Veröffentlicht: 27.03.13
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Architektonische Liebschaften

Sie bauen mit Herzblut und mit spürbarem Bezug zu ihrer Heimat Graubünden. Nun widmet das Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) dem zeitgenössischen Schaffen des Bündner Architekturbüros Bearth & Deplazes ein Buch und eine Ausstellung, die heute eröffnet wird.

Martina Maerki
Das Weingut Gantenbein in Fläsch hat ein Mauerwerk, das von Robotern erstellt wurde. (Foto: Ralph Feiner)
Das Weingut Gantenbein in Fläsch hat ein Mauerwerk, das von Robotern erstellt wurde. (Foto: Ralph Feiner) (Grossbild)

Mindestens eines der Bauwerke, an dem sie beteiligt waren, kennt die ganze Welt: Die in einer Gemeinschaftsarbeit mit der ETH Zürich und dem Schweizerischen Alpenclub entwickelte Neue Monte-Rosa-Hütte in Zermatt, bei der Andrea Deplazes, Architekturprofessor an der ETH Zürich, die architektonische Leitung hatte Die Neue Monte-Rosa-Hütte erlangte internationale Aufmerksamkeit und zieht jährlich zahlreiche Besucher in ihren Bann. Kein Wunder, eröffnet dieser eindrückliche, auf 2883 Meter Höhe über dem Meer erbaute Solitär auch das Buch zur Ausstellung, das 18 ausgewählte Werke des Architekturbüros «Bearth & Deplazes» präsentiert.

Amurs, so der Titel von Buch und Ausstellung, ist keine vollständige Werkübersicht, sondern eine bewusst subjektive Auswahl, die diejenigen Bauwerke vorstellt, die den Architekten besonders am Herzen liegen. So ist auch der Titel zu verstehen. Denn das rätoromanische Wort «Amurs» lässt sich sowohl mit «Lieben» als auch mit «Liebschaften» übersetzen. Und genau wie man verschiedene Liebe oder Liebschaften meist nicht erklären kann, setzen auch Buch und Ausstellung ganz auf das Erleben und verzichten weitgehend auf Erklärungen. Im Mittelpunkt stehen grossformatige Fotos, der beschreibende Text (auf Deutsch und Englisch) ist auf ein Minimum reduziert.

Edelrohbau und Natur

Die Aufnahmen der Fotografen Ralph Feiner und Tonatiuh Ambrosetti vermitteln insbesondere den spannungsreichen und engen Bezug zur umgebenden Landschaft und Natur, der viele Bauwerke der Bündner Architekten auszeichnet. Dazu kommt eine besondere Mischung aus Schwere und Leichtigkeit, Offenheit und Geschlossenheit. Die Fotos vermitteln auch die puren, reduzierten Materialien, welche die Architekten bei vielen Bauwerken verwenden. «Edelrohbau-Konzept» nennen die Architekten selber dies mit feiner Ironie.

Tradition und neueste Fertigungstechnik

So eng der Bezug vieler Bauten zur Berglandschaft ist, die Architekten neigen nicht zur Nostalgie. Viel mehr erproben sie immer wieder neueste Fertigungstechnik. So etwa beim Weingut Gantenbein in Fläsch. Der Neubau der Gärhalle ist ein «Pfeilerstall» mit Fassaden aus durchbrochenem Mauerwerk. Das durchbrochene Mauerwerk dient als natürlicher Sonnenschutz, Lichtfilter und Wärmepuffer. Erbaut wurde das Mauerwerk von Robotern, die von den Professoren Fabio Gramazio und Matthias Kohler am Institut für Architektur und Digitale Fabrikation der ETH Zürich entwickelt wurden.

In der Anmutung ganz anders, an ein «Palazzo» erinnernd, setzt auch der ÖKK- Hauptsitz in Landquart auf maximale industrielle Fertigung und Ideenreichtum. Die markante Tragstruktur aus bogenförmigen Elementen aus Beton liegt aussen. Die Bogen-Elemente sind ebenso vorfabriziert wie die Deckenelemente aus Sichtbeton. Sie prägen nicht nur das Erscheinungsbild des Gebäudes, sondern dienen zugleich als Witterungsschutz für die zurückversetzten Glasfassaden, sodass das Gebäude ohne Klimaanlage auskommt.

Egal ob Maiensäss, Weingut, Schulhaus oder Bürogebäude, die Verbindung von bündnerischer Tradition und Zukunftsfähigkeit ist in jedem Fall spannend. «In Graubünden befinden sich die meisten unserer Arbeiten. Wir zeigen damit unser Graubünden, das wir je nachdem, wie wir hinschauen, manchmal verträumt ersehnen und manchmal ernüchtert verschmähen», sagen die Architekten. Oder, wie es Iso Camartin, der bekannte Schweizer Schriftsteller, in seinem Vorwort zum Buch formuliert: Die Arbeiten sorgen «wie Liebschaften für die Unruhe des Herzens wie für die Seligkeit des Gefühls». So fügen Bearth & Deplazes der Ausstellungs- und Publikationsreihe des gta zu Schweizer zeitgenössischer Architektur ihre ganz eigene Sprache hinzu.

Buch und Ausstellung

Ausstellung: Donnerstag, 28. März – Donnerstag, 18. April 2013
Ort: Haupthalle, Zentrum, ETH Zürich Mo-Fr 8-22 Uhr, Sa 8-17 Uhr, So und Feiertage geschlossen

Eröffnung mit Vorträgen: Mittwoch, 27. März 2013, 18.00 Uhr
Auditorien E5 und E7, Zentrum, ETH Zürich

Amurs: Bearth & Deplazes Architekten
Mit einer Einführung von Iso Camartin Fotografien von Tonatiuh Ambrosetti und Ralph Feiner 288 Seiten, 85 Abb. in Farbe, 30 Pläne, Deutsch und Englisch gta Verlag 2013, ISBN 978-3-85676-305-3, CHF 89.00/76.00 Euro

 
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