Veröffentlicht: 23.03.12
Campus

Starker Wissenshub für die Medizin

Der jüngste «Lokaltermin» des ETH-Präsidenten zeigte es: Zürich ist auf bestem Weg zum globalen Wissenshub der Medizintechnik dank der bereits vorhandenen Ballung von hohen Kompetenzen aus verschiedenen Disziplinen und Institutionen. Die Herausforderung liegt jedoch woanders.

Peter Rüegg
Erlebbarer Wissenshub: Die Gäste des Lokaltermins schauen mit einem MRI-Scanner einem Probanden in den Kopf. (alle Bilder: Tom Kawara)
Erlebbarer Wissenshub: Die Gäste des Lokaltermins schauen mit einem MRI-Scanner einem Probanden in den Kopf. (alle Bilder: Tom Kawara) (Grossbild)

Manchmal wünschte man sich, man könnte den Leuten in den Kopf sehen. Diese Gelegenheit bot sich – im wahrsten Sinn des Wortes - denjenigen, die am jüngsten «Lokaltermin» des ETH-Präsidenten Ralph Eichler teilgenommen haben: Gästen aus Politik, Wirtschaft und Forschung gewährte ein MRI-Scanner im Untergrund des Universitätsspitals einen Blick in den Kopf und die Gehirnaktivitäten eines Probanden, der sich in die «Röhre» gelegt hatte.

Mit dieser Demonstration wollte Gastgeber Ralph Eichler den über 100 Gästen auch etwas anderes aufzeigen: Zürich ist zu einem einzigartigen Zentrum für Medizinforschung geworden und hat beste Voraussetzungen für die Zukunft. Bereits heute sind 40 Professuren der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit dem PSI, den Kliniken, der Universität und dem Unispital Zürich im Dienste der Medizintechnik tätig.

Viel Kompetenz vorhanden

«Medizinaltechnologie wird in Zukunft zentral sein», sagte Klaas Prüssmann, Professor am Institut für Biomedizinische Technik in seinem Input-Referat. Vom Wissenshub Zürich profitiere eine wissensbasierte Industrie, was für die Schweiz eine grosse Chance sei. «Zürich hat schon alles, was wir brauchen: eine führende Technikhochschule, ein führendes Universitätsspital und eine führende medizinische Fakultät», sagte der ETH-Professor. All dies sei vereint in enger Nachbarschaft an einem Ort, was weltweit beinahe einmalig sei.

Deshalb hat die ETH Zürich die strategische Initiative «Medizintechnologie und Gesundheit» gestartet. Zusammen mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft will sie Forschung und Lehre im Dienste der Gesundheit weiter ausbauen. Fördergelder von Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen an die ETH Zürich Foundation helfen, diesen Ausbau zu beschleunigen.

Ein wichtiger Mosaikstein ist unter anderem das neue Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie (D-HEST), das die ETH Zürich Anfang Jahr eingeweiht hat. Diese Einheit bündelt Kompetenzen verschiedener naturwissenschaftlicher, medizinischer und Ingenieurswissenschaften unter einem Dach. Und diese Kombination ist attraktiv: Auf Anhieb haben sich 170 Studierende für den neuen Bachelor-Lehrgang eingeschrieben. Dazu hat die ETH, auch mit privater Unterstützung, allein 2011 vier neue Professuren schaffen können. Sieben weitere sind geplant. Und nicht zuletzt wird die ETH ein neues Medtech Center bauen lassen. Der Bau soll 2016 fertiggestellt sein und dank seiner Nähe zum Universitätsspital zu einem Dreh- und Angelpunkt der Medtech-Initiative der ETH werden.

Enge Nachbarschaft entscheidend

«Die räumliche Nähe ist ein wichtiger Erfolgsfaktor», betonte Gregor Zünd, Direktor Forschung und Lehre des Universitätsspitals Zürich (USZ) am kurzen Podiumsgespräch. Das Podium kam auch zum Schluss, dass der Medizinhub Zürich den Vergleich mit dem Ausland, wie z.B. die Zusammenarbeit der Harvard Medical School, nicht zu scheuen brauche. «Wir sollten jedoch nicht zu stark vergleichen und uns auf unsere Stärken konzentrieren», rief ETH-Alumnus und Sonova Holding-CEO Lukas Braunschweiler dem Publikum in Erinnerung, «die Kernbedingungen, die wir brauchen, um erfolgreich zu sein, sind bereits gegeben.» Wichtig sei es nun, Netzwerke zu bilden mit der Industrie, der Wirtschaft und der Politik.

Auch Klaas Prüssmann betonte, dass «wir wissen, was wir wollen.» Es sei allerdings auch eine Frage der Ressourcen. Um beispielsweise Gehörschnecken-Implantate vorwärts zu treiben, müssten an den Zürcher Universitäten «die Champions» arbeiten; Top-Forscher also, die nicht zuletzt hierher kommen, weil sie «hier auch die guten Studierenden erhalten», schloss ETH-Präsident Eichler das Podium ab. «Wir können viel und wollen noch mehr», sagte er. «Wir haben gute Studierende und diese sind der Klebstoff für die Arbeit, die wir leisten wollen.»

Neue Technologien vorsichtig anwenden

Neben dem Podium stellten Klaas Prüssmann und Janos Vörös, Professor am Labor für Biosensoren und Bioelektronik, neuste Entwicklungen vor. Prüssmann hob die Fortschritte bei der Bildgebung hervor, insbesondere das Phasenkontrastverfahren, das bereits für die Mammografie in der Praxis angewendet wird. Vörös zeigte auf, wie die Forscher gezielt mit einzelnen Zellen arbeiten, etwa indem die Forscher einer Zelle einzelne Viren injizieren können.

Auf den Medizintechnik-Hub Zürich warten auch Herausforderungen. «Der menschliche Organismus ist komplexer als jede noch so komplizierte und geniale Ingenieurslösung», sagte Prüssmann. Man werde also sehr vorsichtig vorgehen müssen, um Mensch und Technologie zusammenzubringen. Meilen liegen auch zwischen der Denke von Ingenieuren und Medizinern. Die Angleichung der Denkkulturen sei eine grosse Aufgabe, die der Wissenshub Zürich noch vor sich habe, sagte Gregor Zünd. Die Mediziner würden nicht unbedingt auf den perfekten Ingenieursentwurf warten, sondern seien schon mit einer 10-prozentigen Verbesserung des bisherigen Standards zufrieden. «Wir Mediziner sind sehr froh, wenn eine Technologie früh eingeführt wird.»

Mit dem Thema «Medizintechnik» beschäftigt sich auch die aktuelle Ausgabe 1/2012 des «Globe», das Magazin der ETH Zürich und der ETH Alumni.

 
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