Veröffentlicht: 25.07.13
Science

Lebensechter schwabbeln dank ETH-Software

Immer lebensechter werden sie, die Charaktere der Animationsfilme, die nicht nur kleine Zuschauer begeistern. Damit sie echt wirken, zum Beispiel ein dicker Bauch beim Gehen möglichst natürlich schwabbelt, investieren Animationskünstler viel Zeit. Ein Projekt der ETH Zürich und von Disney Research soll den Filmemachern künftig die Arbeit erleichtern.

Angelika Jacobs
Dank neuer Software schlackert und schwabbelt Professor Peanuts beim Laufen. (Bild: Fabian Hahn / ETH Zürich)
Dank neuer Software schlackert und schwabbelt Professor Peanuts beim Laufen. (Bild: Fabian Hahn / ETH Zürich) (Grossbild)

ETH-Doktorand Fabian Hahn zeigt am Bildschirm, wie Professor Peanuts, ein animierter Elefant, leicht wippend über den Bildschirm läuft. Das Tier wirkt etwas steif und wenig naturgetreu. «Im realen Leben würden Rüssel und Ohren mitschwingen und der dicke Bauch mitschwabbeln», erklärt Hahn.

Bewegen Animationskünstler eine virtuelle Figur, müssen sie im Blick behalten, was sich im realen Leben indirekt mitbewegen würde. Sie müssen deshalb die Realität genau beobachten und in den virtuellen Raum übertragen. Dazu gehören indirekte Bewegungen wie zum Beispiel der schwabbelnde Bauch oder das Wölben eines Muskels bei einer Armbewegung.

Bislang haben Filmemacher die Wahl, diese Zusatzbewegungen entweder in langwieriger Handarbeit zu erzeugen oder die Kontrolle aus der Hand zu geben: Es existieren bereits Computerprogramme, die solche Effekte zu der bestehenden Animation hinzufügen. Das Automatisieren macht nachträgliche Änderungen jedoch kompliziert. Hahn hat im Zuge seiner Doktorarbeit bei Markus Gross, Professor für Visual Computing, in Zusammenarbeit mit der Animationsgruppe von Disney Research unter Bob Sumner ein neues Programm entwickelt, das den Künstlern ihre Arbeit erleichtert. Die Software schlägt Zusatzbewegungen vor, die der Künstler leicht nachträglich anpassen kann.

Bewegung mit Hebeln

Bisherige Computerprogramme, die Effekte wie das Schwabbeln des Bauchs automatisch einfügen, nutzen nicht den typischen Werkzeugkasten der Animationskünstler, den so genannten Rig Space. Das ist die Summe der Hebel, mit denen der Künstler beispielsweise den Bauch der Figur, welcher aus vielen einzelnen Punkten besteht, als Ganzes bewegen kann. Vielmehr berechnen diese Programme die Bewegung für jeden Punkt einzeln und nicht für die Hebel. Das macht nachträgliche Verbesserungen schwierig. Um die Animation anzupassen, müsste der Künstler mühsam wieder jeden einzelnen Punkt verschieben, und das in 24 Bildern pro Sekunde Film.

Das von Hahn entwickelte Programm nutzt anders als die bisherige Software die Hebel im Rig Space, um physikalische Effekte nachzuahmen, damit beispielsweise das Schwabbeln möglichst echt aussieht (Video). Da das Programm die Hebel nutzt, können die Künstler einfach nachträglich Änderungen vornehmen. Dafür können sie wie gewohnt die Hebel des Rig Space nutzen, um ganze Körperteile zu bewegen, statt Einzelpunkte zu verschieben.

Schneller durch Schätzen

Im letzten Jahr veröffentlichte Hahn einen Prototyp des Programms. Dieses brauchte jedoch noch sehr lange, um die Bewegung aller Hebel auszutesten, bis ein physikalischer Effekt optimal nachgebildet war. Nun stellt er eine neue Version des Programms an der SCA 2013 vor, einer der weltweit wichtigsten Konferenzen im Bereich Computeranimation.

Das neue Programm berechnet viel schneller, wie es die Hebel im Rig Space korrekt bewegen muss. Dazu baute Hahn der Software die Option ein, die Bewegungen für die nächsten Bilder der Animationssequenz abzuschätzen. Das Programm testet deshalb nicht mehr alle Freiheitsgrade aller Hebel für jedes der 24 Bilder pro Sekunde. Stattdessen geht es davon aus, dass die für ein Bild berechneten Bewegungen – ermittelt durch automatisches Ausprobieren aller Hebel in allen Freiheitsgraden – auch noch für die nächsten paar Bilder geeignet sind. Gleichzeitig berechnet es, wie sehr die Schätzung an der Realität vorbei geht. Weicht die Schätzung zu sehr ab, testet das Programm erneut alle Freiheitsgrade der Hebel.

Kein versehentlicher Verlust von Masse

Mit dieser Technik zaubert das Programm in viel kürzerer Zeit Bilder auf den Schirm, die überdies so nah an der Realität sind wie kaum zuvor. So läuft Professor Peanuts schwabbelnd und wippend über den Bildschirm. Das Programm braucht nicht mehr Stunden, sondern nur noch Minuten, um diese Bewegung zu berechnen. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Software auch verhindere, dass an der animierten Figur Volumen verloren gehe, erklärt Hahn. Dabei deutet er auf die Fettpölsterchen eines Sumo-Ringers, die in der «von Hand» animierten Bewegung merklich flacher werden (Video). Sein Programm dagegen sorgt dafür, dass sie sich bei der Bewegung wölben und die Masse erhalten bleibt.

Konkrete Pläne, die Software einzusetzen, sind noch nicht bekannt. Hahn hofft, dass sein in Zusammenarbeit mit Disney Research entwickeltes Programm in naher Zukunft in Animationsfilmen genutzt wird. Vielleicht schwabbelt in den nächsten Jahren ein dickbäuchiger Professor Peanuts über die Kinoleinwand – mit einem Hauch ETH.

Literaturhinweise

F. Hahn, S. Martin, B. Thomaszewski, R. Sumner, S. Coros, M. Gross. Rig-Space Physics; Proceedings of ACM SIGGRAPH (Los Angeles, USA, August 5-9, 2012), ACM Transactions on Graphics, vol. 31, no. 4, pp. 72:1-72:8

F. Hahn, B. Thomaszewski, S. Coros, S. Martin, R. Sumner, M. Gross. Efficient simulation of secondary motion in rig-space; Proceedings of the 2013 ACM SIGGRAPH/Eurographics Symposium on Computer Animation (Anaheim, USA, July 19-21, 2013)

 
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