Veröffentlicht: 10.06.13
Science

Polymere schützen Enzyme

ETH-Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der die Enzyme bei ihrer Reise durch den Magen-Darm-Trakt viel länger aktiv bleiben. Damit könnten in Zukunft möglicherweise Nahrungsmittelunverträglichkeiten behandelt werden.

Maja Schaffner
Unterstützung für die Verdauung: ETH-Forscher koppeln Polymere an Enzyme, damit diese in Magen und Darm aktiv bleiben. (Bild: istockphoto.com)
Unterstützung für die Verdauung: ETH-Forscher koppeln Polymere an Enzyme, damit diese in Magen und Darm aktiv bleiben. (Bild: istockphoto.com) (Grossbild)

Die Idee, die Verdauung von Menschen, die bestimmte Nahrungsmittelbestandteile nicht vertragen oder nicht verdauen können, durch das Schlucken geeigneter Enzymen zu unterstützen, liegt nahe. Bisher scheiterte sie meist an den Bedingungen im Verdauungstrakt: Diese sind darauf ausgelegt, Eiweisse - zu denen auch die hilfreichen Enzyme gehören - effizient in ihre Bestandteile zu zerlegen.

ETH-Forscher präsentieren nun in der jüngsten Online-Ausgabe von «Nature Chemistry» einen vielversprechenden Ansatz, wie therapeutische Enzyme im Verdauungstrakt wirksam stabilisiert und so vor der Zerstörung geschützt werden können: Sie zeigten erstmals am lebenden Organismus, dass Enzyme, die an Polymerketten gekoppelt werden, im Magen und teilweise auch im Dünndarm wesentlich länger aktiv bleiben als unkonjugierte Enzyme.

Enzyme sind länger aktiv

«Ohne den Schutz der Polymere werden die Enzyme im Magen innert Minuten inaktiv. Die von den Polymeren abgeschirmten Enzyme arbeiteten dagegen bis zu drei Stunden lang weiter», sagt Jean-Christophe Leroux, Professor für Drug Formulation and Delivery am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften und Leiter der Forschungsarbeit.

Die Forscher experimentierten mit verschiedenen gängigen Polymeren. Am längsten aktiv blieben Enzyme, die mit einem Polymer bestückt waren, das die Gruppe von A. Dieter Schlüter, Professor für Polymerchemie am Departement für Materialwissenschaft entwickelt hatte. Wieso gerade dieses Polymer besonders gut funktioniert, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Sie entdeckten allerdings eine Besonderheit: «Dieses Polymer haftet besonders gut an der Schleimhaut, mit dem die Magen- beziehungsweise Darmwand ausgekleidet ist», erklärt Leroux. Dadurch bleibt das Enzym unter anderem länger an seinem Einsatzort.

Möglicher Einsatz bei Zöliakie

Obwohl es sich bei diesen ersten, mit Ratten durchgeführten in vivo-Experimenten erst um Grundlagenforschung handelt und Versuche mit menschlichen Probanden noch in weiter Ferne liegen, sind die Resultate der Forscher vielversprechend. «Mit dieser Methode könnten in Zukunft tatsächlich therapeutische Enzyme im Verdauungsapparat stabilisiert werden», sagt Leroux. Damit liessen sich verschiedene Krankheiten beim Menschen therapieren, für die es heute teilweise noch keine Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Eine Einsatzmöglichkeit sieht Leroux beispielsweise bei Zöliakie. Bei den betroffenen Menschen löst Gluten, ein Protein, das zum Beispiel in weizenhaltigen Lebensmitteln enthalten ist, Darmentzündungen und teilweise zusätzlich schwere Folgekrankheiten aus. Heute haben Betroffene einzig die Möglichkeit, sich streng glutenfrei zu ernähren. Mit der neuen Methode könnten die Patienten zum Essen einfach Enzyme einnehmen, die dem für sie schädlichen Gluten in der Nahrung kurzerhand den Garaus machen.

Literaturhinweis

Fuhrmann G, Grotzky A, Lukic R, Matoori S, Luciani P, Yu H, Zhang B, Walde P, Schlüter AD, Gauthier MA and Leroux JC. Sustained gastrointestinal activity of dendronized polymer–enzyme conjugates. Nature Chemistry. published online 2013, June 9th. DOI: 10.1038/NCHEM.1675

 
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