Veröffentlicht: 19.08.13
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Acht Nachwuchstalente von der EU gefördert

Acht Jungforscherinnen und -forscher der ETH Zürich erhalten vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen der begehrten ERC Starting Grants. Ihre Projekte werden jeweils mit rund 1,8 Millionen Schweizer Franken gefördert. Insgesamt erhalten die Nachwuchstalente über 14 Mio. Schweizer Franken von der EU.

Redaktion
Die acht ERC Starting Grantees (v.l.n.r.), oben: M. Christandl, S. Hofmann, M. Luisier, P. Picotti; unten: T. Stadler, L. Tajcmanová, S. Tay, S. Pané i Vidal (Bildmontage: ETH Zürich)
Die acht ERC Starting Grantees (v.l.n.r.), oben: M. Christandl, S. Hofmann, M. Luisier, P. Picotti; unten: T. Stadler, L. Tajcmanová, S. Tay, S. Pané i Vidal (Bildmontage: ETH Zürich) (Grossbild)

Dieses Jahr vergab der ERC 21 «Starting Independent Researcher Grants» – kurz ERC Starting Grants genannt – in die Schweiz. Es handelt sich dabei um ein Förderinstrument, mit dem der Rat Forschungsprojekte von vielversprechenden Wissenschaftstalenten mit maximal 1,8 Millionen Schweizer Franken während fünf Jahren unterstützt. Keine andere Schweizer Universität erhielt in dieser Vergaberunde mehr ERC Startings Grants als die ETH Zürich. ETH Life stellt die acht neuen Grantees und ihre Projekte vor:

Quanteneffekte nutzen

Matthias Christandl (*1978) ist seit 2010 Assistenzprofessor für Quanteninformationstheorie am Departement Physik. Zuvor war er Juniorprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. In dem mit einem ERC Starting Grant ausgezeichneten Projekt untersucht Christandl, wie man Information mithilfe der Quantenphysik verstehen und mathematisch beschreiben kann. Eine mögliche Anwendung dieser Forschung könnte darin bestehen Quanteneffekten für eine effizientere Informationsverarbeitung zu nutzen. Beispielsweise geht es darum, effizientere Methoden für die Kommunikation zwischen mehreren Teilnehmern zu entwickeln.

Zellen, die den Knochen resorbieren

Sandra Hofmann (*1977) ist Gruppenleiterin am Institut für Biomechanik am Departement für Gesundheitswissenschaften und Technologie und seit April Assistenzprofessorin in der Gruppe Orthopädische Biomechanik an der technischen Universität in Eindhoven. Zusammen mit ihrem Team untersucht sie, wie man Zellen im Labor in 3D-Kulturen beeinflussen kann, damit sie eine möglichst knochenähnliche Matrix produzieren. Mögliche Einflüsse sind sowohl chemische wie auch mechanische Faktoren. Um diese zeitabhängigen Vorgänge zu studieren, benutzt die Gruppe speziell entwickelte Bioreaktoren, mit welchen die sich bildende mineralisierte Matrix mittels Computertomographie verfolgen lässt. Den ERC Starting Grant möchte sie dazu nutzen, diesen Kulturen eine weitere Komponente zuzufügen: Zellen, welche den Knochen resorbieren. Ein gesunder Knochen ist fähig, sich dank einer Balance von knochenbildenden und knochenresorbierenden Zellen an von aussen einwirkende Belastungen anzupassen. Gerät dieses Gleichgewicht nämlich ausser Kontrolle, resultieren diverse Krankheiten, wie Osteoporose. Die Pharmazeutin hofft, dass ein verbessertes Verständnis der Prozesse beim Knochenumbau schlussendlich auch neue Therapiemöglichkeiten für Krankheiten ermöglichen wird.

Eigenschaften von Batterien voraussagen

Mathieu Luisier (*1978), seit August 2011 an der ETH Zürich, ist Assistenzprofessor für Rechnergestützte Modellierung von Nanostrukturen am Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik. Er studierte und doktorierte an der ETH Zürich, wo er 2007 auch als Postdoc arbeitete. Zusammen mit seiner Gruppe entwickelt er Simulationen, um den Fluss von Partikeln durch nanometergrosse Elektronikkomponenten zu analysieren. Mit dem ERC Starting Grant will Luisier eine Simulation für Lithium-Ionen-Batterien mit nanostrukturierten Elektroden erstellen. Ziel ist, einen mehrskaligen Simulator zu entwickeln, der die Eigenschaften von Lithium-Ionen-Batterien voraussagt. Das Schwergewicht des Projekts liegt auf Grösse und Form der Elektrodenpartikel. «Ich hoffe, dass der neue Simulator dazu beiträgt, die Speicherkapazität und die Leistungsfähigkeit der nächsten Generation von Lithium-Ionen-Batterien zu verbessern», so der Grantee.

Im Kampf gegen Alzheimer

Paola Picotti (*1977) ist derzeit Assistenzprofessorin für Biologie von Proteinnetzwerken am Departement Biologie (D-BIOL). Sie möchte mit ihrem ERC Starting Grant neue Analysetechniken entwickeln, um für fehlerhafte Faltungen anfällige Proteinstrukturen zu untersuchen. Weiter möchte die Systembiologin aufzeigen, welche Konsequenzen fehlerhaft gefaltete Proteine für die gesamte Zelle haben. Solche Proteine sind für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer verantwortlich. «Im Rahmen des ERC-Projekts möchten wir auch Möglichkeiten ausloten, wie die verheerenden degenerativen Prozesse gestoppt oder gar rückgängig gemacht werden können», sagt Picotti. Von ihrem Projekt erwartet sie ein tieferes Verständnis der molekularen Mechanismen der Krankheiten, deren Ursache Protein-Fehlfaltungen und -Verklumpungen sind. Zudem erhofft sie sich, dass ihr ERC-Projekt neue Optionen für Diagnosen und Therapien dieser derzeit unheilbaren Krankheiten aufzeigt. Die Italienerin kam 2007 als Postdoc an die ETH Zürich.

Wie sich Arten neu bilden

Tanja Stadler (*1982) kam 2008 als Postdoc an die ETH und ist seit 2011 Junior-Gruppenleiterin am Institut für Integrative Biologie. Die deutsche Mathematikerin widmet sich in ihrem ERC-Projekt der Makroevolution und Epidemiologie – versucht also zu verstehen, wie sich Arten neu bilden oder vergehen, und wie sich Infektionskrankheiten verbreiten. Stadler kombiniert dazu einerseits Erbinformation mit paläontologischen Daten – etwa von Fossilien – um Schlüsselfaktoren evolutiver Prozesse zu identifizieren. Andererseits plant sie, Gensequenzen mit klinischen und epidemiologischen Daten zu paaren, um die treibenden Kräfte bei Epidemien zu bestimmen. «Die Herausforderung ist, Tools zu entwickeln, mit denen wir die relevanten Informationen herausfiltern können», so Stadler. Gelingt ihr dies, könnte das auch zu neuen Strategien gegen resistente Krankheitserreger führen.

Prozesse in metamorphem Gestein

Lucie Tajcmanová (*1978) ist Assistenzprofessorin für Metamorphe Petrologie am Departement Erdwissenschaften. Die Tschechin erforscht Mikrostrukturen von metamorphem Gestein, in denen verschiedene Druckverhältnisse gespeichert sind. Denn sich verändernder Druck kann auch die chemische Zusammensetzung der Mikrostrukturen verändern. Das Ziel der Forscherin ist, diese Druckveränderungen basierend auf thermodynamischen Berechnungen zu quantifizieren. Bisher gingen Petrologen davon aus, dass sich der Druck im Gestein rasch und ohne Spuren zu hinterlassen abbaut. Eine Quantifizierung, welche die unterschiedlichen Druckverhältnisse einbezieht, gibt es bisher nicht. «Die Tatsache, dass man diese verschiedenen Druckzustände in metamorphem Gestein ablesen kann, kann unsere geodynamischen Modelle und die Art und Weise, wie wir Vorgänge im Inneren der Erde betrachten, signifikant verändern», sagt Tajcmanová. In ihrem ERC-Projekt konzentriert sie sich darauf, das Zusammenspiel von chemischen und mechanischen Prozessen in metamorphem Gestein sowie wichtige Vorgänge in der Lithosphäre der Erde neu zu betrachten.

Zellen am Leben erhalten und überwachen

Savas Tay (*1977) ist Assistenzprofessor für Bioingenieurswesen am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel. Der türkische Wissenschaftler ist seit 2011 an der ETH tätig. Zuvor war er Postdoc an der Stanford University. Tay beschäftigt sich mit neuartigen Techniken, mit denen er biologische Prozesse auf der Ebene von einzelnen Zellen misst. «Derzeit werden viele biologische Messungen auf der Ebene von Geweben oder von Zellhaufen gewonnen. Doch diese über mehrere Zellen gemittelten Messungen liefern manchmal irreführende oder schlicht falsche Ergebnisse», sagt er. In dem nun mit einem ERC Starting Grant ausgezeichneten Projekt möchte Tay ein neuartiges Mikrofluid-System entwickeln. Ein solches Gerät eignet sich dazu, Zellen in winzigen Vertiefungen einzeln am Leben zu halten und ihre Funktion zu überwachen. Es könnte beispielweise für Systembiologen interessant sein, um zu sehen, wie einzelne Zellen des Immunsystems funktionieren und miteinander kommunizieren. Ein Ziel ist es etwa, im Detail zu verstehen, wie diese Zellen eine Entzündungsreaktion in Gang setzten, nachdem sie von Krankheitserregern befallen worden sind.

Nanobots für die Biomedizin

Salvador Pané i Vidal (*1980) ist Senior Scientist am Institut für Robotik und Intelligente Systeme (IRIS). Der Spanier kam 2008 als Postdoc an die ETH und etablierte 2010 das Elektrochemielabor des IRIS, das er seither leitet. Als Chemiker wendet er sein Fachwissen auf die Mikro- und Nanorobotik an, um biomedizinische Anwendungen zu entwickeln. Mit seinem ERC Starting Grant möchte er winzige, frei bewegliche Objekte herstellen, die sich aufgrund der magnetischen und elektrischen Eigenschaften der verwendeten Materialien drahtlos über äussere Magnetfelder steuern lassen. Derart kontrollierbar, generieren die kleinen Apparate elektrische Felder auf engem Raum. «Unsere ‹Magneto-elektrischen Nanobots› bergen das Potenzial für eine neue Methode, mit der Zellen präzise elektrisch angeregt werden können», sagt der Wissenschaftler. Die Zellstimulation ist wichtig für die biomedizinische Forschung.

 
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