und mit zahlreichen Anekdoten, Erzählungen und historischen
Abrissen abgerundet wurde, enthüllten Karl Gademann und Barbara Winter-Werner
als Vertretende der Platform Chemistry der Schweizerischen Akademie der
Naturwissenschaften (SCNAT), die Plakette. Entgegengenommen
wurde sie von Roman Bouteiller, Vizepräsident für Personal und Ressourcen. Er betrachte die Auszeichnung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits sei es schön, alte Gebäude zu haben, aber es sei auch eine grosse Last, denn der Erhalt dieser Bausubstanz sei zum Teil teurer als ein Neubau. Zudem würden die rigorosen Auflagen des Denkmal- und Heimatschutzes die
Entwicklung des Hochschulstandorts im Zentrum Zürichs behindern, sagte er in seiner Ansprache.
Magnet für Chemiker
Gebaut
wurde das CAB als zweites Chemiegebäude der ETH von 1884 bis 1886. Der Bau
kostete damals 1,337 Mio. Franken und wurde für 400'000 Franken eingerichtet,
sagte Detlef Günther, Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte
Biowissenschaften (D-CHAB). Die an der
Universitätstrasse platzierten chemischen Laboratorien waren gut durchdacht und
auf der Höhe ihrer Zeit. Sie boten den Forschenden ein ausgezeichnetes
Arbeitsumfeld, welches zahlreiche
Chemikerinnen und
Chemiker, die bereits einen Namen hatten oder sich nach ihrer Züricher Zeit
einen machen konnten, anzog. Nicht weniger als sieben
Chemie-Nobelpreisträger lehrten und forschten im CAB, darunter Richard Ernst
(Nobelpreis 1991), Vladimir Prelog (1976) oder Leopold Ruzicka (1939), dessen Gruppe es im CAB
gelang, zum ersten Mal das männliche
Geschlechtshormon Testosteron zu synthetisieren. Auch Vitamin C wurde erstmals in diesem Gebäude technisch hergestellt.
Den Erbauern des Gebäudes war es
wichtig, dass hier nicht nur chemische Grundlagenforschung betrieben wurde, sondern es den Forschern möglich war, Untersuchungen durchzuführen,
welche den Bedingungen eines Fabrikbetriebes nahe kamen. So befanden
sich in den Chemiegebäuden der ETH Zürich neben umfassenden Apparate- und
Präparate-Sammlungen auch Maschinenräume, elektrochemische Räume, Schmelzräume,
Magazine für Apparate und Chemikalien, grosse Laboratoriumssäle, eine grosse Bibliothek sowie Konferenzräume und Prüfungszimmer, Arbeitszimmer
und sogar Wohnungen.
Umzug auf den Hönggerberg
Allerdings reichte der Platz für die stetig wachsende Chemie bald nicht mehr aus, und die ETH liess das CAB zwischen 1955 bis 1975 mehrmals ausbauen. 2001 schliesslich zog die Chemie in das HCI auf den Hönggerberg, wo ihr mit den 80'000 Quadratmetern zehnmal mehr Nutzfläche zur Verfügung steht als im CAB. Das Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften umfasst heute 47 Professoren und rund 1100 Studierende. Das historische Chemiegebäude wird derzeit vom Departement Informatik genutzt.
Chemical Landmark: Erfolgreiche Forschung sichtbar machen
Mit den Chemical Landmarks hat die Platform Chemistry der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) ein Programm entwickelt, mit dem erfolgreiche Forschung und wichtige Entdeckungen sichtbar gemacht werden sollen. Solche Entdeckungen wirken sich oft auf das Alltagsleben aus. Solche bedeutsamen Stätten werden als Orte der Erinnerung mit einer Gedenktafel ausgezeichnet.
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