Veröffentlicht: 15.12.08
Architektur

Industrieroboter als Muratore

Die Architekten Gramazio & Kohler, die die umstrittene Weihnachtsbeleuchtung der Zürcher Bahnhofstrasse entworfen haben, setzten mit speziellem Mauerbau Glanzlichter. Für die vom Roboter gefertigte Mauer-Installation wurden sie im Schweizer Pavillon auf der Biennale in Venedig mit dem Preis „Goldener Hase für Design" ausgezeichnet.

Simone Ulmer
Kunstvoll gefertigte Aussenhülle: Gärhalle des Weinguts Gantenbein in der Bündner Herrschaft.
Kunstvoll gefertigte Aussenhülle: Gärhalle des Weinguts Gantenbein in der Bündner Herrschaft. (Grossbild)

In der Versuchs- und Konstruktionshalle des HIL-Gebäudes, in dem Fabio Gramazio und Matthias Kohler, Assistenzprofessoren am Institut für Architektur & Digitale Fabrikation ihren Mauer-Roboter stehen haben, sieht es zwar nicht so besinnlich aus wie in der weihnachtlich geschmückten und beleuchteten Bahnhofsstrasse, dafür geht es aber weniger hektisch zu. Zumindest so lange der orange einarmige Roboter ruht. Sobald er aber von Ralph Bärtschi, Programmierer bei Gramazio & Kohler, aktiviert wird, weicht man unbewusst einen Schritt zurück. In dem etwa drei Meter hohen Roboter, der 110 Kilogramm Gewicht bewegen kann, steckt eine enorme Energie, die einen verblüfft und erschreckt.

In atemberaubendem Tempo saust der Roboter auf einer rund sieben Meter langen Schiene hin und her, greift sich ein Bauteil, setzt es wie mit dem Computer geplant ab und holt sich das nächste. Nicht umsonst ist er durch einen mit grossen Fenstern versehenen Kasten von der übrigen Halle abgetrennt, denn während der Roboter arbeitet, darf niemand in seine unmittelbare Nähe.

„Prinzip Programmierte Mauer“

Der mauerbauende Roboter ist im Prinzip ein herkömmlicher Industrieroboter. Für die Anwendungen in der digitalen Fabrikation von Bauteilen wurde er jedoch mit einem speziellen Greifer, der die Bauteile ansaugt, und Computerprogrammen, die einfachen mathematischen Regeln folgen und kaum ein A4 Blatt füllen, ausgestattet. Seine Bewegungsfreiheit erhält er durch seinen beweglichen Greifarm und die Laufschienen, auf denen er hin und her fährt. All dies ermöglicht ihm rasch und effizient, nach dem „Prinzip Programmierte Mauer“, zu bauen.

Autonomer Roboter

Wie der Roboter funktioniert, demonstrierte Ralph Bärtschi mit Styropor-Bausteinen. In Windeseile greift der Roboter die von Bärtschi bereitgelegten Styropor-Teile, die so zugeschnitten werden sollen, dass die Mauer ein bestimmtes Muster erhält. Dabei muss Bärtschi nur noch die Säge betätigen, der Roboter legt das Styropor bereits so hin, dass die Länge richtig bemessen ist. Hinter dem „Prinzip programmierte Mauer“ haben Kohler und Gramazio ihre Interessen vereint: Programmierung am Computer und Material bearbeiten.

Die erste reale Anwendung des Roboters für den Bau einer Mauer erfolgte im vergangenen Jahr für das bekannte Weingut „Gantenbein“ in der Bündner Herrschaft. Für die Konstruktion der Mauern einer neuen Gärhalle griff der Roboter Backstein für Backstein und führte diese zu einer Leimdüse, die den Klebstoff auftrug. Die Backsteine wurden nämlich anstatt mit Mörtel mit einem speziell für die Mauerkonstruktion entwickelten Leim verklebt. Nachdem der Roboter die Backsteine - wie vom Computerprogramm vorgegeben - am Bestimmungsort platziert hatte, entstand eine faszinierende lichtdurchlässige Klinker-Wand, die wirkt, als ob riesige Traubenbeeren Abdrücke in ihr hinterlassen hätten und die der Gärhalle des Weinguts ein besonderes Ambiente verleiht.

Als Industriepartner, der die Backsteine liefert, hat sich das Team mit der Ziegelei Keller in Pfungen zusammengeschlossen. Diese hat in der Zwischenzeit einen eigenen, mobilen Mauerbau-Roboter, der auf der Biennale in Venedig unter den Programmier-Vorgaben der beide Architekten erfolgreich mauerte. Für ihre schwungvollen und schön anzusehenden Klinker-Wände haben sie den Preis „Goldener Hase für Design“ erhalten.