Veröffentlicht: 01.10.13
Science

Beton fliessend halten

Ob Beton durch Röhren fliesst oder plötzlich stockt, bestimmen Fliess- und Reibungseigenschaften seiner Komponenten. Das zeigt eine neue Studie von Material- und Baustoffwissenschaftlern der ETH. Die Arbeit liefert gleichzeitig Lösungsvorschläge, wie die Zähflüssigkeit von Beton beeinflusst werden kann.

Redaktion
Die Industrie kämpft auf Baustellen mit dem Problem, dass sich Beton beim Transport durch Röhren verfestigt. (Bild: Concrete Forms/flickr.com)
Die Industrie kämpft auf Baustellen mit dem Problem, dass sich Beton beim Transport durch Röhren verfestigt. (Bild: Concrete Forms/flickr.com) (Grossbild)

Beton ist ein typisches Beispiel für ein industrielles Gemisch aus Flüssigkeit und Partikeln, das zur Verarbeitung häufig durch Röhren geleitet werden muss. Das führt zu Problemen, da Beton im Vergleich zu seinem Partikelanteil einen geringen Flüssigkeitsanteil hat und ab einer bestimmten Partikelkonzentration die Zähigkeit der Paste mit zunehmender Fliessgeschwindigkeit ansteigt. Das Phänomen wird als kontinuierliche Scherverfestigung beschrieben. Wenn die Paste eine gewisse Fliessgeschwindigkeit überschreitet, kann im schlimmsten Fall die Zähigkeit derart ansteigen, dass sich das Gemisch komplett verfestigt, was als diskontinuierliche Scherverfestigung bezeichnet wird.

Verfestigt sich Beton beim Transport durch Röhren, kann das zu beträchtlichen Schäden und Kosten führen. Die Zementindustrie kämpft besonders auf Grossbaustellen mit dem Problem, wo Beton in Röhren über grosse Distanzen zu seinem Bestimmungsort gepumpt wird wie zum Beispiel beim Bau eines Wolkenkratzers. Der französische Zementgigant Lafarge suchte deshalb Rat beim Labor für Oberflächentechnik am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich, das von ETH-Professor Nicholas Spencer geleitet wird.

Schmierfilm bestimmt Verhalten

Spencers Doktorand Nicolas Fernandez und Roman Mani, Doktorand bei Hans Herrmann, Professor am Institut für Baustoffe, gingen der mikroskopischen Ursache der Scherverfestigung auf den Grund, indem sie in einem Modell Laborexperimente und numerische Simulationen kombinierten. Dadurch gelang es den Forschern zu zeigen, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen ansteigender Zähigkeit in der Paste und zwei unterschiedlichen Arten von Schmierverhalten, die zwischen den Partikeln vorhanden sein können.

So sorgt bei ausreichend niedriger Fliessgeschwindigkeit ein Flüssigkeitsfilm zwischen den Partikeln für deren Schmierung. Wird jedoch eine bestimmte Fliessgeschwindigkeit überschritten, reisst dieser Schmierfilm, und die Partikel kommen in direkten Kontakt zueinander. Im Fachjargon spricht man dann von Grenzschmierung. Ist die Teilchendichte in der Paste und die Reibung zwischen den Teilchen zu hoch, kann sich im Fall der Grenzschmierung zwischen den Partikeln kein neuer Flüssigkeitsfilm mehr ausbilden. Die Zähigkeit steigt laut den Forschern ins Unendliche an, was bedeutet, dass die Masse stecken bleibt und nicht mehr weiter fliesst. Die Forscher konnten mit Hilfe eines Reibungsmodells erstmals einen Zusammenhang zwischen der diskontinuierlichen und kontinuierlichen Scherverfestigung herstellen.

Fliessverhalten steuern und optimieren

Die Studie zeigt, dass das Einsetzen der Scherverfestigung abhängig ist vom mikroskopischen Schmierverhalten zwischen den Partikeln und somit von den Schmierübergängen. «Mit unserem vereinheitlichenden Modell können wir sowohl das Auftreten wie auch die Eigenschaften der Scherverfestigung erklären», sagt Lucio Isa, Assistenzprofessor für Grenzflächen, Weiche Materie und Assemblierung an der ETH und Mitautor der Studie.

Anhand von Laborexperimenten fanden die Forscher zudem heraus, dass die Scherverfestigung hinausgezögert werden kann, wenn der Betonmasse geringe Mengen an Kunststoff beigemengt werden. Die Polymere binden an die Partikel und ummanteln sie. Als Folge davon wird die Reibung zwischen den Komponenten reduziert.

Laut den Wissenschaftlern zeigen die Versuche, dass mit diesem Trick auch Pasten mit hohen Partikelkonzentrationen fliessen können und eine plötzliche Scherverfestigung verhindert werden kann. «Diese Entdeckung ermöglicht es der Industrie, das Fliessvermögen von dichten Pasten bei hohen Geschwindigkeiten zu optimieren», sagt Isa.

Literaturhinweis

Fernandez N. et al. Microscopic Mechanism for Shear Thickening of Non-Brownian Suspensions, Physical Review Letters, 111, 108301 (2013), doi:10.1103/PhysRevLett.111.108301

 
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