Veröffentlicht: 07.11.11
Science

Den Nanopartikeln auf der Spur

Nano liegt im Trend. Lacke, Medikamente, Trinkwasser – die Liste der mit Nanopartikeln durchsetzten Materialien ist lang. Und wird immer länger. Doch wie viel Nano verträgt der Mensch tatsächlich? Das Start-up Nanotion hilft mit seinem Messgerät, darauf eine Antwort zu finden.

Rebecca Wyss
Das Nanotion-Team mit Bartjan den Hartogh, Christopher Latkoczy und Tom Forrer (vlnr) analysiert Nano-Partikel in Flüssigkeiten. (Bild: Rebecca Wyss)
Das Nanotion-Team mit Bartjan den Hartogh, Christopher Latkoczy und Tom Forrer (vlnr) analysiert Nano-Partikel in Flüssigkeiten. (Bild: Rebecca Wyss) (Grossbild)

An Innovationen mit Nano-Partikeln fehlt es derzeit nicht. Mittlerweile gibt es Silber-Partikel gegen Schweissbakterien, Titandioxid-Partikel gegen zu starke Sonneinstrahlung oder Nanopartikel in Medikamentform gegen Tumore. Die Möglichkeiten der kleinen Teile scheinen unbegrenzt.

Dennoch gibt es eine Kehrseite der Medaille: Über die Gefahren ist bislang wenig bekannt. Das kann sich bald ändern, wie die Errungenschaft des Start-ups Nanotion zeigt.

Von der Forschung in die Industrie

Nanotion hat ein Messgerät entwickelt, das es erlaubt, mit einem Laser kleinste Teilchen in Flüssigkeiten nachzuweisen und zu quantifizieren. Eine Innovation – denn bislang war dies nur durch grossen Zeitaufwand möglich. Entstanden ist die Idee während eines Forschungsprojekts, das Christopher Latkoczy als ETH-Chemiker für die Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf durchführte.

Im Auftrag von Ralf Kägi, Leiter des Eawag-Partikellabors, baute er ein bereits bestehendes Messgerät für Nanopartikel nach, das nie den Weg in die Industrie gefunden hatte. Dabei entwickelten Latkoczy gemeinsam mit dem ETH- und Eawag-Team das Gerät entscheidend weiter: Anders als beim alten Messverfahren gelang es ihnen, mit dem Neuen dank einem physikalischen Effekt die Messung auf ein paar Sekunden zu beschleunigen und die Art der Nanopartikel sicher nachzuweisen.

«Da ist die Idee entstanden, das Gerät von der Forschung in die Industrie zu überführen», sagt Latkoczy, der davor am Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH angestellt war.

Um den Sprung in die Selbstständigkeit zu schaffen, reicht eine gute Geschäftsidee alleine jedoch nicht. Unternehmerisches Know-how ist gefragt. Das fehlte Latkoczy bis anhin. Also schrieb er sich an der ETH für den Businessplan-Kurs «venture challenge» von Venturelab ein. Dort lernte er den ETH-Materialwissenschaftler Bartjan den Hartogh kennen.

Zusammen gründeten sie 2010 die Nanotion AG, der als drittes Teammitglied der Softwareentwickler Tom Forrer angehört. Mit Erfolg. Beim Prix Du Jeune Entrepreneur erreichten sie das Finale. «Das war wichtig für uns», sagt Latkoczy rückblickend. Damit hätten sie gewusst, dass ihr Produkt eine Chance auf dem Markt haben würde. Zeit zum Verschnaufen blieb jedoch kaum: Noch im Gründungsjahr erhielten sie den De-Vigier-Unternehmerpreis.

Preisgeld bitter nötig

«Die 100'000 Franken Preisgeld waren überlebenswichtig für uns», betont Latkoczy. Dies obwohl damit gerade mal die Ausgaben für die Gründungskosten der AG gedeckt werden konnten. Das Leben von Start-up-Gründern ist hart. Die ersten Monate und Jahre, bis ein Investor gefunden ist, bezahlen diese alle Kosten oft aus eigener Tasche – vorausgesetzt, es wird denn auch tatsächlich ein Investor gefunden.

Auch Latkoczy und den Hartogh mussten «unten durch». Beide arbeiten 100 Prozent für Nanotion. Seit diesem Semester hat der Chemiker zusätzlich am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH einen Lehrauftrag für Nanopartikel-Analyse.

Dieses Zusatzeinkommen ist nicht nur ein Zustupf: Während der vergangenen zwei Jahre lebte Latkoczy von 1500 Franken im Monat. Das mag für einen Lehrling reichen, für einen Familienvater mit dementsprechenden Lebenshaltungskosten ist das wenig. Dennoch sieht er darin keinen Grund zum Jammern: «Wenn man an sein Vorhaben glaubt, nimmt man das in Kauf.»

Mittlerweile führt Nanotion mit dem Prototyp verschiedenste Messungen durch. So misst das Start-up im Auftrag von Trinkwasseranlagen die Grösse und Konzentration von Nanopartikeln im Wasser, damit diese die Leistung ihrer Filter beurteilen können. Dabei soll es jedoch nicht bleiben.

Ihre Ziele sind klar: Analysen als Dienstleistungen anbieten, um so ein Kundennetzwerk aufbauen und das Messgerät den Bedürfnissen auf dem freiem Markt anpassen zu können. Zudem soll bald ein seriengefertigtes Gerät mit einem Stückpreis von rund 150 000 Franken auf den Markt kommen. Farben, Lacke, Pharmaprodukte und in der Krebsforschung – die Einsatzmöglichkeiten wären gewaltig.

«Das braucht Schnauf»

In die Hände spielen könnte ihnen eine Kosmetikverordnung des Europäischen Parlaments. Ab 2013 müssen die Hersteller auf allen Cremen und Salben angeben, ob diese Nanopartikel enthalten. Nanotions Chance dabei: Die Pharmaproduzenten müssen nachweisen, dass sie die entsprechenden Messungen vorgenommen haben. Gefragt sind also dereinst schnelle und sichere industrielle Messverfahren. Bis dahin dauert es jedoch noch ein, zwei Jahre.

«Das braucht Schnauf, vor allem finanziell», sagt Latkoczy. Schnauf, den ein Start-up kaum hat. Umso wichtiger ist da der jüngste Coup: Nach Monaten der Suche konnten die beiden Investoren für ihr Unternehmen gewinnen. Gute Aussichten für Latkoczy und seinen Co-Gründer: «Die nächsten zwei Jahre sind nun gesichert und wir können endlich wachsen.»

 
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