Veröffentlicht: 19.07.13
Science

«Fast eine technologische Revolution»

Rund 1000 Forschende aus aller Welt treffen sich derzeit an der ETH Zürich, um über neue Entwicklungen in der Automation und der Regelungstechnik zu sprechen. Manfred Morari, Professor für Automatik und Vorsitzender der 12. European Control Conference, erläutert den Stand der Forschung.

Interview: Martina Märki
Professor Manfred Morari, Vorsitzender der European Control Conference 2013 an der ETH Zürich. (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)
Professor Manfred Morari, Vorsitzender der European Control Conference 2013 an der ETH Zürich. (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich) (Grossbild)

ETHLife: Wer in den vergangenen Tagen die Haupthalle der ETH Zürich betrat, traff auf ganz unterschiedliche Exponate: Modellrennwagen, die ihren Weg selbständig finden, Würfel, die springen und auf der Spitze balancieren, Maschinen, die menschliche Bewegungen steuern und als Therapieroboter eingesetzt werden. Worum geht es eigentlich bei dieser Konferenz?
Manfred Morari: Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass komplexe Systeme mit Hilfe von Rechnungen und Regeln, Computern und Sensoren automatisiert und gesteuert werden. Das Konzept der Regelung und Automatisierung ist alt. Aber im letzten Jahrzehnt haben viele Entwicklungen auf technologischer Ebene stattgefunden, die fast zu einer Revolution in diesem Gebiet geführt haben.

Worin besteht diese Revolution?
Sie betrifft beispielsweise die Rechenleistung, die uns heute zur Automatisierung zur Verfügung steht. In den letzten 10 bis 15 Jahren haben sich etwa die Möglichkeiten, in Echtzeit zu rechnen, um ein Vielfaches verbessert. Ein Problem, für das wir vor 15 Jahren etwa eine Stunde Rechenzeit gebraucht haben, können wir heute in einer Mikrosekunde berechnen. Wir können jetzt Prozesse, von denen wir früher nur träumen konnten, effizient, sicher und ökonomisch gestalten. «Control», also Regelungstechnik, ist ein Werkzeug dazu.

Die erste European Control Cenference fand zu Beginn der 1990er Jahre statt. Was hat sich thematisch seither verändert?
Dank den technologischen Entwicklungen und den rechnerischen Möglichkeiten hat sich das Themenspektrum stark erweitert. Früher ging es beispielsweise um die Automatisierung von Produktionsprozessen. Heute ist die Energiefrage als zentrales Thema zurückgekehrt. Ein zweites wichtiges Thema ist die Steuerung biologischer Systeme. Im Energiebereich haben sich mit den neuen Messmethoden und Kommunikationsmitteln neue Perspektiven ergeben, wie man beispielsweise Verbrauchsmuster analysieren und den Kunden einbeziehen kann. Und in der Biologie können wir heute dank neuen analytischen Methoden Stoffkonzentrationen in einer einzelnen Zelle messen, was früher unmöglich war.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Forschenden heute?
Die neuen technologischen Möglichkeiten haben die Systeme viel komplexer gemacht. Wie man diese Komplexität gestalten und bewältigen kann, wird ein immer grösseres Problem. Die Software für ein Luxusauto beispielsweise umfasst gut und gerne 100 Millionen Programmzeilen. Sicherzustellen, dass sie fehlerfrei funktioniert, ist eine riesige Herausforderung. Andererseits sind Autos durch die elektronische Steuerung vieler Vorgänge tatsächlich komfortabler und sicherer geworden.

Wie gelingt in einem Gebiet mit derart unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten die Kommunikation zwischen den beteiligten Disziplinen?
Die Systemwissenschaften und die Regelungstechnik basieren auf der Idee, dass wir die verschiedenen Prozesse, mit denen wir uns befassen, mit einer grundlegenden Theorie ähnlich analysieren können. Das ist natürlich nur auf einer relativ abstrakten Ebene möglich. Auf dieser Ebene können unterschiedliche Disziplinen meist miteinander kommunizieren. Wenn man sich dann mit konkreten einzelnen Prozessen befasst, muss man sich aber auf die beteiligten Disziplinen einlassen. Je mehr man sich in die spezifische Materie vertieft, desto schwieriger wird die Kommunikation. Das ist eine weitere Herausforderung unseres Gebiets.

Was ist das Ziel der aktuellen Konferenz?
Ganz sicher ist eines unserer Ziele, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Disziplinen zu fördern. Dass Biologen mit Energieforschern sprechen, ist nicht selbstverständlich. Gleichzeitig möchten wir unseren Gästen zeigen, was die ETH Zürich auf dem Gebiet der Automatisation und Regelungstechnik leisten kann. Dafür sind gerade rund 100 ETH-Angehörige im Einsatz. Denn neben dem üblichen Konferenzprogramm zeigen wir aktuelle Projekte der ETH in der Haupthalle und bieten Laborführungen an.

Was leistet die ETH Zürich in diesem Themenbereich?
Die ETH Zürich hat in den letzten Jahrzehnten ihre Aktivitäten in den betroffenen Disziplinen enorm verstärkt. Sie hat dabei unter anderem im Energiebereich deutlich früher als viele andere reagiert. Die Früchte davon können wir jetzt quer durch die verschiedenen Departemente sehen. Dass wir für die aktuelle Konferenz tatsächlich alle hochkarätigen Wunschkandidaten als Vortragende gewinnen konnten, ist ein Zeichen dafür, dass die ETH Zürich als hervorragende Adresse gilt.

European Control Conference

Die European Control Conference (ECC) geht auf eine Initiative der 1990 gegründeten European Control Association (EUCA) zurück und wurde seit 1991 alle zwei Jahre durchgeführt. In Zukunft soll sie jährlich stattfinden. Ziel ist die Förderung des wissenschaftlichen Austauschs und des Technologietransfers im Gebiet der Automatisation und Regelung. Präsident der EUCA ist seit 2011 Manfred Morari, Professor für Automatisation an der ETH Zürich.

 
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