Veröffentlicht: 15.09.11
Science

Wissenschaftlich beschlagene Schweiz

Donald Hilvert erforscht enzymatische Mechanismen mit dem Ziel, synthetische Enzyme herzustellen, die natürliche Enzyme punkto Reaktionsgeschwindigkeit übertreffen. Er hält die Schweiz für das wissenschaftlich gebildetste Land der Welt.

Peter Rüegg
Donald Hilvert, Professor für Organische Chemie (Bild: Giulia Marthaler / ETH Zürich)
Donald Hilvert, Professor für Organische Chemie (Bild: Giulia Marthaler / ETH Zürich) (Grossbild)

Was betrachten Sie als grösste Errungenschaft oder wichtigste Entdeckung der Chemie?
Jedes materielle Objekt und jeder Prozess auf diesem Planeten beinhaltet Chemie und Chemikalien. Schliesslich setzt sich alles, was auf der Erde existiert, aus chemischen Substanzen zusammen, und das Leben kann als grösste Errungenschaft der Chemie bezeichnet werden. Eine bahnbrechende Errungenschaft der Chemie im engeren Sinne war jedoch die Aufklärung der DNA-Struktur und der Mechanismen, mit denen genetische Informationen codiert und decodiert werden. Aber natürlich würden berühmte Kollegen aus anderen Bereichen der Chemie andere Durchbrüche als noch wichtiger bezeichnen.

Was ist der Schwerpunkt Ihrer Forschung, und welche Aspekte davon sind im täglichen Leben sichtbar oder einsetzbar?
Unsere Forschungsgruppe untersucht die Mechanismen von Enzymen. Das sind Proteinkatalysatoren, welche lebensnotwendige chemische Reaktionen enorm beschleunigen. Unser Ziel ist neue Enzyme herzustellen, die schnellere oder selektivere Reaktionen ermöglichen als jene, die man in der Natur findet. Für viele Reaktionen, die von Interesse sind, kennt man noch nicht einmal die natürlichen Katalysatoren. Beispiele für enzymatische Anwendungen im täglichen Leben reichen von Therapien für Herzinfarktpatienten bis hin zu Fleischzartmachern, Fleckenentfernern für die Kleidung, oder der in der Schweiz besonders beliebten Käseherstellung.

Haben Sie in der Chemie ein Vorbild? Und wenn ja, wer ist es und warum gerade diese Person?
Der grosse deutsche Wissenschaftler Emil Fischer war der Vater der bioorganischen Chemie. Er gewann viele seiner herausragenden Erkenntnisse nicht nur durch Beobachtung und Experimente, sondern ebenso durch inspiriertes Schlussfolgern und reine Logik. Er ist immer noch einer der ganz Grossen in der Wissenschaft. Interessanterweise erfahren wir aus seiner Autobiographie, dass sein Vater den jungen Fischer an die Universität schickte, weil er ihn für zu dumm hielt, um als Kaufmann erfolgreich im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten.

Wie wird sich Ihr Forschungsbereich weiterentwickeln? Wo liegen die Potenziale?
Die Chemie im Verbund mit biologischen Verfahren und Computertools wird uns zunehmend in die Lage versetzen, besondere massgeschneiderte Katalysatoren zu entwickeln, die es in Sachen Geschwindigkeit, Selektivität und Effizienz durchaus mit natürlichen Enzymen aufnehmen können. Dieser Bereich wird sich daher schnell über das, was heute machbar ist, hinaus entwickeln.

Welchen chemischen Begriff sollte bis zum Ende des Internationalen Jahrs der Chemie jeder kennen und warum?
Es ist nicht wichtig, einen bestimmten Begriff zu kennen. Vielmehr geht es darum, die Konzepte und Aufgaben der Chemie zu verstehen. Dazu kann ich als gebürtiger Amerikaner den Schweizern ein Lob aussprechen: Wenn doch nur die ganze Welt so wissenschaftlich beschlagen, informiert und kenntnisreich wäre wie die Schweiz. Ich kann nur dringend raten: weiter so!

 
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