Veröffentlicht: 21.03.13
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Der Natur abgeschaut

Mit dem «Spark Award» zeichnet die ETH Zürich ihre innovativste und wirtschaftlich vielversprechendste Erfindung aus. In diesem Jahr geht der Preis an eine Gruppe um Professor André Studart für ein neues Verbundmaterial. Die Idee dazu lieferte die Natur.

Thomas Langholz
Preis für die wirtschaftlich aussichtsreichste Erfindung: Roland Siegwart, Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich (r.), übergab den diesjährigen Spark Award an Rafael Libanori und André Studart, Professor für komplexe Materialien, für die Entwicklung eines neuen Verbundmaterials. (Bild: Oliver Bartenschlager / ETH Zürich)
Preis für die wirtschaftlich aussichtsreichste Erfindung: Roland Siegwart, Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich (r.), übergab den diesjährigen Spark Award an Rafael Libanori und André Studart, Professor für komplexe Materialien, für die Entwicklung eines neuen Verbundmaterials. (Bild: Oliver Bartenschlager / ETH Zürich) (Grossbild)

Die Jury hatte es nicht leicht: Allein im vergangenen Jahr wurden an der ETH Zürich 130 Erfindungen gemacht, von denen 81 zum Patent angemeldet wurden. Mit dem «Spark Award» zeichnet die ETH Zürich jährlich ihre Forscher für die originellste Idee mit dem grössten wirtschaftlichen Potential aus. «Damit wollen wir ein Zeichen setzen für die zündendste Idee, den innovativen Geist und die Innovationskraft der ETH-Forschenden», sagt Roland Siegwart, Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen.

Neues Verbundmaterial

Träger des diesjährigen «Spark Award» sind André Studart, Professor für komplexe Materialien, Rafael Libanori und Randall Erb. Die Gruppe entwickelte ein neuartiges Verbundmaterial (siehe Bericht in ETH Life). Werden zum Beispiel ein weiches und ein hartes Material miteinander verbunden und dieses Komposit bewegt oder belastet, so kann es dabei beschädigt werden. In der Natur wird der Übergang von starren Knochen und beweglichen Sehnen dadurch gelöst, dass die festen und die geschmeidigen Bestandteile fliessend ineinander übergehen.

Inspiriert von Beispielen aus der Natur entwickelten die Forscher ein Kompositmaterial auf Basis von Polyurethan, das mit einer neuen Produktionsmethode hergestellt wird. Die mechanische Festigkeit zwischen der weichsten und der härtesten Schicht überbrückt bei diesem Material einen 100'000-fachen Härteunterschied. «Bei Sehnen und Knochen liegt der Unterschied lediglich im Hunderter-Bereich», betont Studart. Dies führt zu einem nahezu vollständigen Abbau von Spannungen beim spröd-harten Materialanteil bei einer Längendehnung des Gesamtmaterials.

Vielfach einsetzbar

Getestet haben die Forscher das neue Material an Elektronikbauteilen. Sie setzten diese auf Schutzinseln aus dem neuen Material. Selbst eine Dehnung um 350 Prozent beschädigte die Bauteile nicht. Bei bisherigen Methoden reicht schon eine Dehnung des Trägermaterials von 13 Prozent aus, um die Bauteile zu brechen. In Zukunft möchte die Gruppe ihre Methode so weiterentwickeln, dass sie für verschiedene Materialien eingesetzt werden kann. Anwendungsmöglichkeiten wären beispielsweise biomedizinische Implantate oder in der Automobil- und Luftfahrtindustrie, wo verschiedene Verbundmaterialien eingesetzt werden. Doch auch als Trägermaterial für flexible Elektronik, die in Kleidung eingenäht Körperfunktionen überwachen kann, kommt das neue Material in Frage.

Alle Anwendungsbereiche verzeichneten in den vergangenen Jahre hohe Zuwachsraten. So schätzen Experten, dass allein der Markt für Verbundmaterialien bis 2017 um jährlich 5,4 Prozent wachsen wird und damit weltweit ein Umsatz von rund 30 Milliarden Dollar generiert werden kann.

Weitere Finalisten

Neben den Gewinnern qualifizierten sich vier weitere Erfindungen für den «Spark Award».
Molekulares Code-System zur Erkennung von Fälschungen

Die Forscher haben eine Methode entwickelt, um gefälschte Materialien nachzuweisen. Bei der Herstellung eines Produkts wird dem Ausgangsmaterial synthetisch hergestellte DNS beigemischt. Mit einer Gen-Analyse kann das Ausgangsmaterial identifiziert werden.
Blickkorrektur für Video-Chat-Systeme

Bei Video-Chat-Systemen schauen die Nutzer auf den Bildschirm statt in die Kamera. Dadurch entsteht der Eindruck eines unfokussierten Starrens. Anhand eines 3D-Models des Gesichts und einer einfachen 3D-Kamera kann das Starren korrigiert werden. Die Technologie ist sehr einfach zu implementierten und kann weltweit eingesetzt werden.
Roboter analysiert Korrosion an Stahlbeton-Strukturen

Ältere Gebäude sowie Bauten in Gebieten, in denen im Winter Salz gestreut wird, sind sehr korrosionsanfällig. Um den Korrosionsgrad festzustellen, sind oft teure Gerüste notwendig. Der neue Roboter kann an Gebäuden, Brücken oder Kühltürmen hochklettern und die eingebetteten Armierungsstähle auf Schäden untersuchen.
Behandlung von Herzmuskelkrankheiten

In den USA sterben die meisten Personen durch Herzkrankheiten, ein Grossteil davon durch den Befall des Herzmuskels. Durch ein nicht-kodierendes RNA-Molekül kann die Vergrösserung der Herzzellen reguliert werden.

 
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