Veröffentlicht: 06.08.13
Campus

«Ein Doktorat bildet die Persönlichkeit aus»

Die Mittelbau-Vereinigung der ETH Zürich (AVETH) hat im Juni einen neuen Präsidenten gewählt: Der 27-jährige deutsche Elektrotechniker Lars Büthe übernimmt die Nachfolge des theoretischen Physikers Julián Cancino. Im Interview mit ETH Life spricht Büthe über die ETH-Kultur, die Integration und den Nutzen der Lehre.

Interview: Florian Meyer
Der 27-jährige Elektrotechniker Lars Büthe ist der neue Präsident der Mittelbau-Vereinigung AVETH. (Bild Florian Meyer)
Der 27-jährige Elektrotechniker Lars Büthe ist der neue Präsident der Mittelbau-Vereinigung AVETH. (Bild Florian Meyer) (Grossbild)

Lars Büthe, seit gut einem Jahr arbeiten sie im Institut für Elektronik als Doktorand. Zuvor haben Sie an der Universität Erlangen-Nürnberg als Diplomingenieur in Mechatronik abgeschlossen. Was hat Sie gereizt, an die ETH zu kommen?
Ein wichtiger Punkt war der internationale Ruf der ETH. Ein anderer war die Neugier. Ich wollte etwas Neues sehen. Im Bewerbungsgespräch mit Gerhard Tröster, der die Professur für Elektronik leitet, merkte ich rasch, dass wir ein ähnliches Verständnis haben, wie man an eine Forschungsarbeit herangeht. Als Doktorand habe ich an der ETH zudem sehr viel Selbständigkeit und Freiheit in der Themenwahl.

Sie sind aus Deutschland an die ETH gekommen. Wie haben Sie den Einstieg erlebt?
Ich bin in der Schweiz sehr freundlich aufgenommen worden. Am Anfang musste ich mir zwar meine Informationen selber zusammensuchen, aber wenn ich Fragen hatte, wurde mir immer geholfen. Damit ich nicht zu oft ins Fettnäpfchen trete, habe ich mich mit dem Büchlein «Gebrauchsanweisung für die Schweiz» vorbereitet. Das war hilfreich.

Was ist typisch für die ETH?
Die ETH Zürich ist sehr strukturiert und organisiert. Das Betreuungsverhältnis der Doktorierenden zu den Studierenden hat hier ein gutes Mass, und im Vergleich zu anderen Universitäten hat die ETH doch beträchtliche finanzielle Ressourcen. Und noch etwas ist mir aufgefallen, ich weiss aber nicht, ob das für die ETH oder für die Schweiz typisch ist…

Was denn?
Das Mitspracherecht ist hier viel ausgeglichener. In den Hochschulgremien diskutieren Professoren, Mittelbau, Studierende und Personal auf Augenhöhe. In den Gremien, die ich aus Deutschland kenne, ist die Mitwirkung hierarchischer organisiert. Da kamen, überspitzt gesagt, zwanzig Professoren auf einen Studenten und einen Mitarbeiter, und die durften dann die Entscheidungen nur noch abnicken. Das Mitwirkungskonzept der ETH ist viel konstruktiver.

Wie wollen Sie als Präsident der AVETH die Mittelbau-Vereinigung positionieren?
Wir haben zwei Standbeine: Zum einen vertritt die AVETH in der Hochschulpolitik die Interessen des wissenschaftlichen Mittelbaus, zum anderen organisieren wir Veranstaltungen wie die Glühwein-Events oder Wanderungen, um die Kontaktpflege im Mittelbau zu unterstützen. Das ist, was wir mit unseren begrenzten Ressourcen machen können - schliesslich ist die Mitwirkung ehrenamtlich.

Welche Themen wollen Sie als AVETH-Präsident anpacken?
Wir wollen die Zusammenarbeit mit den Mittelbau-Fachvereinen in den Departementen noch weiter verfestigen. Mein Vorgänger Julián Cancino hat im vergangenen Jahr den Einbezug der Fachvereine gezielt ausgebaut. Diese Arbeit wollen wir nun fortführen, damit die AVETH die Anliegen des Mittelbaus gezielt wahrnehmen kann und weniger stark vom Engagement einzelner Personen abhängt.

Sie waren bisher für die Kommunikation der AVETH verantwortlich. Was waren da die Herausforderungen?
Zum einen war das die interne Kommunikation unter den Mitgliedern, zum anderen besteht weiterhin ein Bedarf, die AVETH noch besser im Mittelbau zu verankern. Bei den Doktoranden ist sie stark präsent, bei den Postdoktorierenden und Oberassistenten weniger.

Mit welchen Themen wollen Sie Postdoktorierende abholen?
Die Nachwuchsförderung bleibt für uns ein Hauptthema. Sowohl Postdoktorierende als auch Doktorierende sollen in der Karriereentwicklung noch mehr unterstützt werden und wissen, welche Alternativen ihnen die Hochschule zu einer Karriere in der Privatwirtschaft bieten kann.

Sie haben das gute Betreuungsverhältnis von Doktorierenden und Studierenden erwähnt. Ein strittiges Resultat der Doktorandenbefragung 2012 war die Frage, ob sich die Doktorierenden an der Lehre beteiligen sollen. Die Stimmen dafür und dagegen hielten sich die Waage.
Ich persönlich finde es gut, dass die Doktorierenden Lehraufgaben übernehmen müssen, weil für mich das Doktorat nicht nur eine Forschungs-, sondern auch eine Persönlichkeitsausbildung ist. Wer sich aktiv an der Lehre beteiligt, kann besonders in der Kommunikation viel lernen.

Weshalb?
Wenn ich ein Team von Hilfsassistenten leite, dann ist das Personalführung. Diese Qualifikation hilft mir, wenn ich mich in die Privatwirtschaft bewerbe, womöglich ebenso viel wie ein Superergebnis in der Forschung.

Welche Lehraufgaben haben Sie?
Zusammen mit einem Kollegen betreue ich ein Praktikum mit ca. 220 Studierenden. Dieses haben wir komplett umgebaut und die Versuche zu digitalen Schaltungen vollständig überarbeitet. Dabei habe ich gelernt, wie ich mich im Doktorat organisiere, aber auch wie ich mit den Studierenden umgehen und kommunizieren muss. Darin liegt für mich ein Wert der Lehre.

Haben Sie neben der Betreuung der Studierenden genug Zeit für ihre Doktorarbeit?
Ich kann nicht für alle Institute und Departemente sprechen, doch war gerade das ein Grund für mich, um an die ETH zu kommen: Hier stimmt die Balance zwischen Lehre und Forschung.

In einer Kolumne fordert Ihr Kollege aus dem AVETH-Vorstand, Florian Emaury, die Einführung eines auf den Lehrplan abgestimmten Programms, das die sprachliche und kulturelle Integration von Wissenschaftlern fördert. Er moniert, dass die Campus- und Unterrichtssprache hauptsächlich Deutsch sei und Englisch langfristig die Lingua Franca sein sollte. Er fordert, Sprachkurse im Doktorat stärker zu fördern.
Die ETH könnte tatsächlich noch mehr machen. Es wäre wichtig, dass sie sich strategisch klar positioniert und darlegt, welche Sprachenstrategie sie umsetzen will, wenn sie einerseits die Doktorierenden international rekrutiert, die Lehre aber zu grossen Teilen auf Deutsch abwickeln will, besonders auf der Bachelorstufe. Oft hat man gar keine andere Wahl als dass die deutschsprachigen Doktorierenden die Bachelor-Studierenden betreuen und die nicht-deutschsprachigen die Master-Studierenden.

Julián Cancino: Zurück in die Forschung

An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 25. Juni 2013 hat die AVETH Lars Büthe zum neuen Präsidenten gewählt. Büthe ist Doktorand in der Wearable Computing Group von Gerhard Tröster, Professor für Elektronik (D-ITET). Dort untersucht er flexible Sensoren, die man biegen und am Körper tragen kann. Genutzt werden solche Sensoren für intelligente Kleidung in Medizin und Sport.
Seit Februar 2012 hat Julián Cancino die AVETH als Präsident geleitet. Zuvor leitete er die Arbeitsgruppe Politik (PoWoG). Der Physik-Doktorand hat in diesem Frühling das dritte Jahr seines Doktorats begonnen und will sich nun ganz seiner Forschungsarbeit widmen. Zu den Schwerpunkten seines Präsidialjahres gehören namentlich:
- der Aufbau eines Netzwerks mit den departementalen Fachvereinen (bis September werden 15 von 16 Departementen einen eigenen Mittelbau-Fachverein haben, der mit der AVETH zusammenarbeitet);
- der Abbau von Doppelspurigkeiten durch die Organisation der AVETH-Arbeiten in Ressorts;
- die erste Durchführung einer Informationsveranstaltung für Postdoktorierende; mit dem langfristigen Ziel die Postdoktorierende besser repräsentieren zu können. (mf)

 
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