Den Nanopartikeln auf der Spur
Nano liegt im Trend. Lacke, Medikamente, Trinkwasser – die Liste der mit Nanopartikeln durchsetzten Materialien ist lang. Und wird immer länger. Doch wie viel Nano verträgt der Mensch tatsächlich? Das Start-up Nanotion hilft mit seinem Messgerät, darauf eine Antwort zu finden.
An
Innovationen mit Nano-Partikeln fehlt es derzeit nicht. Mittlerweile gibt es
Silber-Partikel gegen Schweissbakterien, Titandioxid-Partikel gegen zu starke
Sonneinstrahlung oder Nanopartikel in Medikamentform gegen Tumore. Die
Möglichkeiten der kleinen Teile scheinen unbegrenzt.
Dennoch gibt es eine Kehrseite der Medaille: Über die Gefahren ist bislang wenig bekannt. Das kann sich bald ändern, wie die Errungenschaft des Start-ups Nanotion zeigt.
Von der Forschung in die Industrie
Nanotion
hat ein Messgerät entwickelt, das es erlaubt, mit einem Laser kleinste Teilchen
in Flüssigkeiten nachzuweisen und zu quantifizieren. Eine Innovation – denn
bislang war dies nur durch grossen Zeitaufwand möglich. Entstanden ist die Idee
während eines Forschungsprojekts, das Christopher Latkoczy als ETH-Chemiker für
die Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag)
in Dübendorf durchführte.
Im Auftrag von Ralf Kägi, Leiter des
Eawag-Partikellabors, baute er ein bereits bestehendes Messgerät für
Nanopartikel nach, das nie den Weg in die Industrie gefunden hatte. Dabei
entwickelten Latkoczy gemeinsam mit dem ETH- und Eawag-Team das Gerät
entscheidend weiter: Anders als beim alten Messverfahren gelang es ihnen, mit
dem Neuen dank einem physikalischen Effekt die Messung auf ein paar Sekunden
zu beschleunigen und die Art der Nanopartikel sicher nachzuweisen.
«Da ist die Idee entstanden, das Gerät von der Forschung in die Industrie zu überführen», sagt Latkoczy, der davor am Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH angestellt war.
Um den Sprung in die Selbstständigkeit
zu schaffen, reicht eine gute Geschäftsidee alleine jedoch nicht.
Unternehmerisches Know-how ist gefragt. Das fehlte Latkoczy
bis anhin. Also schrieb er sich an der ETH für den Businessplan-Kurs «venture
challenge» von Venturelab ein. Dort lernte er den ETH-Materialwissenschaftler
Bartjan den Hartogh kennen.
Zusammen gründeten sie 2010 die Nanotion AG, der als drittes Teammitglied der Softwareentwickler Tom Forrer angehört. Mit Erfolg. Beim Prix Du Jeune Entrepreneur erreichten sie das Finale. «Das war wichtig für uns», sagt Latkoczy rückblickend. Damit hätten sie gewusst, dass ihr Produkt eine Chance auf dem Markt haben würde. Zeit zum Verschnaufen blieb jedoch kaum: Noch im Gründungsjahr erhielten sie den De-Vigier-Unternehmerpreis.
Preisgeld bitter nötig
«Die
100'000 Franken Preisgeld waren überlebenswichtig für uns», betont Latkoczy.
Dies obwohl damit gerade mal die Ausgaben für die Gründungskosten der AG
gedeckt werden konnten. Das Leben von Start-up-Gründern ist hart. Die ersten
Monate und Jahre, bis ein Investor gefunden ist, bezahlen diese alle Kosten oft
aus eigener Tasche – vorausgesetzt, es wird denn auch tatsächlich ein Investor
gefunden.
Auch Latkoczy und den Hartogh mussten «unten durch». Beide arbeiten
100 Prozent für Nanotion. Seit diesem Semester hat der Chemiker zusätzlich am Departement
Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH einen Lehrauftrag
für Nanopartikel-Analyse.
Dieses Zusatzeinkommen ist nicht nur ein Zustupf: Während der vergangenen zwei Jahre lebte Latkoczy von 1500 Franken im Monat. Das mag für einen Lehrling reichen, für einen Familienvater mit dementsprechenden Lebenshaltungskosten ist das wenig. Dennoch sieht er darin keinen Grund zum Jammern: «Wenn man an sein Vorhaben glaubt, nimmt man das in Kauf.»
Mittlerweile
führt Nanotion mit dem Prototyp verschiedenste Messungen durch. So misst das
Start-up im Auftrag von Trinkwasseranlagen die Grösse und Konzentration von
Nanopartikeln im Wasser, damit diese die Leistung ihrer Filter beurteilen
können. Dabei soll es jedoch nicht bleiben.
Ihre Ziele sind klar: Analysen als Dienstleistungen anbieten, um so ein Kundennetzwerk aufbauen und das Messgerät den Bedürfnissen auf dem freiem Markt anpassen zu können. Zudem soll bald ein seriengefertigtes Gerät mit einem Stückpreis von rund 150 000 Franken auf den Markt kommen. Farben, Lacke, Pharmaprodukte und in der Krebsforschung – die Einsatzmöglichkeiten wären gewaltig.
«Das braucht Schnauf»
In
die Hände spielen könnte ihnen eine Kosmetikverordnung des Europäischen
Parlaments. Ab 2013 müssen die Hersteller auf allen Cremen und Salben angeben,
ob diese Nanopartikel enthalten. Nanotions Chance dabei: Die Pharmaproduzenten
müssen nachweisen, dass sie die entsprechenden Messungen vorgenommen haben.
Gefragt sind also dereinst schnelle und sichere industrielle Messverfahren. Bis
dahin dauert es jedoch noch ein, zwei Jahre.
«Das braucht Schnauf, vor allem finanziell», sagt Latkoczy. Schnauf, den ein Start-up kaum hat. Umso wichtiger ist da der jüngste Coup: Nach Monaten der Suche konnten die beiden Investoren für ihr Unternehmen gewinnen. Gute Aussichten für Latkoczy und seinen Co-Gründer: «Die nächsten zwei Jahre sind nun gesichert und wir können endlich wachsen.»
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