Veröffentlicht: 10.04.13
ETH-intern

Brücke vom Nano-Wissen zum Produkt

Eine erste Generation von Nanoprodukten hat die Märkte bereits erobert. Um das enorme Potenzial dieser Technologie weiter zu nutzen, muss noch mehr und rascher Grundlagenwissen in die Produktion fliessen. Am jüngsten Lokaltermin des ETH-Präsidenten, organisiert von der ETH Zürich und der ETH Zürich Foundation, zeigten Forschende auf, was die Hochschule im Köcher hat, um diese Lücke zu schliessen.

Norbert Staub
Diskutierten über neueste Entwicklungen in der Nanotechnologie: (v.l.) Ernst Lutz, Chief Technology Office Sulzer; ETH-Chemieprofessor Detlef Günther; Rita Hofmann, Entwicklungschefin Ilford; Jürg Leuthold, Professor für Photonik und Kommunikation. Moderiert wurde der Anlass von Thomas Schaller, Leiter der Hochschulkommunikation (links). (Bild: ETH Zürich)
Diskutierten über neueste Entwicklungen in der Nanotechnologie: (v.l.) Ernst Lutz, Chief Technology Office Sulzer; ETH-Chemieprofessor Detlef Günther; Rita Hofmann, Entwicklungschefin Ilford; Jürg Leuthold, Professor für Photonik und Kommunikation. Moderiert wurde der Anlass von Thomas Schaller, Leiter der Hochschulkommunikation (links). (Bild: ETH Zürich) (Grossbild)

Selbstreinigende Fensterscheiben, kratzfeste Lacke, ultraleichte Velos oder antimikrobielle Textilien: Aus vielen Alltagsprodukten ist Nanotechnologie nicht mehr wegzudenken. Der aktuelle Innovationsweltmeister Schweiz ist auch in diesem zukunftsträchtigen Industriezweig hervorragend aufgestellt. Doch um hier die nächste Stufe zu zünden, brauche es vermehrte Anstrengungen von Forschenden, Entwicklern und Industriefirmen, erklärte ETH-Präsident Ralph Eichler am Lokaltermin an der ETH Zürich am 3. April 2013 vor rund 120 Partnern und Gästen. Sie stammten unter anderem aus der Maschinen-, der Elektro- und der chemischen Industrie sowie aus Politik und Wirtschaftsverbänden.

Die ETH Zürich, so Ralph Eichler, misst der Nanoforschung bereits eine grosse Bedeutung zu. Davon zeugen moderne Technologie-Plattformen wie das FIRST Lab oder das mit IBM zusammen betriebene Binnig and Rohrer Nanotechnology Center, vor allem aber die rund 80 im Nano-Bereich aktiven ETH-Professuren aus fast allen ETH-Departementen. Auf dem Weg von der Forschung hin zur Kommerzialisierung bestehen allerdings noch Lücken, so der Präsident. Diese sollen nun durch eine Fundraising-Initiative als Teil der strategischen ETH-Initiative «Manufacturing across Scales – from Nano to Macro» geschlossen werden

Innovationslücke schliessen

Die verlockende Vielfalt der Möglichkeiten im Nanobereich birgt vor allem eine Knacknuss: Die «Time to Market», also die Zeit, um von neuen Erkenntnissen an der Hochschule zu neuen Produkten oder Verfahren zu gelangen, ist noch immer zu lang. Das erläuterten Laura Heyderman, seit Ende 2012 ETH-Professorin für Mesokopische Systeme und Christopher Hierold, Professor für Mikro- und Nanosysteme anhand des Beispiels «Carbon Electronics».

Die hervorragende Leitfähigkeit von Kohlenstoff-Nanoröhren und Graphen verspricht Durchbrüche für die Computer- und Kommunikationstechnologie, bei Bildschirmen, Solarzellen oder Sensoren und vielem mehr. Nur lassen konkrete Resultate noch auf sich warten. Bei diesem spezifischen Thema zumindest ist Besserung in Sicht. Ein neuer Nationaler Forschungsschwerpunkt «Carbon Electronics» soll die Lücke in der Entwicklung von Technologie und Verfahren bis hin zu vorwettbewerblicher Innovationsförderung schliessen helfen. Die beiden ETH, die Empa und weitere Schweizer Forschungsinstitutionen haben die Initiative dafür ergriffen.

Über Kommunikation zum Erfolg

Im Podiumsgespräch, moderiert von Thomas Schaller, dem Leiter der ETH-Hochschulkommunikation, erörterten vier Fachleute Mittel und Wege, wie die Schweiz das Potenzial der Nanowissenschaften noch besser nutzen kann. Für Rita Hofmann, Entwicklungschefin des im Imaging-Bereich tätigen KMU Ilford liegt ein Schlüssel darin, dass die Industrie ihr Know-how in der Verfahrenstechnik behält und möglichst ausbaut. Darüber hinaus sei es entscheidend, dass sich Hochschulen und Beteiligte aller F&E-Stufen immer wieder begegneten, um Ideen für Produkte und Anwendungen zu entwickeln, die bestehende oder zukünftige Märkte auch erwarteten. Die Schweiz sei da sehr gut gerüstet.

Ernst Lutz, Chief Technology Office von Sulzer, bedauerte, dass die Schweizer Industrie heute eher weniger eigene Forschungszentren für Grundlagenforschung betreibt. Umso entscheidender ist aus seiner Sicht, dass Hochschule und Industrie laufend und intensiv miteinander kommunizieren: «Die Hochschule sollte der Industrie als Brückenbauerin noch besser verständlich machen, welche Schwerpunkte sie weshalb fördert. So können Unternehmen ein eigenes Interesse und eigene Zugänge zu Zukunftsthemen und potenziellen Märkten entwickeln».

Auch Analytik wird wichtiger

ETH-Chemieprofessor Detlef Günther fokussierte auf die deutlich zu vernehmende Forderung der Gesellschaft, Nanopartikel nachzuweisen und zu analysieren. Es sei die Hochschulforschung, die der Industrie die entsprechenden Instrumente in die Hand gebe. Und bei aller Euphorie um neue Materialien dürfe man auch nicht ausser Acht lassen, dass diese Innovationen gleichzeitig Skepsis in Bezug auf die gesundheitlichen Folgen erzeugen – etwa im Umgang mit Nanopartikeln in grossen Mengen, bei Zusätzen in Nahrungsmitteln und Kosmetika oder später bei der Verwertung von Abfällen.

Für Jürg Leuthold, ETH-Professor für Photonik und Kommunikation, liegt eine der Aufgaben für die Akteure in Forschung und Industrie darin, einmal entwickelte Basistechnologien kostengünstig zu skalieren und so zum Beispiel Nanostrukturen in serienreife Chips umzuwandeln. Würden dann die Erkenntnisse noch in überraschender Weise kombiniert, ergäben sich die Anwendungen ganz automatisch.

Die Chancen gemeinsam nutzen

«Beiden Seiten, der ETH wie der Industrie, sind die Chancen – und Risiken – der Nanofabrikation sehr bewusst», resümierte der ETH-Präsident. «Sie zu nutzen, ist zeitintensiv und kostspielig.» Er plädiere deshalb dafür, dass die ETH und die Industrie vermehrt langfristige strategische Partnerschaften eingehen und damit ihre Projekte direkt und partnerschaftlich finanzieren. «Zum Nutzen von Gesellschaft, Industrie und Wissenschaft», so Ralph Eichler, «aber auch im Bewusstsein, dass man gerade dadurch den jeweiligen Partner aufmerksam begleitet und seine Interessen noch stärker einbezieht.»

 
Leserkommentare: